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AS Roma: Eine amerikanische Achterbahnfahrt

Das Auf und Ab der Römer unter ihrem Boss James Pallotta:

AS Roma: Eine amerikanische Achterbahnfahrt Foto: © getty

„Die Roma ist kein Team, sie ist ein Teil deiner Seele. Sie ist Liebe und Gift. Sie ist eine Achterbahn der Gefühle“, sagt Walter Sabatini.

Der Mann muss es wissen. Rund 2000 Tage, also fast fünfeinhalb Jahre hat der Manager den Höllenritt auf der Achterbahn bestritten. Abertausende Zigaretten sind dem Italiener während seiner Zeit in der „ewigen Stadt“ zum Opfer gefallen. „Ich habe meine Lunge und noch viel mehr an diesen Klub verloren“, sagt er.

Seit 2011 war der nunmehr 64-Jährige bei den „Giallorossi“ im Amt. Zu dieser Zeit trat auch James Pallotta in die 92-Jährige Geschichte des Klubs ein. Zunächst als einer von vier US-amerikanischen Investoren, seit August 2012 als Präsident des Klubs.

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Die Jagd nach dem großen Traum

Gemeinsam haben sie über fünf Jahre lang einen Traum gejagt. Sabatini hat ihn vor rund drei Jahren aufgegeben, Pallotta ist immer noch hinter ihm her. Die große Vision: Die Roma zu einem der größten Klubs der Welt zu machen. Und endlich wieder den Scudetto holen! Das ist den Römern in ihrer Geschichte erst drei Mal gelungen, zuletzt 2001.

Dumm nur, dass es da dieses Juventus gibt. Seit Pallotta die Geschicke der Römer leitet, hat die „alte Dame“ aus Turin stets den Meistertitel geholt, drei Mal wurde die Roma Zweiter. Aber der Zweite ist eben auch der erste Verlierer. Das gilt in den USA, wo Pallotta als Sohn italienischer Einwanderer lebt und aufgewachsen ist, fast noch mehr als sonstwo.

Also lässt der 61-Jährige nichts unversucht, um doch irgendwie den ganz großen Coup zu landen. Und krempelt den Klub deshalb in regelmäßigen Abständen um, erfindet ihn praktisch Sommer für Sommer neu.

Roma-Bilanz unter James Pallotta:

Saison Liga Coppa Europacup
2011/12 7. Viertelfinale EL-Playoff
2012/13 6. Finale -
2013/14 2. Semifinale -
2014/15 2. Viertelfinale CL-Gruppe, EL-Achtelfinale
2015/16 3. Achtelfinale CL-Achtelfinale
2016/17 2. Semifinale CL-Playoff, EL-Achtelfinale
2017/18 3. Achtelfinale CL-Semifinale
2018/19 6. Viertelfinale CL-Achtelfinale

Am Anfang war Luis Enrique. 2011 galt der Spanier als junger, aufstrebender Trainer, hatte sich seine ersten Meriten als Coach der zweiten Mannschaft des großen FC Barcelona verdient und sollte den Glanz, den Pep Guardiola damals mit den Profis der Katalanen versprühte, mit nach Rom bringen.

Das funktionierte nicht. Der spätere Champions-League-Sieger kam in der Serie A nie wirklich zurecht, abgesehen von einer kurzen Phase nach Weihnachten gelang es Luis Enrique nie, konstante Leistungen aus seinem Team zu kitzeln. Nach Platz sieben im Premierenjahr war für den Katalanen schon wieder Schluss.

Zemans zweifelhaftes Spektakel

Und Pallotta, der es zunächst mit einem aufgehenden Stern versucht hatte, suchte sein Heil in der Vergangenheit – nicht zum letzten Mal. Mit Zdenek Zeman kam ein Mann zurück nach Rom, der zwischen 1997 und 1999 schon für Spektakel in der Hauptstadt gesorgt hatte.

Der gebürtige Tscheche, der zu diesem Zeitpunkt zweifellos schon zum alten Eisen gezählt werden musste, hatte soeben mit Pescara in eindrucksvoller Manier den Aufstieg in die Serie A geschafft.

Foto: © getty

Nun sollte er seinen aufsehenerregenden Spielstil in Rom implementieren. Statt Tiki-Taka war fortan Offensiv-Harakiri angesagt, alles anders, nichts besser. Anfang Februar war Zeman schon wieder Geschichte, die Roma war unmittelbar vor der Trennung daheim von Cagliari vorgeführt worden, hatte 2:4 verloren. Interimscoach Aurelio Andreazzoli brachte die Saison mehr schlecht als recht zu Ende. Nur Platz sechs, das Coppa-Finale gegen Lazio verloren, wieder kein Europacup.

Dabei sollte die Roma doch in aller Munde sein. „Wenn wir eine weltweite Marke sein wollen, dann mussen wir 24/7 Inhalte produzieren“, so das Credo Pallottas, der übrigens auch Mit-Eigentümer des NBA-Teams Boston Celtics ist.

Inzwischen hat der Verein einen eigenen Fernsehsender, eine eigene Radiostation, bespielt sämtliche Social-Media-Kanäle mit einer durchaus sympathischen Penetranz. 2015 wurde Paul Rogers vom FC Liverpool abgeworben, um in Rom als „Head of Digital an Social Media“ zu fungieren. Alles auf Bestreben Pallottas.

Dessen Rechnung ist simpel: Wenn nur ein Prozent der Fußball-Fans auf dieser Welt die Roma zu ihrem zweitliebsten Team machen und im Jahr fünf US-Dollar für Merchandise ausgeben, bringt das jährlich Einnahmen von rund 150 Millionen Euro.

Roma-Trainer unter James Pallotta:

Trainer von bis Punkteschnitt
Luis Enrique (ESP) Juli 2011 Mai 2012 1,39
Zdenek Zeman (ITA/CZE) Juni 2012 Februar 2013 1,60
Aurelio Andreazzoli (ITA) Februar 2013 Juni 2013 1,82
Rudi Garcia (FRA) Juli 2013 Jänner 2016 1,84
Luciano Spalletti (ITA) Jänner 2016 Mai 2017 2,15
Eusebio Di Francesco (ITA) Juni 2017 März 2019 1,79
Claudio Ranieri (ITA) März 2019 Juni 2019 1,83
Paulo Fonseca (POR) Juli 2019 - 1,83

Doch zurück zum Sportlichen: 2013 kam mit Rudi Garcia jener Mann zu den „Giallorossi“, dem die bisher längste Ära unter Pallottas Ägide beschienen war. Der Franzose hielt sich zweieinhalb Saisonen, wurde zwei Mal Vizemeister und führte den Klub in die Champions League.

Anders als zuletzt setzten die Römer unter Garcia wieder auf Ballbesitz-Fußball. Ein historischer Abend Ende Oktober 2014 sorgte aber dafür, dass sich die Zeit des Trainers laut Klub-Ikone Francesco Totti in eine „negative Erfahrung“ umwandelte.

Ein Debakel, das alles änderte

Die Euphorie über die Rückkehr in die Königsklasse war riesig, über 62.000 Menschen kamen ins Stadio Olimpico, bescherten dem Verein alleine an diesem Abend Ticket-Einnahmen in der Höhe von 3,3 Millionen Euro, und sahen einen beispiellosen Untergang ihres Teams. Der FC Bayern unter Pep Guardiola erteilte der Roma eine Lehrstunde sondergleichen, schoss sie mit 7:1 aus dem eigenen Stadion.

Danach war irgendwie nichts mehr so wie davor. Rudi Garcia habe das Vertrauen der Spieler verloren, hieß es. Noch schlimmer, er habe das Vertrauen in seine Fähigkeiten, diese Mannschaft zum Erfolg zu führen, verloren. Sportchef Sabatini aber glaubte noch an Garcia, glaubte daran, dass der Franzose das Ruder herumreißen könne.

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Doch Pallotta fiel seinem wichtigsten Mitarbeiter in den Rücken, traf sich in Miami mit Luciano Spalletti, ohne große Sorge zu tragen, dass das Treffen geheim bleibt. Garcia ging, Spalletti kehrte nach seinen Jahren in St. Petersburg zurück zur Roma, die er bereits von 2005 bis 2009 betreut hatte.

Wieder ein neuer Trainer, wieder eine neue Philosophie, wieder Vizemeister. Spalletti hatte in diesem einen Jahr in Rom die undankbare Aufgabe, Totti durch die letzte Spielzeit seiner unfassbaren Karriere zu begleiten. Der Mann, der die Roma mehr verkörpert als irgendjemand sonst auf der Welt, hatte ausgedient. Und Spalletti, aufgerieben von der Römer Presse, dann auch.

Monchi, auch kein Heilsbringer

Während der Saison kam es auch auf höherer Ebene zu einem Wechsel – Sabatini suchte im Herbst 2016 das Weite. Anfang April präsentierte die Roma einen neuen Sportchef: Ramon Rodriguez Verdejo, besser bekannt als Monchi.

Die Euphorie in der Hauptstadt war riesig. Immerhin hatte der Mann während seiner 17 Jahre im Amt den FC Sevilla vom Zweitligisten zum Rekordsieger in der UEFA Europa League transformiert. Monchi galt zu diesem Zeitpunkt als einer der besten Sportdirektoren der Welt, als Mann, der den Riecher für Schnäppchen hat, die dann so richtig einschlagen.

Gleichzeitig wurde mit Eusebio Di Francesco ein Vertreter der jüngeren italienischen Trainer-Generation verpflichtet. Der ehemalige Roma-Kicker hatte zuvor mit Sassuolo in der Serie A für Aufsehen gesorgt.

Monchi machte sich prompt daran, den Kader kräftig umzubauen, scheute auch unpopuläre Entscheidungen nicht – die Verkäufe von Radja Nainggolan und Kevin Strootman schmeckten den wenigsten Fans. Mohamed Salah und – ein Jahr später – Alisson waren nicht zu halten, wurden lukrativ an Liverpool verkauft.

Neuzugänge wie Nicolo Zaniolo, Justin Kluivert, Cengiz Ünder, Lorenzo Pellegrini und Patrick Schick waren ihr Geld definitiv wert. Doch irgendwie lief es in der Liga nur so lala. Die erste Saison unter Monchi und di Francesco beendete die Roma mit Riesenabstand auf Juve und Napoli als Dritter, der sensationelle Einzug ins Halbfinale der Champions League konnte darüber aber hinwegtrösten.

Im zweiten Jahr ging dann richtig viel schief. Die Rotation forderte ergebnistechnisch viele Opfer, Anfang 2019 sah man di Francesco mehrmals kopfschüttelnd und nervös lachend auf der Bank. Binnen vier Tagen gab sein Team eine 3:0-Führung in Bergamo aus der Hand (3:3) und kassierte beim 1:7 gegen die Fiorentina in der Coppa üble Prügel. Das 0:3 im Derby gegen Lazio Anfang März gab dem Coach dann den Rest.

Pallottas Fehler

Unmittelbar darauf suchte auch Monchi das Weite, schloss sich schließlich wieder seiner alten Liebe FC Sevilla an. Der Spanier war in den Augen Pallottas auch der Hauptschuldige: „Das größte Problem im vergangenen Jahr waren sicher nicht die Verkäufe, sondern unsere Einkäufe. Ohne Frage haben wir einige Spieler auf höchstem Niveau geholt. Das Problem waren nicht die Spieler an sich, sondern der Umstand, die richtigen Spieler für das System von Trainer di Francesco zu holen. Das habe ich Monchi mitgeteilt - und Monchi hat dann um 100 Prozent Kontrolle und das Vertrauen in ihn gebeten. Nun blicke ich fast täglich auf diesen Tag zurück und womöglich hätte ich ihm diese Vollmacht nicht erteilen dürfen. Denn das Team passte am Ende einfach nicht zusammen, nicht zum System von di Francesco.“

Der US-Amerikaner sah sich zunehmend in die Defensive gedrängt. Die Roma-Fans forderten immer vehementer seinen Rücktritt. Immerhin hatte der Klub-Boss zu verantworten, dass Klub-Legende Daniele de Rossi entgegen seines Willens keinen neuen Vertrag erhielt.

"Wenn du Totti angreifst, bist du tot"

Ex-Sportchef Walter Sabatini

Und noch viel, viel schlimmer: Totti hatte seinen Job im Management des Klubs hingeschmissen. Die Vereins-Ikone gab Pallotta die Schuld daran, die Lust an der Arbeit für die Roma verloren zu haben. Der Präsident habe ihn nie in wichtige Entscheidungen eingebunden.

„Wenn du Totti angreifst, bist du tot“, beschreibt Ex-Sportchef Sabatini die Gepflogenheiten in der Hauptstadt. Ob sich Pallotta in den Augen der Römer Fans von diesem Fehltritt erholen kann, ist mehr als fraglich.

Eine Frage des Geldes

Nach einer kurzen Amtszeit von Claudio Ranieri – nach Zeman und Spalletti der dritte Rückkehrer unter Pallotta – ist seit dem Sommer wieder alles anders. Der Portugiese Paulo Fonseca sitzt auf der Trainerbank. Gianluca Petrachi, der sich vor allem durch seine gute Arbeit bei Torino einen Namen gemacht hat, ist der neue Sportchef.

Petrachi wird auch nachgesagt, einem Verein mit angeschlagenen Finanzen helfen zu können. Finanziell wurden im Sommer deshalb kleinere Brötchen gebacken – kein Transfer über 30 Millionen Euro, Spieler wie Henrikh Mkhitaryan, Chris Smalling, Jordan Veretout und Nikola Kalinic kamen leihweise.

Das Schicksal der Roma hängt nämlich nicht zuletzt davon ab, neue Einnahmequellen zu erschließen. Deshalb pocht Pallotta seit Jahren auf ein neues Stadion. Schon bald soll gebaut werden, doch solche Behauptungen sind in Italien bekanntlich wenig wert.

Die Achterbahnfahrt der Roma befindet sich derzeit nicht gerade auf einem Höhepunkt.

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