Alles begann mit dem Stadtrivalen an der Anfield Road
Plötzlich steht man davor, im gleichnamigen Stadtteil Anfield – nur einen Steinwurf entfernt vom Stadtrivalen Everton.
Genauer gesagt liegt der Goodison Park nur etwa einen Kilometer weit weg, die Strahlkraft des verhassten Rivalen haben die "Toffees" aber nie auch nur annähernd erreicht. Von einem etwas erhöhten Punkt aus könnte man jedoch über den Stanley Park hinweg das andere Stadion erspähen.
Unweigerlich hat man auch das Bild der "Shankly Gates" vor Augen – einem prunkvollen, alten, schwarzen Tor, verziert mit goldenen Blättern und dem „You’ll never walk alone“-Schriftzug über dem Durchgang. Seit 1892 gibt es dieses Tor, im Zuge des Umbaus wurde es jedoch an anderer Stelle wieder aufgebaut.
Ein enger Gang als Albtraum der Gegner
Das Wichtigste ist jedoch der Innenbereich, dort wo Fußball-Geschichte geschrieben, Helden geboren und denkwürdige Schlachten geschlagen wurden.
Weltbekannt ist der angsteinflößende Gang zum Spielfeld. Beide Mannschaften durchqueren den engen Abgang, bevor man den Außenbereich erspähen kann, hängt das „This is Anfield“-Schild, wo sich die „Reds“ noch mit dem Berühren des Schildes den letzten Mut holen und vielen Gegnern das Herz in die Hose rutscht.
Denn in den Katakomben des ehrwürdigen Stadions spürt man bereits die Atmosphäre, die Gesänge, die Gänsehaut-Stimmung. Ein Fußballplatz, rein nach englischem Vorbild, wo die Zuschauerränge praktisch nahtlos an den grünen Rasen anschließen und den Spielern auf dem Platz kaum Luft zum Atmen lassen.
Salzburgs Co-Trainer und GAK-Kapitän beim 1:0-Wundersieg 2004 (Hier Nachlesen >>>), Rene Aufhauser, meinte dazu gegenüber LAOLA1: „Schon der Weg zum Spielfeld war sehr speziell, denn es war ein ganz enger Gang über eine Treppe. Man ging unmittelbar Schulter an Schulter mit seinem Gegenspieler in Richtung Rasen. Und man hat schon die Gesänge gehört und die Atmosphäre aufgesaugt.“
"The Kop" sorgt für Gänsehaut - nicht nur mit der Hymne
Nicht umsonst warnte auch die deutsche Liverpool-Legende Didi Hamann die Salzburger Bullen bei „Servus TV“ vor der beeindruckenden Kulisse: "Selbst Spieler wie Messi, die schon alles gesehen haben, bekommen dort Angst. Das gibt es nur in Liverpool. Wenn die Fans einmal an der Anfield Road übernehmen, können die tollsten Sachen passieren.“
Die Magie in diesem Stadion ist einzigartig. Fußball-Romantiker wünschen sich zwar die Zeiten der Stehplatz-Tribünen zurück, als die Stimmung noch besser überschwappte. Trotzdem bekommt es das Publikum, angeführt von der sagenumwobenen Fan-Tribüne „The Kop“, noch immer wahrlich eindrucksvoll hin, Fans wie Gegnern die Gänsehaut aufzuziehen.
Spätestens beim Anstimmen von "You'll never walk alone" kann man dieser nicht mehr entgehen, wenn das gesamte Stadion die weltberühmten Strophen trällert.
Tragödien verstärkten den Mythos Anfield
Dass diese eigentlich vom Broadway stammende Melodie so berühmt wurde, hat sie einem Technikproblem zu verdanken. 1945 im Musical "Carousel" erstmals gespielt, landeten "Gerry & The Pacemakers" 1963 einen Hit damit, der auch in den Fußballstadien vor den Spielen gespielt wurde.
Als der Strom ausfiel, sang "The Kop" einfach weiter - und schon war die neue Hymne geboren, welche in guten wie in schlechten Zeiten symbolisch für den Zusammenhalt beim FC Liverpool steht.
Denn gezeichnet wurde der Klub bekanntlich durch zwei Katastrophen, Tragödien die alle noch näher zusammenrücken ließen: Zum einen die Hillsborough-Katastrophe 1989, zum anderen 1985 die Katastrophe im Brüsseler Heysel-Stadion.
Damals im April 1989 starben bei einer Massenpanik während des FA-Cup-Halbfinals zwischen Liverpool und Nottingham Forest, der Hillsborough-Katastrophe, 96 Menschen. Unter anderem der zehnjährige Cousin von Klub-Legende Steven Gerrard. Mehr als 700 weitere wurden verletzt. Ähnliches geschah vier Jahre zuvor beim Finale des Europacups der Landesmeister, als Liverpool in Brüssel auf Juventus Turin traf und ebenfalls eine Panik ausbrach: 36 Tote und mehr als 400 Verletzte. "Diese Tragödien", so Hamann, "haben die Stadt zusammengeschweißt".
In guten wie schlechten Zeiten - in CL hui, in Premier League in Warteschleife
In guten wie in schlechten Zeiten - so kann das Motto der "Reds" zusammengefasst werden. Denn sportlich liegen die Hochzeiten zumindest in der Premier League viele Jahre zurück.
1990 konnte der bisher letzte Meistertitel eingefahren werden, in der vergangenen Saison ließ Jürgen Klopp die "Reds" zumindest bis zum letzten Spieltag daran glauben, die 29-jährige Durststrecke zu beenden.
Heuer muss allerdings ein neuer Anlauf her, da man sich am Ende Manchester City beugen musste. In der Champions League läuft es da wahrlich besser - sechs Mal gewann man die Königsklasse bzw. den Vorgängerbewerb Europapokal der Landesmeister: 1977, 1978, 1981, 1984, 2005 und 2019.
Klopp entfachte das Feuer nach durchwachsenen Jahren im Mittelmaß neu und will nach dem Finaltriumph gegen Tottenham im vergangenen Mai in dieser Spielzeit nachlegen.
Anfield wird seinen Anteil dazu beitragen, der zwölfte Mann ist den Reds gewiss. Die sportlichen Grundvoraussetzungen sind jedoch Klopps Metier.