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Salzburg-Abwehr nicht Champions-League-tauglich?

"Nicht gut genug!" Salzburger üben Kritik an eigener Defensive:

Salzburg-Abwehr nicht Champions-League-tauglich? Foto: © GEPA

Der FC Salzburg bleibt bei seiner Champions-League-Premiere ein Team der Extreme. Am dritten Spieltag liefern sich die "Bullen" gegen den SSC Napoli das nächste Spektakel (Spielbericht>>>), gehen aber zum zweiten Mal in Folge als Verlierer vom Feld.

Nach dem 2:3 gegen den italienischen Vizemeister halten die Mozartstädter bereits bei neun Gegentreffern nach drei Spielen, nur zwei der restlichen 31 Teilnehmer kassierten noch mehr Tore.

"Es ist sehr enttäuschend. Ich glaube, wir waren die dominantere Mannschaft, haben es aber leider nicht geschafft, gut zu verteidigen", ärgert sich nicht nur Max Wöber über die teils naive Defensivleistung seiner Mannschaft.

Der Wiener, der selbst beim 0:1 durch Dries Mertens keine allzu gute Figur machte, bemängelt: "Wir haben uns vorgenommen, die Null zu halten - das ist wieder nicht geglückt. Wir haben wieder drei Gegentore bekommen. Wir müssen kompakter stehen und mit allen Spielern am Feld verteidigen. Wenn da einer auslässt, wird es ganz schwer gegen ein Team wie Napoli."

Haaland über Abwehrleistung: "Kein Kommentar"

Besonders ärgerlich war der Zeitpunkt des dritten Gegentreffers. Der eingewechselte Lorenzo Insigne versenkte die Kugel nur eine gute Minute nach Haalands 2:2-Ausgleichstreffer in Minute 72 und brachte die Salzburger Jubelstürme mit einem Schlag zum Schweigen.

"Das war der Moment, wo alle im Stadion gedacht haben, jetzt gewinnen wir die Partie noch. Dasselbe haben wir uns am Spielfeld gedacht. Dann nächste Aktion: Langer Ball, Flanke, irgendwie abgefälscht und der Ball fällt über Carlito (Carlos Miguel Coronel, Anm.) drüber. Das war ein Riesen-Rückschlag für uns", analysiert Wöber.

Ebenfalls sehr enttäuscht über die Abwehrleistung seines Teams gibt sich Doppeltorschütze Erling Haaland. Das norwegische Wunderkind meint angesprochen auf die hohe Anzahl der Salzburger Gegentore nur: "Ich will nicht darüber sprechen. Also kein Kommentar."

Ein Fehler im System?

Zum dritten Mal im dritten Spiel liefen die Salzburger in der Champions League in einem anderen System auf. War es zum Start gegen Genk noch das unter Jesse Marsch klassische 4-4-2, absolvierten die "Bullen" nach dem Fehlstart in Liverpool die restlichen 60 Minuten in einer Raute. Gegen Napoli ließ sich Marsch mit einem 4-2-3-1 wieder etwas Neues einfallen - nämlich eine Grundordnung, in der mit Hee-chan Hwang, Erling Haaland und Patson Daka alle drei Top-Stürmer einen Platz fanden. Was auffällt: Eine Dreierkette, wie sie in der Vorbereitung und auch in der Bundesliga das ein oder andere Mal ausgetestet wurde, fand noch keine Verwendung.

"Wir spielen ein sehr riskantes System, wo jeder Spieler in der Defensive mitsprinten muss. Wenn einer auslässt, entstehen Räume. Die nutzen Mannschaften wie Liverpool oder Napoli eiskalt aus", übt Wöber versteckte Kritik am Abwehrverhalten seiner Mitspieler.

Sein Coach Jesse Marsch sieht die Lage hingegen allgemeiner: "Wir haben unser System. Wenn wir Gegentore bekommen, ist es ein Fehler in unserem System oder ein Fehler im Kettenverhalten. Wir haben so oft über solche Sachen geredet. Über Durchsichern, Tiefensicherung, Eins-gegen-Eins-Verteidigen..."

"Müssen über Dreierkette nachdenken"

Der US-Amerikaner entschied sich dieses Mal wieder für Andre Ramalho als rechten Innenverteidiger. Der Brasilianer wurde in Liverpool aufgrund von Geschwindigkeitsnachteilen noch für Jerome Onguene rausrotiert und empfahl sich gegen Napoli nicht unbedingt als Stammspieler.

"Wir müssen die besten Verteidiger in unserer Mannschaft für diese großartigen Spiele finden. Vielleicht müssen wir auch über eine Dreierkette nachdenken", hat Marsch, der den zuletzt wieder topfitten Marin Pongracic gar nicht in den Kader aufnahm, in der Abwehr die Qual der Wahl.

Eine Systemdiskussion will Wöber aber ohnehin nicht lostreten: "Wir fühlen uns sehr wohl in diesem System, das wir spielen. Es ist allerdings irrsinnig intensiv und kräftezerrend für die Vier da hinten. Ich glaube, wir sind im Durchschnitt fast zwölf Kilometer gelaufen, was nicht normal ist für eine Viererkette."

"Kinderfußball"-Diskussion reloaded?

Am Mittwochabend kam auch wieder eine Diskussion auf, die zuletzt in Vergessenheit geraten schien: Nämlich darüber, ob die Salzburger Mannschaft nicht schlicht zu jung und unerfahren sei. Befeuert wurde sie von den "Bullen"-Akteuren selbst:

"Es ist einfach die Jugend, die bei uns durchkommt. Ein bisschen übermotiviert, ein bisschen zu viel nach vorne gedacht, ein bisschen zu viel in die Offensive umgeschaltet - dann vernachlässigen wir die Defensive. Das nützt Napoli aus", meint der 21-jährige Wöber, der die meiste Champions-League-Erfahrung im Kader der Salzburger aufweist.

Für den ÖFB-Teamspieler wurde die richtige Balance zwischen Verteidigen und Angreifen noch nicht gefunden: "Wir müssen schauen, dass wir eine gute Mischung bekommen zwischen Defensive und Offensive. Wir können nicht in jedem Spiel sechs Tore erzielen - vor allem nicht in der Champions League. Wir kriegen einfach zu viele Gegentore, das ist das Problem."

"Vielleicht war Napoli cleverer"

Tatsächlich war die Salzburger Elf mit einem Altersschnitt von 24,5 Jahren um zwei Jahre jünger als jene von Napoli (26,5). Ob die Italiener aufgrund der deutlich größeren Erfahrung schlicht abgezockter agierten?

"Vielleicht waren sie cleverer. Sie haben viel Erfahrung auf dem Platz. Wir haben dieses Thema vor dem Spiel angesprochen. Wir haben gesagt, wir müssen bereit sein für jede Situation. Sie sind so gut, so schlau", streut Marsch den Italienern, die aus vier Torannäherungen drei Treffer fabrizierten, Rosen.

"Das ist nicht gut genug!"

Aber auch der US-Amerikaner sieht die Jugend seiner Mannschaft durchaus als Problem: "Wir haben große Hoffnung in diese Mannschaft, wir haben Qualität. Aber wir sind auch sehr jung. Ich bin ein Trainer, der eine junge Mannschaft mag, das macht viel Spaß. Aber in diesem Turnier spielen wir gegen die besten Mannschaften der ganzen Welt. So ist es nicht einfach für uns."

Als Ausrede will Marsch dies aber nicht gelten lassen: "Wir haben gegen Genk zwei Gegentore bekommen, gegen Liverpool vier und heute Abend drei - das ist einfach nicht gut genug in diesem Turnier. Ich verstehe, dass der Gegner gefährlich war. Aber wir müssen besser verteidigen! Besser im Strafraum, besser in den Pressingmomenten... Das ist jetzt ein großes Thema bei uns."

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