In den letzten Minuten des Spiels ging die Welle durch das Stadion in Liebenau.
"Wenn man Rapid mit 4:2 zurück nach Wien schickt, ist das auch angebracht", findet Lukas Spendlhofer, "wir liegen wieder acht Punkte vor Rapid. Das ist ein Geschenk für unsere Fans."
Das größte Geschenk hat sich der SK Sturm Graz an diesem Fußball-Sonntag jedoch selbst gemacht. Durch diese drei Punkte im Schlager ist die Ausgangsposition im Kampf um den zweiten Platz, der zur CL-Quali berechtigt, hervorragend.
Und vor allem die Leistung konnte sich mehr als sehen lassen. "Das war die beste Partie unter meiner Regie", strahlt Trainer Heiko Vogel.
Vogel schwärmt
Der Deutsche wusste gar nicht, wo er mit den Komplimenten anfangen und aufhören sollte, so gut fand er die Darbietung seiner Schützlinge:
"Wir haben unseren Spielplan 90 Minuten lang gegen alle Widerstände um- und durchgesetzt, folgerichtig auch bedingt durch die frühe Führung konsequent gespielt, wenig Torchancen zugelassen, die Räume eng gemacht, auf Ballverluste gewartet und unsere Konter-Qualität genutzt. Großes Kompliment an meine fünf Verteidiger, die das mit Bravour gelöst haben. Großes Kompliment an Emeka Eze für seine zwei Tore. Wen man auch nicht vergessen darf, mein Toptorschütze Deni Alar, der ein bisschen tiefer gespielt und sich für die Mannschaft aufgeopfert hat. Wir hatten unglaubliche Laufqualität, alle sind zusammengestanden und wir haben verdient gewonnen."
Nachsatz: "Wir hätten sogar noch das eine oder andere Tor mehr schießen können, wenn wir ein bisschen konsequenter gewesen wären, aber ich glaube, das 4:2 spiegelt den Spielverlauf gut wider."
Zulj: 7:0 möglich
Einen höheren Sieg hielt auch Peter Zulj, Schütze des dritten Grazer Treffers, durchaus für möglich: "Ich hatte in den 90 Minuten nie das Gefühl, dass Rapid gewinnen kann. Wir hatten viele Chancen. Wenn wir die souveräner zu Ende spielen, gewinnen wir vielleicht 6:2 oder 7:2 - oder eigentlich 7:0, denn wir haben zwei billige Gegentore gekriegt, da hatte Rapid auch Glück. Dennoch: Wir haben das souverän gespielt."
Ein entscheidender Faktor war wohl die mentale Komponente. Auf dem Feld war nicht zu erkennen, welches Team in der Liga gerade eine Siegesserie hingelegt hatte und welches am vergangenen Wochenende einen blamablen Ausrutscher beim Wolfsberger AC verzeichnete.
"Der Trainer hat es vor dem Spiel ganz gut gesagt: 'Wir müssen nicht, wir können.' Für Rapid ist es ein Finale. Wir haben uns gesagt, es ist auch unser Finale, wenn es deren Finale ist. Denn wenn nur einer ein Finale sieht, wird es nur einen Gewinner geben, und das wollten wir verhindern. Genau so haben wir auch losgelegt in den ersten 35 Minuten. Das war eine Top-Vorstellung", philosophiert Spendlhofer, der feststellt:
"Der Sieg ist hochverdient. Rapid hat keine Mittel gefunden. Ich weiß aber nicht, warum wir schon wieder zwei Gegentore kriegen müssen oder überhaupt vier Tore brauchen, damit wir gewinnen. Dennoch: Ich bin stolz auf die Mannschaft, dass jeder dieses Spiel so angenommen und gekämpft hat. Jedem war bewusst, worum es geht."
Kreissl: "Rapid hatte viel mehr Druck"
Bei einer Niederlage wäre der Vorsprung auf Rapid bis auf zwei Punkte geschmolzen, und auch der LASK wäre den Steirern noch intensiver im Nacken gesessen. Wobei man bei den "Blackies" dabei bleibt, dass dies keine Drucksituation war.
"Für mich ist der Sieg überragend, denn ich halte Rapid für eine extrem starke Mannschaft, die unangenehm zu spielen ist und sehr viel individuelle Qualität hat. Wenn du gegen Rapid die ganze Saison über in fünf Duellen ungeschlagen bleibst, sagt das auch etwas über die Mannschaft aus."
"Wir verspüren viel mehr Freude als Druck", bleibt Geschäftsführer Sport Günter Kreissl bei seiner Devise und erläutert: "Natürlich ist Rapid viel mehr unter Druck gestanden, auch wenn sie es öffentlich anders darstellen wollten. Für uns war klar: Wir sind auch nach dem Spiel auf Platz zwei. Bei Rapid war es nicht so, dass sie zwingend den Platz halten, wenn sie verlieren. Für mich ist der Sieg überragend, denn ich halte Rapid für eine extrem starke Mannschaft, die unangenehm zu spielen ist und sehr viel individuelle Qualität hat. Wenn du gegen Rapid die ganze Saison über in fünf Duellen ungeschlagen bleibst, sagt das auch etwas über die Mannschaft aus. Du machst nicht alle Tage vier Tore gegen Rapid und lässt sogar noch die eine oder andere Chance liegen."
Dass Sturm einen großen Schritt in Richtung Platz zwei getan hat, ist offenkundig. In der Liga folgen jedoch nun das Gastspiel beim designierten Meister FC Red Bull Salzburg, der den Titel ausgerechnet im direkten Duell mit dem Verfolger fixieren möchte, sowie das Aufeinandertreffen mit dem eigenen Verfolger LASK, der sechs Punkte Rückstand auf die Grazer aufweist.
Dazwischen steht das Cup-Finale gegen die "Bullen" auf dem Programm. "Fad wird den Sturm-Fans nicht", grinst Stefan Hierländer, "aber das wollten wir so hinbekommen, dass es am Ende der Saison noch um etwas geht. Gesichert ist der zweite Platz jedoch noch nicht. Der LASK ist sehr stark drauf."
Erlaubtes Doping
Vogel meint auf die Frage, zu wie viel Prozent man Platz zwei in der Tasche habe: "Zu null Prozent, weil es erst dann sicher ist, wenn es rechnerisch sicher ist. Wir haben eine sehr, sehr gute Ausgangsposition. Wir wissen, dass der LASK zu uns kommt, aber wir müssen unsere Punkte holen. Es ist ein Privileg, dass es in unserer Hand ist, aber so lange nichts gesichert ist, sind es null Prozent."
"Am Schluss werden wir uns den zweiten Rang verdienen müssen", betont Kreissl, "genau wie ein Spiel nicht nach 75 Minuten aus ist, ist auch die Meisterschaft nicht nach 30 Runden zu Ende. Wir werden bis zum Schluss unsere Resultate bringen müssen, wir sind noch nicht durch."
Umso wichtiger seien positive Resulate: "Das ist ein positives Erlebnis und wie ein Doping - ein erlaubtes Doping."
Zwei Prioritäten
Ob nun die Meisterschaft oder der Cup Priorität habe, sei laut Vogel eine sehr gute Frage. In Salzburg Spieler für das Endspiel in Klagenfurt zu schonen, wäre vermutlich ein naheliegender Gedanke. Allerdings besteht bei einer Niederlage die Gefahr, dass der LASK mit einem Heimsieg gegen Rapid bis auf drei Punkte herankommt.
Für den Coach steht daher fest: "Beides hat Priorität, beides ist wichtig."
"Es ist wunderschön, Titel zu gewinnen. Wenn man um eine Titel-Chance spielen darf, ist das nicht alltäglich für die Spieler und für mich als Trainer. Insofern ist klar, dass das Cup-Finale etwas ganz Besonderes ist. Aber wenn man am Ende der Saison Platz zwei inne hat und die Champions-League-Qualifikation spielen darf, ist das ebenfalls etwas ganz Besonderes. Das ist der größte Klubbewerb. Ein kleines Mosaik davon sein zu dürfen, ist sehr speziell. Insofern verfolgen wir weiter zwei Prioritäten."
Mit einem Sieg in Salzburg könnte Sturm die Entscheidung in der Meisterschaft also nicht nur zumindest um eine Woche hinauszögern, sondern auch die Linzer auf Distanz halten.