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Bundesliga: Wo bleiben die (Sturm-)Fans?

Liga klagt über Fan-Desinteresse. Vor allem in Graz steht man vor einem Rätsel.

Bundesliga: Wo bleiben die (Sturm-)Fans? Foto: © GEPA

Die Vereins-Kassiere der Bundesligisten hatten beim Abrechnen der Einnahmen aus Ticket-Verkäufen schon einmal mehr Arbeit.

Ein Blick auf die offizielle Zuschauer-Statistik bietet nämlich ein recht trauriges Bild.

Jeder Verein weist ein - zum Teil deutliches - Minus im Vergleich zur Vorsaison auf. Die einzige und vor allem logische Ausnahme ist Aufsteiger LASK, der seinen Schnitt von 2842 in der Ersten Liga auf 4848 Fans pro Partie in der höchsten Spielklasse steigern konnte.

Andersorts herrscht Publikums-Tristesse.

Sturm steht vor einem Rätsel

Mancherorts mag dies durchaus nachvollziehbar erklärbar sein. Rapid bleibt sportlich hinter den Erwartungen zurück. Auf die Austria trifft dies noch eklatanter zu, dazu gesellt sich der temporäre Standort-Nachteil Happel-Stadion. In Salzburg dürfte das Gewinnen möglicherweise schon zu sehr zur Gewohnheit geworden sein.

Erstaunlicher ist der rückgängige Zuschauer-Zuspruch da schon beim SK Sturm Graz, der eine seiner besten Saisonen in der Vereinsgeschichte spielt, in Sachen Ticket-Verkäufe jedoch schon wesentlich erfreulichere Spielzeiten erlebt hat (siehe Tabelle).

Bei den Steirern steht man diesbezüglich vor einem Rätsel.

Kreissl nennt drei Gründe

"Natürlich sind wir enttäuscht. Denn das, was sich alle wünschen, nämlich dass Sturm gut performt, gelingt uns ja. Wir würden uns freuen, wenn die Leute das honorieren würden, indem sie ins Stadion kommen", erklärt Geschäftsführer Sport Günter Kreissl, der über die Gründe nur mutmaßen kann. Im Wesentlichen stellt er drei Vermutungen an.

ENTWICKLUNG ZUSCHAUERSCHNITT STURM GRAZ:

Saison Zuschauerschnitt Tabellenplatz
2017/18 9804 2.
2016/17 10.530 3.
2015/16 8495 5.
2014/15 10.131 4.
2013/14 7467 5.
2012/13 10.681 4.
2011/12 10.826 5.
2010/11 11.810 1.
2009/10 11.833 4.
2008/09 12.884 4.
2007/08 11.978 4.
2006/07 9546 7.
2005/06 8332 8.
2004/05 6739 7.
2003/04 7835 9.
2002/03 7374 6.
2001/02 10.057 2.
2000/01 11.372 4.
1999/00 11.407 2.
1998/99 10.971 1.
1997/98 14.272 1.

Erstens: "Man kann nicht wegdiskutieren, dass die Bedingungen bei den ersten Heimspielen in diesem Frühjahr durch die Wahnsinns-Kälte eine Katastrophe waren. Bei -11 Grad sitzt niemand gerne im Stadion. An eine ähnlich lange Phase mit solchen Temperaturen im Februar und März kann ich mich in den letzten Jahren nicht erinnern."

Zweitens: "Im Winter ist unheimlich viel Euphorie rund um den Verein entstanden. Der Start ist dann nicht gelungen, und das spüren wir immer sofort in den Zuschauerzahlen - der Sturm-Fan ist tendenziell schnell euphorisch, aber auch schnell beleidigt. Vielleicht war es eine Abmahnung für die nicht guten ersten beiden Spiele."

Drittens: "Eventuell fehlt den Leuten ein bisschen das Spannungselement. Ich glaube, wenn wir nur knapp vor oder hinter einem anderen Verein wären, würden die Leute mehr anspringen als bei einem Rückstand von acht Punkten nach vorne und einem Vorsprung von elf Punkten nach hinten."

April als Monat der Fan-Wahrheit

Alles nachvollziehbare Mutmaßungen, um vor allem das Ausbleiben zahlreicher Stadionbesucher im Frühjahr zu erklären. In allen drei Liga-Heimspielen fanden nur knapp über 7000 Fans den Weg ins Stadion in Liebenau. Selbst zum Gipfel mit Salzburg pilgerten nur 7157 Fans in die Arena, wenngleich diese Partie vermutlich besonders unter der Kombination aus sportlichem Fehlstart unter Neo-Coach Heiko Vogel und Eiseskälte litt.

Allerdings lässt sich nicht wegdiskutieren, dass auch schon im Herbst auf dem Weg zur Winter-Krone teilweise Luft nach oben war. So fanden sich etwa Ende November gegen die Admira gar nur 6527 Zuschauer in der Merkur-Arena ein, die dafür jedoch mit einem 6:1-Schützenfest belohnt wurden.

Bei Sturm versucht man die Problematik jedenfalls nicht kleinzureden, sondern nimmt sie vielmehr offensiv in Angriff. Ob dies wirkt, lässt sich im April bestens überprüfen. Beginnend mit dem Heimspiel gegen die Austria am Samstag stehen vier Heimspiele auf dem Programm, darunter zwei Duelle mit dem zweiten Wiener Rivalen. Rapid gastiert sowohl im Cup-Halbfinale als auch in der Liga in der steirischen Landeshauptstadt.

Das Austria-Match ist ein Mitglieder-Spiel und kann von solchen kostenlos besucht werden. Zudem fällt nach vier Liga-Erfolgen in Serie, drei davon auswärts, die Ausrede einer sportlichen Misere weg.

Finanziell ist Rückgang zu spüren

Nachdem man sich unter Vogel sportlich wieder auf Kurs befindet, hofft Kreissl daher auch auf eine Trendwende in Sachen Zuschauer: "Diese Hoffnung habe ich definitiv. Ich kann nur appellieren, dass die Fans uns zu verstehen geben, dass sie unseren Weg schätzen und der Mannschaft dies durch einen Stadionbesuch zeigen."

Keine Sorgen macht sich der Sportchef bezüglich Cup-Halbfinale gegen Rapid, für das es nur noch Restkarten geben würde. Sehr wohl die eine oder andere Sorgenfalte kann das Ausbleiben der Anhänger finanziell auslösen. Denn in wirtschaftlicher Hinsicht sei vor allem der magere Besuch in den ersten drei Liga-Heimspielen in diesem Kalenderjahr zu spüren:

"Wir hatten für diese drei Spiele andere Zahlen budgetiert. Vor allem bei Salzburg haben wir definitiv mehr erwartet. Wenn du drei Spiele hinter den Budgetzahlen zurückbleibst, spürst du es definitiv."

Stadion-Frage spielt untergeordnete Rolle

Eine eher untergeordnete Rolle spielt für Kreissl die Annahme, dass der fehlende Zuschauer-Zuspruch ein weiteres Indiz für die Notwendigkeit der geplanten Investitionen ins Stadion sind.

"Das ist eine hypothetische Geschichte. Es könnte vielleicht eine Rolle spielen, vielleicht aber auch nicht. Grundsätzlich glaube ich, dass man es am Beginn dank der Neugier an den Zuschauerzahlen spüren wird, je nachdem wie viel im Stadion umgesetzt wird und je mehr neue Aspekte auch wirklich gut sichtbar sein werden. Aber dann tritt der gleiche Effekt ein: Wenn du zwei Mal schlecht spielst, hilft es dir nichts, wenn du zum Beispiel neue Sitze im Stadion hast. Dann ist die Neugier auch schnell wieder verflogen."

Dies lässt sich aktuell bei Rapid beobachten, wo in dieser Spielzeit im Schnitt knapp 2000 Zuschauer weniger ins Allianz Stadion gepilgert sind als in der ersten Saison in der neuen Arena.

Weshalb der ligaweite Negativtrend?

Ein kleiner Trost für Sturm könnte sein, dass man nach Mattersburg (Minus von 3,38 Prozent) mit 6,89 Prozent den geringsten Zuschauer-Rückgang in der Liga verzeichnet. Rapid büßte bislang 8,31 Prozent ein. Die übrigen sechs Vereine, die schon 2016/17 der Bundesliga angehörten, verzeichnen schmerzvolle Rückgänge im zweistelligen Prozent-Bereich.

ZUSCHAUERSCHNITT 2017/18:

Rang

Verein Zuschauerschnitt Vergleich Vorsaison
1. Rapid 19.286 -8,31 %
2. Sturm 9804 -6,89 %
3. Salzburg 6954 -11,21 %
4. Austria 6945 -12,32 %
5. LASK 4848 -
6. Altach 4297 -19,37 %
7. Mattersburg 3485 -3,38 %
8. Wolfsberg 2709 -26,94 %
9. St. Pölten 2681 -28,22 %
10. Admira 2285 -14,00 %

Eine pauschale Begründung für diesen ligaweiten Negativtrend gibt es für Kreissl nicht. Seine Meinung nach müsse man dies auf die Einzelvereine herunterbrechen. Einige Beispiele des Grazer Sportchefs:

"Rapid hatte in der Vorsaison im neuen Stadion einen überirdischen Zuschauer-Zuspruch. Da Rapid in den letzten zwei Jahren jedoch nicht um den Titel mitspielt, fällt dieses Zugpferd ein bisschen weg. Die Austria muss im Happel-Stadion-Spielen und hat sich über einen Gutteil der Saison in der unteren Tabellenhälfte bewegt. Das hilft bei der Zuschauer-Zahl nicht. Im Aufstiegsjahr herrschte in St. Pölten Euphorie. Wenn sie jetzt mit zehn Punkten dastehen, ist es auch verständlich, dass der Schnitt sinkt. Die Dominanz von Salzburg ist auf der einen Seite sportlich bewundernswert, auf der anderen Seite nimmt sie ein wenig das Spannungselement - selbst in Salzburg. Das sind lauter Gründe, wo man aus Liga-Sicht sagen kann: Nicht günstig gelaufen - und so geht die Gesamtzuschauer-Zahl nach unten."

Bundesliga-Reform macht Hoffnung

Über zu viel Spannung kann sich die Bundesliga in dieser Saison in der Tat nicht beklagen. Im Hinblick auf die Publikums-Resonanz kommt so gesehen die Reform ab der kommenden Saison, in der durch die Playoff-Lösung bezüglich Spannung künstlich ein wenig nachgeholfen wird, alles andere als zu früh.

Die Zuschauer-Frage war laut Kreissl ein Mitgrund für diesen Prozess: "Auch deshalb haben sich die Vereine massiv Gedanken gemacht, in welcher Art man die Liga ändert, um möglichst viele Spannungselemenete zu erzeugen und einfach etwas Neues und Frisches zu präsentieren."

Sehen wird es positiv: Die Bundesliga-Reform müsste schon ein gewaltiger Reinfall werden, wenn man angesichts der aktuellen Zahlen in einem Jahr im Vergleich nicht über einen steigenden Zuschauer-Zuspruch jubeln dürfte.

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