Die bittere Wahrheit für den SK Rapid: 0:1 im 327. Wiener Derby gegen die Austria, auch im fünften Heim-Derby im Allianz Stadion gab es keinen Sieg.
Doch es war nicht die ganze Wahrheit. Denn die Hütteldorfer lieferten eine ansprechende Leistung ab, scheiterten aber vor allem an der eigenen Chancenverwertung vor dem Tor.
Diese stimmte Trainer Goran Djuricin ärgerlich: "Wir waren klar überlegen erste Halbzeit, Austria hat überhaupt keine Chance gehabt – außer den einen Torschuss von Friesenbichler. Wir sind sieben Mal vor dem Tor gestanden, das reicht normal, um zwei Bundesliga-Spiele zu gewinnen, nicht nur eines. Ich kann meiner Mannschaft erste Halbzeit nichts vorhalten, außer, dass wir die Chancen nicht reingemacht haben."
Verzweiflung nach vergebenen Sitzern
Die fehlende Kaltschnäuzigkeit erinnerte vor allem an weite Phasen der vergangenen Saison, wo Rapid den Ball einfach nicht im Tor unterbrachte. In der noch jungen, neuen Saison klappte es jedoch nicht so schlecht.
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Umso ärgerlicher war aus Rapid-Sicht die Tatsache, dass Spieler wie Christoph Knasmüllner, zwei Mal Andrei Ivan, Deni Alar oder Marvin Potzmann Riesen-Chancen liegen ließen und es verabsäumten, die Hausherren schon früh in eine aussichtsreiche Position zu bringen. Djuricin verzweifelte an der Seitenlinie und wütete teilweise wie Rumpelstilzchen, als die Chancen nach und nach vergeben wurden. "Wenn wir nicht viele Chancen hätten, müsste ich mich mehr als hinterfragen", so "Gogo", doch die Möglichkeiten waren ja zahlreich vorhanden.
Vor 26.000 Zuschauern und einer aufgeheizten Atmosphäre wollte Rapid mit neuem Elan aus der Länderspielpause hinaus in die Wochen der Wahrheit starten - und legte richtig gut los. Doch die grün-weißen Leistungsträger belohnten sich nicht selbst.
"Wir wollten vorne drauf gehen, pressen, dann spielt die Austria auch mehr lange Bälle. Dann musst du die Zweikämpfe gewinnen. Wir haben es erste Halbzeit eigentlich sehr gut gemacht. Wir haben viele Chancen herausgeholt. Wenn wir da eine machen, spielen wir uns auch in die Karten, dann muss die Austria mehr aufmachen und wir kommen zu noch mehr Gelegenheiten und dann können wir das Spiel gewinnen", sah Torhüter Richard Strebinger sein Team auf dem richtigen Weg, doch es sollte auch diesmal nicht sein.
"Kommt vor, dass der unterlegenere Gegner mal gewinnt"
Im zweiten Durchgang wendete sich dann das Blatt. Auch in der ersten Halbzeit hielt die Austria schon gut mit, einige Änderungen brachten die Gäste aber besser in die Partie und Rapid schien das meiste Pulver verschossen zu haben.
"Es war ein richtig rassiges, schnelles Spiel. Zweite Halbzeit war es dann ausgeglichen, von uns nicht mehr gut, wir hatten viele Fehler im Spielaufbau, wir haben schlechte Entscheidungen getroffen. Es war dann schwierig nach dem Tor gegen eine tiefstehende Mannschaft. Nichtsdestotrotz sind Murg und Berisha alleine vor dem Tor gestanden, Schwab hatte einen guten Volleyschuss. Im Fußball kommt es vor, dass der unterlegenere Gegner mal gewinnt, das war heute meiner Meinung so."
Vor allem der spielentscheidende Treffer von Alexander Grünwald löschte sinnbildlich fast jegliche Hoffnung in Grün-Weiß aus.
Auch Djuricin musste zugeben, dass das 0:1 Rapid richtig im Mark traf: "Das hat uns etwas schockiert, deshalb haben wir dann schlechte Lösungen gehabt. Trotzdem sind wir zwei Mal noch vor dem Tor gestanden. Fußball ist resultatbezogen, deshalb schaut jetzt alles schlecht aus, aber erste Halbzeit können wir die Partie entscheiden, zweite Halbzeit war dann insgesamt nicht gut. Es ist schwierig für den Kopf, wenn du im Derby zumindest eine Halbzeit die bessere Mannschaft bist und dann ein Tor kriegst. Ich kann ihnen nur eines vorwerfen, dass sie dann zu hektisch am Ball waren, zu nervös, wenige gute Lösungen gehabt haben. Der Glücklichere hat heute gewonnen."
"Richtig schlecht" und "Damit verlierst du gegen jeden Gegner"
Strebinger sah es ähnlich. Ihn ärgerte aber vor allem, wie das Gegentor zustande kam. Fehlende Zuteilung bei einer Standardsituation - das sollte aus Sicht des ÖFB-Teamtorhüters nicht passieren.
"Es gehört dazu, dass man mal Chancen vergibt. Dann musst du aber hinten einfach die Null halten und bei einer Standard besser verteidigen. Es kann nicht sein, dass bei einem abgewehrten Ball der Gegner frei zum Schießen kommt. Das haben wir richtig schlecht gemacht, deshalb ist es umso bitterer, weil wir bis zum Tor die bessere Mannschaft waren. Dann war es halt eine Schlacht! Die Austria hat sich hinten reingestellt. Dann sind wir nicht mehr so zu den zwingenden Chancen gekommen. Aber wenn du so ein Tor kriegst – da fehlen mir dann doch ein bisschen die Worte."
Für Strebinger "ein blödes Tor". Nachsatz: "Damit verlierst du gegen jeden Gegner, wenn du so spielst." Beim zuletzt in Top-Form agierenden Schlussmann klang die Entäuschung durch, schließlich hatte er Rapid auch diesmal mit guten Paraden im Spiel gehalten, beim verdeckten Schuss von Grünwald war er jedoch machtlos.
Ein Schuss mitten ins Herz - ausgerechnet im so richtungsweisenden Spiel zum Auftakt des Mega-Programms, wo kommende Woche die Duelle mit Spartak Moskau in der Europa League und auswärts bei RB Salzburg anstehen.
Bickel stärkt Djuricin auch nach Derby den Rücken
Was nimmt Rapid somit aus einer starken Leistung, bei der jedoch das Endergebnis alles in den Schatten stellt, mit, um bei den kommenden Aufgaben wieder Siege nachlegen zu können?
"Dass wir erste Halbzeit sehr gut gespielt, viele Chancen kreiert haben. Wenn wir die reinmachen, können wir gegen jeden Gegner gewinnen", ist sich Strebinger sicher.
Sollten sich die Erfolge nicht bald auch mit Zählbarem einstellen, wird es auch ganz schwierig für Djuricin, der zwar diesmal 90 Minuten von Schmährufen und Rücktrittsaufforderungen verschont blieb, jedoch nach dem Schlusspfiff für viele einmal mehr der Buhmann war.
Für Sportchef Fredy Bickel war die Leistung jedoch der beste Beweis dafür, dass etwas vorangeht. Der stärkste Befürworter von Djuricin stärkt seiner Erfindung weiterhin den Rücken und merkt bezogen auf das Derby auch an: "Es ist völlig klar, dass er die Rückendeckung weiter hat. Da ändert dieses Spiel gar nichts dran. Denn, dass die Spieler die Tore nicht machen, daran ist nicht er schuld."
Wenn das die Entscheidungsträger um Präsident Michael Krammer auch so sehen und nicht nur das Derby-Ergebnis bewerten, hat Djuricin weniger zu befürchten. Allerdings nimmt der Druck der Fans zu, die Ist-Situation ist weiterhin nicht rosig - in Hütteldorf wird somit auch in den kommenden Wochen alles im Bereich des Möglichen liegen.