Rapid hat in dieser Saison schon viel gewechselt: Stadion, Spieler, Sportdirektor, Trainer und zuletzt sogar das System.
Das unter den Vorgängern Zoran Barisic und Mike Büsken meist bevorzugte 4-2-3-1 wich unter Nachfolger Damir Canadi einem 3-5-2.
Eine Entwicklung, die der Neo-Trainer allerdings erst als Reaktion auf die bittere Auftaktniederlage bei RB Salzburg einleitete: "Ich bin sehr stolz darauf, dass wir in neun Tagen das System umgestellt haben - das hatte ich nicht geplant."
"Mir geht es immer um die Balance im Spiel"
Der große Jubel kommt zu früh, auch wenn mit dem 1:0 gegen St. Pölten der erste volle Erfolg unter dem neuen Dirigenten eingefahren werden konnte.
Trotzdem ist Canadi zufrieden, wie sich das neue System etabliert hat und wie binnen kürzester ein Rädchen immer besser ins andere greift.
"Dass es nach neun Tagen schon so gut funktioniert, da gilt der Respekt der Mannschaft. Ohne sie könnte man das nicht umsetzen. Und die Balance im Spiel war sehr gut, um die geht es mir immer. Offensive und Defensive muss gleich gut sein, dann kommt so ein Spiel zustande."
Von Spielerseite erkennt auch Mario Sonnleitner die Vorteile: "Man sieht ja, dass es von Spiel zu Spiel besser wird und wir es besser einstudieren. Es geht nur durch Situationen, im Training kann man das nie einüben, weil da der Gegenspieler nicht da ist und auch nicht die Größe des Feldes. Deswegen funktioniert das ganz gut."
Canadis Idee hinter Experiment mit Traustason
Die Umstellung war für viele Akteure absolutes Neuland. Ob das Defensivverhalten mit drei Innenverteidigern, zwei Außenspieler, die ihre Seite vorne und hinten abdecken müssen oder zwei Stürmer - jeder bekam für diese Ausrichtung einen Plan mit auf den Weg.
Einer, der sich davor noch nie so in die Defensive einschalten musste, ist Arnor Traustason. Gegen die Niederösterreicher avancierte er zum Goldtorschützen, die Rolle im 3-5-2 ist für ihn komplett neu - aber trotzdem fühlt er sich wohl.
"Die Rolle ist für mich ein bisschen anders. Ich muss als Flügel natürlich auch zurück und verteidigen, kann mich aber auch in den Angriff einschalten. Da habe ich noch viel zu lernen, aber bisher ist es ganz okay. Es ist eine neue Positionierung, aber ich fühle mich ganz gut", nimmt Traustason gegenüber LAOLA1 Stellung.
Notwendig wurde dies aufgrund der vielen Ausfälle wie Mario Pavelic, Stephan Auer oder der Sperre von Thomas Schrammel. Deshalb musste Canadi improvisieren und sah im Isländer den geeigneten Mann dafür.
"Wir haben ihn da reingeworfen, aber er interpretiert das ganz gut. Das war meine Idee, dass es etwas für ihn sein könnte, um dort in Position zu kommen. Die linke Seite hat ihm noch mehr Spaß gemacht, da er nach innen ziehen kann. Das könnte auch was für die Zukunft sein, aber freuen wir uns jetzt nicht, nur weil es einmal funktioniert hat."
Joelinton? "Eine sensationelle Leistung"
Traustason erntet Lob, ist aber nicht der einzige, der unter Trainer Damir Canadi einen guten Start hatte. Auch Joelinton wurde von höchster Stelle Respekt gezollt - für seine Leistung gegen St. Pölten.
"Es freut uns, die Mannschaft hat sehr gut gearbeitet. Vor allem Joelinton hat eine unglaubliche Leistung abgeliefert, auch von seiner Energie und was er körperlich investiert hat. Es ist zu bedenken, dass der Junge erst 20 Jahre alt ist. Er hat vor dem Spiel einen Fitnesstest gemacht, weil er nicht ganz fit war. Eine sensationelle Leistung! Schade, dass er sich nicht mit einem Tor belohnt hat."
Trotzdem war er am spielentscheidenden Treffer beteiligt, als er einen Abschlag von Christopher Dibon perfekt verarbeitete und Assistgeber Louis Schaub in Szene setzte. Der Spielmacher ist auch der dritte im Bunde, der hervorzuheben ist.
Von den oben Genannten ist der 21-Jährige sogar noch jener, dem auch meist in den schlechten Spielen wenig bis kaum etwas vorzuwerfen war.
Schaub als große Konstante in der Krise
Schaub hat möglicherweise in dieser kritischen Phase einen Riesen-Schritt zum Führungsspieler gemacht. Jene Rolle, die ihm seit seinen ersten Gehversuchen im Profi-Geschäft vorhergesagt wurde. Der Druck, irgendwann einmal in die Fußstapfen von Steffen Hofmann treten zu müssen, waren teilweise ein Hemmschuh.
Oft wird vergessen, wie jung Schaub noch ist. Auf dem Platz war in den letzten Spielen zu sehen, wie er sich zerreißt - oftmals aber alleingelassen von seinen Mitspielern. Auch ihm kommt die leicht veränderte Taktik im neuen System zugute.
"Ich bin jetzt anders positioniert, schon etwas zentraler. Aber das mache ich auch gerne. Ich bin dann auch ein paar Mal am Flügel gewesen, kann mich da eigentlich frei bewegen und habe ziemlich viele Freiheiten. Das taugt mir eigentlich ganz gut."
Dass er zuletzt alles gab, um aus dem Loch herauszukommen und die Kräfte schwinden, gibt er offen zu. Ebenso will er kein Lob, da auch er seiner Meinung nach genügend Schwankungen hatte. "Natürlich waren die Leistungen nicht so gut von mir die letzten Spiele, wie ich es selber und die Leute von mir erwarten. Ich bin natürlich froh, wenn ich der Mannschaft so wie heute mit einem Assist weiterhelfen kann."
Das Trio Traustason, Joelinton und Schaub hat es vor allem gegen St. Pölten geschafft, bei Canadi Eindruck zu schinden. Der Sieg hat aber auch gezeigt, dass das neue 3-5-2-System bei Rapid Zukunft haben könnte - obwohl die Umstellung in dieser Windeseile gar nicht geplant war.
Alexander Karper