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Kevin Wimmer: Rapid-Transfer als Erlösung

Rückschläge, Tiefpunkt, Neustart - Rapid-Neuzugang mit Vergangenheitsbewältigung.

Kevin Wimmer: Rapid-Transfer als Erlösung Foto: © GEPA

Kevin Wimmer kann aus Sicht des SK Rapid durchaus als Transfer-Sensation bezeichnet werden.

Einen zwischenzeitlichen 20-Millionen-Euro-Mann nach neun Jahren im Ausland - unter anderem bei Vereinen wie 1. FC Köln und Tottenham - zurück nach Österreich zu lotsen, kommt nicht aller Tage vor.

Für den mittlerweile 28-jährigen Welser war die Rapid-Anfrage jedoch eine Erlösung auf der Suche nach Konstanz und einem Neustart. Zu tief sitzen noch die Wunden nach dem Engagement bei Stoke City - der Tiefpunkt in seiner bisherigen Karriere. Um zu beweisen, dass er nichts verlernt hat, verzichtet der Innenverteidiger auch auf Millionen, um bei Rapid wieder zur Fixgröße aufzusteigen.

Im LAOLA1-Interview betreibt der Innenverteidiger Vergangenheitsbewältigung, spricht über schief gegangene Experimente im ÖFB-Team, Peter Stöger, seine bewusste Entscheidung für Rapid und was er beweisen will.

LAOLA1: Willkommen bei Rapid! Du bist weit gereist, viel herumgekommen. Wie hat dich Rapid locken und überzeugen können?

Kevin Wimmer: Wie ich das erste Mal von Rapid gehört habe, war es ein sehr schönes Gefühl. Ich habe es mir ein bisschen durch den Kopf gehen lassen, aber sportlich gesehen ist Rapid sehr gut aufgestellt, sie haben sehr viel Qualität und junge Spieler in der Mannschaft, die sehr hungrig sind. Mit den Fans und diesem Stadion ist die Attraktivität schon sehr groß. Ich war neun Jahre im Ausland, endlich heimzukommen und bei der Familie, bei Freunden sein zu können, ist schon sehr viel wert. Das lernt man über die Jahre noch mehr zu schätzen, weil es eben sonst nicht möglich war. Die Attraktivität von Rapid ist nicht nur in Österreich etwas Besonderes. Ich freue mich auch, dass die Zuschauer wieder ins Stadion dürfen, das ist umso schöner. Nach den guten Gesprächen mit dem Trainer und Zoran Barisic war für mich von Anfang an klar, dass ich das machen will.

"Nach meinem Vertrag bei Stoke, mit allen Leihen, die dazugehört haben, hätte mir mit Rapid nichts Besseres passieren können. Ein Jahr wäre mein Vertrag noch gelaufen, den wollte ich unbedingt auflösen, um das Kapitel endgültig abschließen zu können."

LAOLA1: Du warst lange im Ausland, nicht überall ist es nach Wunsch gelaufen. War die Entscheidung für Rapid auch ein Wunsch nach Konstanz, nach Österreich zu gehen und wieder eine tragende Rolle zu spielen?

Wimmer: Auf jeden Fall! Nach meinem Vertrag bei Stoke, mit allen Leihen, die dazugehört haben, hätte mir mit Rapid nichts Besseres passieren können. Ein Jahr wäre mein Vertrag noch gelaufen, den wollte ich unbedingt auflösen, um das Kapitel endgültig abschließen zu können. Dass ich jetzt einmal fix für zwei Jahre unterschrieben habe, ist ein sehr gutes Gefühl. Nicht so wie in der Vergangenheit, wo ich nach der Vorbereitung verliehen wurde, aber wusste, dass es nach einer Saison wieder zurück zu Stoke geht. Es ist schon gut zu wissen: Jetzt bin ich Rapid-Spieler und kein Leihspieler wie in den vergangenen Jahren. Das ist ein sehr beruhigendes Gefühl, dadurch kann man sich noch mehr auf das Wichtige konzentrieren und fokussieren, weil ich nächstes Jahr auch hier spielen werde.

LAOLA1: Waren andere Angebote in deiner aktuellen Situation und an diesem Scheideweg in deiner Karriere dadurch gar nicht reizvoll?

Wimmer: Wie Rapid gekommen ist, war für mich klar, dass ich das machen will. Es ist relativ spät zum Ende der Saison zustande gekommen, deswegen war ich mir davor mit Karlsruhe schon relativ einig. Ich habe mich dort auch wohlgefühlt. Aber als Rapid anfragte, habe ich nicht mehr lange darüber nachdenken müssen.

"Von heute auf morgen war ich kein einziges Mal in der Rückrunde mehr auf der Bank, nur mehr auf der Tribüne – das war schon Wahnsinn. Wie kann man so mit Spielern umgehen, die man um viel Geld holt? Es wurde nie etwas gesagt, nur dass ich gut trainiere und meine Chance kommen wird. Das war schon sehr unzufriedenstellend."

LAOLA1: Du hast doch von vielen Vereinen etwas mitgenommen oder lernen können, auf Stoke bist du nicht so gut zu sprechen. Was ist dort schiefgelaufen?

Wimmer: Ich bin damals von Tottenham zu Stoke gewechselt, weil mich Trainer Mark Hughes unbedingt haben wollte. Das hat man auch an der Ablösesumme gesehen (Anm.: kolportierte 20 Mio. Euro). Das erste halbe Jahr habe ich auch fast jedes Spiel gemacht, aber mit dem Trainerwechsel hat alles angefangen. Von heute auf morgen war ich kein einziges Mal in der Rückrunde mehr auf der Bank, nur mehr auf der Tribüne – das war schon Wahnsinn. Wie kann man so mit Spielern umgehen, die man um viel Geld holt? Es wurde nie etwas gesagt, nur dass ich gut trainiere und meine Chance kommen wird. Das war schon sehr unzufriedenstellend. Aber man kann sich selbst schwer helfen, kann nur trainieren und auf Besserung hoffen. Dann war ich auf Leihe. Jedes Mal, wenn ich zurückgekommen bin, war längst ein neuer Trainer da. Die Vorbereitung hat angefangen und mir wurde am ersten Tag gesagt, dass ich nicht einmal bei der ersten Mannschaft trainiere und ich mir einen neuen Verein suchen kann – das hat auch andere Spieler betroffen. Aber es ist schon Wahnsinn, wer in der Championship spielt und wie sie spielen - und selbst bekommt man keine Chance.

LAOLA1: Wenn man 20 Millionen für einen Spieler wie dich ausgibt, hat man in dir sicher großes Potenzial gesehen. Wie kam dieser Bruch zustande?

Wimmer: Das war schon komisch, mir wurde es nie erklärt. Deswegen war es sehr schön, dass ich den Vertrag auflösen konnte und nun weiß, dass ich nicht mehr zurück muss. Wenn man sich durch den Kopf gehen lässt, wie sie mich und andere behandelt haben und was da alles abgelaufen ist, braucht man sich nicht wundern, wo sie mittlerweile stehen. Ich weiß nicht, wer das im Endeffekt entschieden hat, aber es war schon Wahnsinn, dass es für mich nach nur einem halben Jahr bei einem Fünfjahresvertrag eigentlich vorbei war. Wir waren auf keinem Abstiegsplatz, der neue Trainer hat eines von 15 Spielen gewonnen und man bekommt trotzdem keine Chance – das war schon sehr fragwürdig, jede Woche als Verteidiger zuzusehen, wie deine Mannschaft verliert und viele Gegentore kassiert. Aber es hat sich trotzdem nichts geändert.

LAOLA1 besuchte Kevin Wimmer 2012 beim 1. FC Köln

LAOLA1: Im Jahr 2012 hatte ich dich in Köln besucht, das war der Startschuss in deine Auslandskarriere. Was ist seither gut, was weniger gut gelaufen und wo hast du am meisten mitgenommen für die Zukunft?

Wimmer: Für mich war Köln schon eine super Zeit, vor allem als Peter Stöger zum Verein gekommen ist und ich unter ihm jedes Spiel gemacht habe. Es ist echt gut gelaufen, wir sind in die deutsche Bundesliga aufgestiegen und haben dort eine sehr gute Saison gespielt, ohne Abstiegssorgen. Das war eine sehr schöne Zeit für mich. Tottenham war auch was ganz Besonderes. Sicher wünscht man sich, so viel wie möglich zu spielen, aber die Konkurrenz war einfach so groß, konstant und selten verletzt. Ich habe trotzdem sehr viel mitnehmen können. Köln und Tottenham waren schon sehr besonders. Ich habe auch noch viele Freunde bei diesen zwei Vereinen, weil ich mich dort sehr wohlgefühlt habe. Bei Stoke bin ich bis auf Moritz Bauer, mit dem ich mich sehr gut verstehe, mit keinem mehr in Kontakt. Ihn haben sie genau gleich behandelt, ihm ging es nicht anders. Stoke hat meine Karriere ein bisschen ins Wackeln gemacht, es war aber trotzdem sehr lehrreich. Auch die Zeit in Belgien, wo ich bei vielen jungen Spielern erstmals eine Führungsrolle übernehmen musste. Da konnte ich mich im Nachhinein auch im Hinblick auf Rapid weiterentwickeln. Ich habe es überall sehr genossen, nur bei Stoke ist es gut, dass es vorbei und erledigt ist.

LAOLA1: Köln und Tottenham waren schon richtige Top-Adressen. War die Erwartungshaltung vielleicht zu groß oder ging es dir zwischenzeitlich zu schnell? Welche Gründe würdest du selbst anführen, warum der Durchbruch nicht ganz geklappt hat?

Wimmer: Der Wechsel zu Stoke war der Grund, um in der Premier League zu bleiben, wo ich unbedingt hin wollte. Nur halt, um regelmäßig zu spielen. Aber dass es ein halbes Jahr funktioniert und dann nicht mehr, war schwer vorhersehbar. Vom LASK aus der 2. Liga nach Köln war es schon ein großer Schritt, nach Tottenham dann sogar ein Riesenschritt – aber ich würde es genau so wieder machen. Ich weiß auch nicht, was ich anders machen hätte sollen oder können. Ich würde es trotzdem wieder so machen, wie ich meine Karriere bisher geplant habe. Sicherlich hätte ich mir gewünscht, länger in der Premier League zu spielen, aber ich habe jetzt mit Rapid wieder eine super Adresse und will - so wie schon zuletzt in Karlsruhe  - unbedingt regelmäßig spielen. Das ist für einen Fußballer das Entscheidende, das am meisten Spaß macht.

LAOLA1: Derzeit läuft die EURO, Österreich ist auf einem guten Weg. Du wurdest damals als junger Innenverteidiger von vielen Experten als Fixstarter für die kommenden Jahre gesehen, dann gab es die Linksverteidiger-Experimente unter Marcel Koller. Wie sehr schmerzt es, zuschauen zu müssen, und wie sehr hat dir das geschadet?

Wimmer: Sicher, das weiß ich noch! Christian Fuchs hatte schon aufgehört, sonst war keiner da wie jetzt Andreas Ulmer. Dann musste ich links spielen, weil David Alaba im Mittelfeld gespielt hat. Für mich war klar, dass ich ein bisschen die Seite zumachen sollte, ähnlich wie als Innenverteidiger. Aber unser Spiel war so ausgelegt, dass der Linksverteidiger viel nach vorne gehen muss. Das habe ich zum ersten Mal so richtig in meiner Karriere gespielt, noch nie zuvor auf diesem Niveau. Das ist schon ganz was anderes als Innenverteidiger. Hätten wir die Spiele wenigstens gewonnen, wäre vielleicht alles gut gewesen. So war alles schlecht und ich wurde kritisiert. Das war sicher nicht optimal, auf einer Position zu spielen, die ich nicht gelernt habe und nicht überragend spielen kann. Auf der Innenverteidiger-Position waren und sind wir nach wie vor gut aufgestellt, da war es auch nie leicht. Es war immer schön, beim ÖFB-Team dabei zu sein, aber auf Dauer wird es schwer, dabei zu sein, wenn du beim Verein nicht mehr zum Einsatz kommst.

"Ich werde mich immer voll reinhauen und versuchen, mit meiner Erfahrung und meinen Qualitäten als Innenverteidiger, was die Spieleröffnung angeht, unserem Spiel gut zu tun."

LAOLA1: Siehst du Rapid persönlich als Neustart, um wieder in bessere Zeiten zu starten?

Wimmer: Für mich war Karlsruhe schon ein sehr wichtiger Start, regelmäßig in einer guten Liga zu spielen und zu zeigen, dass ich nichts verlernt habe. Woche für Woche wieder zu spielen, ist ganz etwas anderes. Die Selbstsicherheit kommt zurück. Noch besser ist, dass ich bei Rapid fix unterschrieben habe und hier bleibe. Am Wichtigsten ist, dass ich so viele Einsätze wie möglich sammeln darf, meine Leistung zeige und es so gut wie möglich läuft. Am Ende hängt es sowieso davon ab, wie erfolgreich wir auch als Mannschaft sind. Rapid hat letztes Jahr schon eine sehr gute Saison gespielt, das Team ist sehr gut. Es wäre super, wenn wir dort anschließen könnten oder sogar noch einen Schritt nach vorne machen.

LAOLA1: Was dürfen sich die Rapid-Fans von dir erwarten? Was willst du beweisen, was ist dein kurzfristiges Ziel?

Wimmer: Ich werde auf jeden Fall alles für die Fans, den Verein und die Mannschaft geben. Ich werde mich immer voll reinhauen und versuchen, mit meiner Erfahrung und meinen Qualitäten als Innenverteidiger, was die Spieleröffnung angeht, unserem Spiel gut zu tun. Ich will der Mannschaft helfen, habe mich schon sehr gut eingefügt und hoffe, dass wir gemeinsam eine sehr erfolgreiche Zeit haben.

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