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Kommentar: Causa Demir - fern der Realität

Unmut, Kritik, Vorwürfe an Rapid. Eine Frage von Anspruch und Wirklichkeit. Ein Kommentar:

Kommentar: Causa Demir - fern der Realität Foto: © GEPA

Ist der Unmut über Yusuf Demirs Wechsel zu Galatasaray verständlich? In grün-weißen und rot-weiß-roten Kreisen definitiv.

Ist der erst 19-jährige ÖFB-Teamspieler mehr als 6 Millionen Euro plus Boni wert? So sollte es eigentlich sein, wenn der Offensivakteur auch nur annähernd sein Talent abrufen würde.

Hat er sich in den vergangenen Wochen und Monaten seit seiner Rückkehr vom großen FC Barcelona als jene heiße Aktie präsentiert, als die er tatsächlich gehandelt wird? Ganz klar nein.

Aber Hand aufs Herz: Kommt der Abschied von Yusuf Demir von Rapid deswegen noch überraschend? Mitnichten. Noch dazu in die Türkei? Ebenfalls ein klares Nein.

Der Hype um Demir und seine Folgen

Die Personalie Yusuf Demir hat im grün-weißen Lager seit langer, langer Zeit für Unruhe gesorgt. Und dabei sollte der introvertierte Teenager explizit in Schutz genommen werden, denn er selbst ist wohl am wenigsten dafür verantwortlich, abgesehen von seinen sportlichen Leistungen.

Der Hype um sein Ausnahmetalent hat derartige Züge angenommen, dass die Erwartungshaltung einfach ins Unermessliche stieg und nicht mehr aufzuhalten war.

"Er will doch nur spielen", wurde von allen engen Vertrauten immer betont, aber diese Lust und Freude war dem Youngster schon lange nicht mehr anzusehen. Diese Leichtigkeit und Lockerheit, die seinen Spielstil ausmacht, war längst passé.

Selbst die Erfüllung des riesengroßen Traums mit dem Wechsel zum FC Barcelona, wo Demir noch siegessicher in die Kameras strahlte, erwies sich im Nachhinein bis zum heutigen Tag als Hemmschuh seiner weiteren Karriere. Seine Einsätze für die Katalanen kann ihm keiner mehr nehmen, doch es war nur eine Momentaufnahme.

Niemand hätte sich das mehr gewünscht als Rapid selbst

Nun geht es um viel mehr! Nämlich darum, unter Beweis zu stellen, dass Demir dem Druck von außen standhalten kann und auf Dauer zu jenem Hoffnungsträger des österreichischen Fußballs wird, den sich alle so sehnlichst wünschen.

Beim SK Rapid war das nicht mehr der Fall. Zuerst die Causa um den Fitness-Rückstand nach der Rückkehr aus Spanien, immer wieder kleinere Verletzungen sowie durchschnittliche Leistungen, wenig Einsatzzeit und Spekulationen um Defizite im Spiel gegen den Ball.

Im Hintergrund wurde dem 19-Jährigen zudem immer wieder der Kopf verdreht, ein Transfer war in jeder Übertrittszeit Thema, die Gerüchteküche brodelte – dabei hatte Demir noch nicht einmal bei den Grün-Weißen wieder Fuß gefasst. Und niemand hätte sich das mehr gewüscht als Rapid selbst.

Die Wiener nahmen ihn nach der Leihe zu Barca wieder an, päppelten ihn auf, gaben ihm die nötige Zeit, um alles auch mental zu verkraften. Doch das schnelllebige Geschäft, der Ruf aus dem Ausland, seine sehr offensiv agierenden Berater im Hintergrund und das Interesse internationaler Klubs kurbelten das Theater noch weiter an.

Zweifel, Druck und Unruhe wurde zu groß

Bei den Hütteldorfern machte sich immer mehr das Gefühl breit, dass alle Versuche keine Wirkung zeigten. Zweifel wurden gehegt, ob ihm aufgrund der Rückfälle noch der Durchbruch gelänge.

Bekundungen von allen Seiten, dass Demir nicht mehr glücklich und zufrieden bei Rapid sei, verstärkten dieses Gefühl. Auch dass er seine Stärken in dem wahrlich nicht auf ihn zugeschnittenen System wirklich ausspielen konnte.

Und dann blieben auch noch die wirklich konkreten Angebote aus, lediglich in den Medien wurde wild spekuliert, zuletzt etwa über einen Sampdoria-Genua-Deal. Richtig große Adressen waren ebenfalls nicht mehr so interessiert, wie zu Beginn der ganzen Hysterie. Und so dauerte es bis zum allerletzten Tag der Transferzeit in der türkischen Süper Lig, ehe Galatasaray doch noch zugriff.

Just nach Demirs bestem Spiel in dieser Saison inklusive Siegtreffer gegen Altach, just entgegen aller Planungen der Hütteldorfer. Und trotzdem – oder genau deswegen – kommt die Trennung zum richtigen Zeitpunkt. Denn der Neustart sollte Demir gut tun, und gleichzeitig Rapid, das in turbulenten Zeiten nun ein Problem weniger hat.

Die Schuldfrage: Wurde Rapid ausreichend entlohnt?

Die große Frage: Wurden die Hütteldorfer für das Talent auch wirklich ausreichend entlohnt? Oder ließ man sich von Galatasaray über den Tisch ziehen? Das ist die große Streitfrage.

Kolportierte 6 Millionen Euro, mit Bonus bis zu 10 Millionen Euro? Der Vergleich mit dem 17 bis 20 millionenschweren Sturm-Deal bei Rasmus Höjlund musste kommen. Der Shitstorm in Richtung Sportdirektor Zoran Barisic ließ nicht lange auf sich warten. "Geschenkt", meinen viele.

Klar, bei jenem Potenzial, das Demir bescheinigt wurde, hätte die Ablöse ins Unermessliche steigen können, ein Zigfaches der jetzigen Ablöse. Das tat sie aber nicht, weil der Rohdiamant nicht lieferte, nicht so weit war, laut den SCR-Verantwortlichen in einer "sehr schwierigen Phase in seiner Laufbahn" steckte und Rapid nicht weiterhelfen konnte. Die Geduld, trotz aller Unruhe noch monate- und jahrelang zuzuschauen, ob er sich nicht doch noch zur Top-Aktie entwickelt, war schlussendlich nicht vorhanden.

Es ist Demir zu wünschen, dass er im Sinne Österreichs zu sich findet und seine Karriere in die richtige Richtung driftet – aufgrund der bisherigen Erfahrungen ist es jedoch ungewiss, ob sich der verletzungsanfällige und introvertierte Ballzauberer im harten Fußball-Business durchsetzt.

Ausgerechnet Galatasaray als nächster Entwicklungsschritt

Bei Rapid ist der Zug abgefahren, eine Rückkehr wird wohl nie mehr zum Thema werden. Zu viel ist vorgefallen, zu viel ist auf dem Rücken des Jungen ausgetragen wurden, zu viel wurde investiert, um ihn auf den rechten Weg zurückzuführen.

Ob Galatasaray nun das richtige Pflaster für den Rapid-Abgang mit türkischen Wurzeln ist? Auch das darf beim Einkaufsprogramm des Süper-Lig-Klubs und der Talente-Entwicklung in der Türkei an sich bezweifelt werden. Noch dazu feierte er erst kürzlich in der Heimatstadt seiner Eltern den Meistertitel mit Trabzonspor.

Schon beim Empfang wirkte er überfordert mit den enthusiastischen Fans, die ihn feierten und am Flughafen bedrängten. Ein Ort der Ruhe, um sich zu entwickeln, ist dies ganz bestimmt nicht. Denn die Vorschusslorbeeren und Erwartungen könnten schnell in Kritik und Druck umschlagen.

So wie bei Rapid, nur in einem noch größeren Ausmaß. Denn auch dort wird lieber betont, dass Demir einmal bei Barcelona war, nicht jedoch, dass er sich in Wien nicht durchsetzen konnte.


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