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Der Brexit und die Bundesliga

Englands neue Transferbeschränkungen. Wie sie funktionieren, wem sie schaden.

Der Brexit und die Bundesliga

Am 31. Jänner 2020 erfolgte der Brexit. Seit 1. Jänner 2021 ist das Vereinigte Königreich nicht mehr Teil des EU-Binnenmarktes. Was sich seit dem Referendum in Großbritannien im Juni 2016 gezogen hat wie die ordnungsgemäße Zubereitung eines Fish Pies, ist nun tatsächlich Realität.

Die neue Normalität der Beziehungen zwischen dem UK und der EU hat auch Auswirkungen auf den Fußball. Seit dem Jahreswechsel gelten neue Transferbestimmungen, diese betreffen auch Österreicher und österreichische Klubs, wenn sie Wechsel abwickeln wollen.

Doch wie funktionieren die neuen Regeln? Was bedeuten sie für potenzielle ÖFB-Legionäre und die Bundesliga-Klubs? Welche Probleme entstehen dadurch? Und welche Chancen? LAOLA1 hat sich die neuen Transfer-Kriterien genauer angesehen.

Die Jugendspieler

Die Jugendspieler
Foto: © GEPA

Die FIFA regelt die Transfers von minderjährigen Spielern weltweit. Und die Voraussetzungen sind klar. „Ein Spieler darf nur international transferiert werden, wenn er mindestens 18 Jahre alt ist“, steht im berüchtigten „Artikel 19“. Der Weltverband schaut da normalerweise ganz genau hin, bei Missachtungen der Regularien werden gerne auch mal Transfersperren verhängt.

Das ist der Grund, warum etwa der FC Red Bull Salzburg Talente aus Mali und Ghana erst im Alter von 18 Jahren in die Mozartstadt lotst.

Innerhalb der EU gilt diese FIFA-Regel aber nicht. Die freie Wahl des Wohnsitzes und Arbeitsplatzes innerhalb der Europäischen Union hebelt die Transfer-Beschränkung der FIFA aus. EU-Bürger dürfen innerhalb der EU schon ab einem Alter von 16 Jahren transferiert werden.

Solange Großbritannien Teil der EU war, konnten sich die englischen Klubs Talente also schon ab dem Alter von 16 Jahren sichern. Goalie Daniel Bachmann war etwa 17 Jahre alt, als er aus der Akademie der Wiener Austria in den Nachwuchs von Stoke City gewechselt ist. Andreas Weimann übersiedelte mit 16 Jahren vom SK Rapid in die Talenteschmiede von Aston Villa. Es gibt etliche andere Beispiele dieser Art.

Inzwischen sind solche Wechsel nicht mehr möglich. In die andere Richtung, wie es zuletzt bei deutschen Bundesliga-Klubs sehr beliebt war, geht es freilich auch nicht mehr. Borussia Dortmund darf sich keinen 17-jährigen Jadon Sancho mehr sichern, wie das 2017 der Fall war.

Die "klassischen Transfers"

Komplizierter wird es, wenn es um die „klassischen Transfers“ geht. Also die Wechsel volljähriger Profi-Spieler. Während die Wechsel von EU-Bürgern auf die Insel bisher aufgrund des bereits erwähnten EU-Rechts keinerlei Probleme darstellten, war das für Kicker aus Nicht-EU-Ländern ein wenig anders.

Der aufnehmende Verband musste darlegen, dass sein potenzieller Neuzugang entsprechende Qualität mitbringe – in diesem Zusammenhang waren Länderspiele ein wichtiger Faktor. Zur Not entschied ein unabhängiges Gremium.

Im Zuge des Brexits haben sich Klubs und Verband auf ein objektives System geeinigt. Ein Punktesystem wurde erstellt. Es geht dabei um Einsatzzeiten in Meisterschaften und Europacup, die Qualität der jeweiligen Bewerbe, Länderspiele und so einiges mehr. 15 Punkte benötigt ein Spieler, um eine Arbeitserlaubnis auf der Insel zu erhalten. Ursprünglich wollte der Verband die Hürde mit 19 Punkten noch höher legen, die Klubs mit 9 Punkten wesentlich niedriger. Herausgekommen ist ein Kompromiss, der nach einem Jahr erneut evaluiert werden soll.

Das Punktesystem

Es gibt mehrere Wege, um Punkte zu sammeln. Und es gibt auch Kriterien, die als „Auto Pass“ bezeichnet werden – werden sie erfüllt, steht einem Transfer nichts im Weg.

Wenn es um Einsatzzeiten geht, werden in der Regel die vergangenen zwölf Monate als Berechnungszeitraum verwendet.

Kommt ein Spieler regelmäßig zum Einsatz, gibt es mehr Punkte – es wird in Prozenten und Zehnerschritten gerechnet. Hat ein Verein beispielsweise im Berechnungszeitraum 1.000 Minuten in der Meisterschaft gespielt und der Kicker war davon nur 150 Minuten im Einsatz, hat er 15 Prozent der möglichen Spielminuten bestritten. Ist ein Spieler verletzt oder gesperrt, werden in dieser Zeit die Spielminuten des Vereins nicht gerechnet.

Ein kurzer Überblick über die wichtigsten Möglichkeiten, Punkte zu sammeln:

Anm.: Für die erwähnten Beispiele wurde jeweils der Zeitraum 1. März 2020 bis 28. Februar 2021 gewählt.

Länderspiele:

Die durchschnittliche Weltranglisten-Platzierung der vergangenen zwölf Monate entscheidet, wieviele Punkte für Länderspiele vergeben werden. Bei Top-10-Nationen reichen 30 Prozent der Einsatzminuten für einen „Auto Pass“, bei Top-20-Nationen 40 Prozent, bei Top-30-Nationen 60 Prozent und bei Top-50-Nationen immerhin noch 70 Prozent. In der Regel werden nur Pflichtspiele berechnet.

Aktuell unter den Top 50 der Weltrangliste sind beispielsweise Costa Rica, Ägypten, Jamaika oder der Iran.

Vereinfacht ausgedrückt: Wer bei einigermaßen großen Nationen Stammspieler im A-Team ist, darf auch auf die Insel wechseln.

Foto: © getty

Beispiel: David Alaba – er hat in den vergangenen 12 Monaten 67 Prozent der möglichen Einsatzminuten in den Pflichtspielen des ÖFB-Teams absolviert. Das ÖFB-Team lag im Berechnungs-Zeitraum durchschnittlich auf Platz 25 der Weltrangliste. Damit erhält David Alaba – völlig unabhängig von seinen Leistungen auf Klub-Ebene – automatisch eine Arbeitserlaubnis.

Vereinsspiele:

Einsätze national

Im Punktesystem sind die nationalen Meisterschaften in „Bands“ unterteilt. Eine höhere „Band“ bedeutet mehr Punkte. Das ist die Aufteilung:

Band 1: England, Deutschland, Spanien, Italien, Frankreich

Band 2: Portugal, Niederlande, Belgien, Türkei, England 2

Band 3: Russland, Brasilien, Argentinien, Mexiko, Schottland

Band 4: Tschechien, Kroatien, Schweiz, Ukraine, Griechenland, Kolumbien, USA, Österreich, Frankreich 2, Spanien 2, Deutschland 2

Band 5: Serbien, Dänemark, Polen, Slowenien, Chile, Uruguay, China

Band 6: Alle anderen Ligen

Die österreichische Bundesliga befindet sich in „Band 4“. Rein durch Einsatzzeiten können maximal 6 Punkte gesammelt werden. Wer weniger als 60 Prozent der möglichen Spielzeit absolviert hat, bekommt gar keinen Punkt.

Foto: © GEPA

Beispiel: Peter Michorl – der LASK hat im Berechnungszeitraum 31 Bundesliga-Spiele absolviert, das ergibt 2.790 Minuten. Michorl war in zwei Partien gesperrt, also werden nur 2.610 Minuten des LASK angenommen. Der Spieler stand davon in 2.423 Minuten tatsächlich am Feld. Das ergibt 93 Prozent der Spielzeit, also das Punktemaximum von 6 Punkten.

Erfolg national

Neben der Einsatzzeit kann ein Spieler auch Punkte sammeln, wenn sein Klub erfolgreich ist. Diese Punkte werden in der österreichischen Bundesliga verteilt:

Erfolg Punkte
Meister 3
Quali für CL-Gruppenphase 2
Quali für CL-Quali 1

Während es in den ganz großen Ligen schon Punkte für einen Platz im Tabellenmittelfeld gibt, können in Österreich auf diesem Weg nur ganz schwer Punkte gesammelt werden. Ein Kuriosum: Es gibt Punkte für Aufsteiger. Ein Spieler der SV Ried hat in den vergangenen zwölf Monaten als Mitglied eines Klubs aus "Band 6" zwei Punkte gesammelt – einen für den Meistertitel, einen für den Aufstieg. Ein Spieler des LASK wiederum wäre komplett leer ausgegangen.

Qualität der Liga

Eine weitere Möglichkeit gibt es noch: Punkte für die "Qualität des aktuellen Klubs". Diese Punkte bekommt, wer im vergangenen Jahr zumindest einmal im Spieltagskader gestanden ist oder zumindest 1 Prozent der Einsatzminuten im Cup bestritten hat. Also praktisch jeder.

Band Punkte
Band 1 12
Band 2 10
Band 3 8
Band 4 6
Band 5 4
Band 6 2

Wer in Österreich mit seinem Klub nicht international spielt, sich nicht für die CL qualifiziert und auch keine Länderspiele absolviert, kann sich einen Wechsel nach England – und damit sind auch die Ligen unter der Premier League gemeint – abschminken.

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Beispiel: Manprit Sarkaria – mit über 90 Prozent der Einsatzminuten sammelt er das in Österreich mögliche Maximum an 6 Punkten, für die "Qualität des aktuellen Klubs" erhält er noch einmal 6 Punkte. Mit insgesamt 12 Punkten fehlen ihm drei Punkte für eine Arbeitserlaubnis.

Einsätze international

Der Europacup wiederum bietet weitere Möglichkeiten, um Punkte zu sammeln. Die Champions League wird als "Band 1", die Europa League als "Band 2" gewertet. Auch da gibt es wieder Punkte für die individuelle Einsatzzeit und den Erfolg des Teams.

In der Champions League werden ab 30 Prozent der Einsatzzeit Punkte vergeben, in der Europa League ab 50 Prozent.

Zudem gibt es Punkte ab der Teilnahme an der Gruppenphase (CL 5 Punkte, EL 2 Punkte).

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Beispiel: Maximilian Wöber – Salzburgs Teilnahme an der Gruppenphase der Champions League bringt ihm 5 Punkte, zudem hat er 95 Prozent der Einsatzminuten in der Königsklasse absolviert, was ihm 10 bringt. Damit hat Wöber seine 15 Punkte nur durch den Europacup beisammen.

Fazit der Punktevergabe

Wer in Österreich Stammspieler ist, benötigt zusätzlich Einsätze und Erfolge im Europacup oder Länderspiele, um eine Arbeitserlaubnis auf der Insel zu erhalten. Praktisch unmöglich wird es beispielsweise für Spieler aus der 2. deutschen Liga, den Sprung nach England zu schaffen.

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Beispiel: Christoph Monschein – 72 Prozent der Einsatzzeit in der Bundesliga ergeben vier Punkte, sechs Punkte gibt’s für die "Qualität des aktuellen Klubs". Mit seinen zehn Einsatzminuten im Nationalteam fällt er mit 1,9 Prozent aber unter die Punktegrenze. Europacup hat die Austria auch nicht gespielt. Ein Wechsel nach England ist nicht möglich.


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Beispiel: Christoph Kobald – der Innenverteidiger ist inzwischen beim deutschen Zweitligisten Karlsruher SC gesetzt, sammelt mit 81 Prozent Einsatzminuten 5 Punkte, plus sechs wegen der "Qualität des Klubs". Zu wenig für England.

Möglichkeiten für U21-Spieler

Etliche weitere Möglichkeiten, um Punkte zu sammeln, haben jene Spieler, die zum Zeitpunkt des Antrags auf eine Arbeitserlaubnis unter 21 Jahre alt sind – von Nachwuchs-Nationalteams, über nationale Nachwuchs-Meisterschaften, B-Teams der Bundesligisten, Extra-Punkte für Debüts bei den Profis bis zur UEFA Youth League.

Wer etwa regelmäßig in der U21-, U19- oder U17-EM-Quali im Einsatz ist, erhält 5 Punkte.

Das kann aber zu wenig sein.

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Beispiel: Yusuf Demir – das Rapid-Juwel wird im Juni volljährig. Für seine Einsätze im U21-Nationalteam erhält er 5 Punkte, 6 Zähler gibt’s für die "Qualität des aktuellen Klubs", 1 für Rapids Vizemeistertitel, 2 für die Teilnahme an der EL-Gruppenphase. Das sind 14 Punkte, also einer zu wenig, weil der Youngster aufgrund seiner geringen Einsatzzeiten diesbezüglich keinen einzigen Punkt sammelt. Ihn rettet aber sein Debüt in der Europa League, wofür er 5 Punkte extra bekommt.

Die Probleme, die Chancen

Ein Wechsel auf die Insel ist also nicht mehr so einfach. Vor etwas mehr als einem Jahr wurde Christoph Monschein etwa noch mit Aston Villa in Verbindung gebracht, aktuell könnte er den Wechsel nicht vollziehen.

Es muss noch einmal extra betont werden, dass es hierbei nicht nur um eine Arbeitserlaubnis in der Premier League geht, sondern auch in der Championship, also der zweithöchsten englischen Liga. Dort haben zuletzt immer wieder ÖFB-Legionäre Arbeitsplätze gefunden.

Gleichzeitig können Klubs aus der Bundesliga die neuen Transferbeschränkungen auch als Chance begreifen. Wenn sich ein englischer Klub die Rechte an einem Talent sichert, das noch nicht auf der Insel spielen darf, könnte es in Österreich nicht nur Spielpraxis, sondern auch die nötigen Punkte sammeln.

Spieler aus Dänemark, Serbien oder Polen werden in ihrer Heimat aufgrund der schlechteren Bewertung der Liga nur schwer auf die notwendigen Punkte kommen. Ein im Europacup tätiger Klub aus Österreich könnte da aushelfen.

Hier gibt es die Kriterien zur Punktevergabe im offiziellen Dokument der FA im Detail >>>

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