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"Wir müssen einen Rückstand aufholen"

Am Mittwoch wurde Thomas Tuchel offiziell als neuer Trainer von Borussia Dortmund vorgestellt. Im Rahmen einer Pressekonferenz sprach der Coach erstmals über seine Verpflichtung, seine Pläne mit BVB und seine einjährige Auszeit.

Den Anfang machte Präsident Hans-Joachim Watzke, der noch sichtlich von der Pokal-Niederlage gegen den VfL Wolfsburg gezeichnet war: "Wir lecken noch die Wunden vom Samstag, müssen die abgelaufene Saison jetzt aber hinter uns lassen. Ab heute sind wir wieder im Kampfmodus."

Über die Ziele des BVB unter Thomas Tuchel gab Watzke aber noch nichts bekannt: „Zu Zielen wird nichts gesagt, weil wir mitten in der Personalplanung sind. Solange diese nicht abgeschlossen ist, macht das keinen Sinn. Wir werden uns frühestens im Trainingslager dazu äußern.“

Danach erklärte Manager Michael Zorc wie die Entscheidung zu Gunsten Tuchels gefallen ist: "Thomas ist uns 2009 erstmals aufgefallen, als er mit Mainz gegen unsere U19 A-Jugend-Meister wurde. Unsere Truppe galt als besser besetzt, aber wir hatten in diesem Spiel keine Chance. Joachim und ich waren damals live vor Ort."

Tuchel als logische Wahl

Tuchel als logische Wahl
Zorc spricht von einer "unangenehmen ersten Begegnung"

"Thomas ist für uns die logische Entscheidung. Er hat eine klare Vorstellung wie das Fußballspiel auszusehen hat, sowohl gegen den Ball als auch im eigenen Angriff. Ihn zeichnet eine hohe taktische Flexibilität aus. Er kann Mannschaften und Spieler weiterentwickeln. Er hat in Mainz ausgezeichnete Arbeit geleistet. Über einen Fünfjahres-Zeitraum gesehen wäre er mit Mainz Fünfter geworden, obwohl Mainz nicht über die besten wirtschaftlichen Möglichkeiten verfügt hat in diesem Zeitraum. Wir freuen uns sehr auf die Arbeit mit ihm."


Thomas Tuchel über...


... seine Verpflichtung beim BVB: „Ich bin überglücklich jetzt auch offiziell BVB-Trainer zu sein. Während meiner Auszeit wollte ich einen Top-Klub, eine Traditionsklub, einen echten Herausforderer trainieren. Als ich vom Interesse der Dortmunder erfahren habe war mir sonnenklar, dass es das sein muss. Diese Chance musste ich ergreifen. Ich bin ein emotionaler Mensch, ein junger Trainer, ich freue mich darauf, das hier in Dortmund miterleben zu können. Hier entsteht durch die Fans so eine Macht, eine außergewöhnliche Aura."


... seine Ziele mit dem BVB: "Wir wollen ein Herausforderer der nationalen Spitze sein. Die ist breiter geworden, da zählen auch Wolfsburg, Gladbach und Leverkusen dazu. Der Pokal wird nicht der letzte Titel der Wolfsburger unter Hecking bleiben, Favre leistet in Gladbach herausragende Arbeit, Leverkusen spielte unter Schmidt eine großartige Runde. Diese vier Teams waren in der Hin- und Rückrunde vorne, sie haben gelernt in Serie zu siegen."


"Wir haben Rückstand auf diese Teams, den wir aufholen müssen. Die EL-Qualifikation ist ein Nachteil, sie kostet Trainingszeit. Wir sind der Herausforderer und wollen ein sehr ernstzunehmender Herausforderer sein. Diese Herausforderung muss mir, meinem Trainerteam und meiner Mannschaft klar werden. Ich will, dass diese vier Teams, die wir herausfordern, uns ständig spüren. Wir wollen eine Atmosphäre der Leistungsbereitschaft schaffen, die die Mannschaft trägt und prägt, die immer spürbar sein muss, egal ob im Training oder beim Spiel im Stadion."

Unter Tuchel soll der BVB wieder jubeln

... die Vorbereitung: "Natürlich würde ich mir eine normale Vorbereitung und eine reine Bundesliga-Saison wünschen, aber das würde bedeuten, dass wir nicht international spielen würden. Wir hätten gerne eine längere Vorbereitung und ausgeruhte Spieler anstelle dieser unsäglichen Länderspiel-Abstellungen, um die Dinge so schnell wie möglich zu implementieren. Prinzipien müssen jedem klar sein, um später taktisch flexibel agieren zu können. Wir haben nur vier Wochen Vorbereitung, wir können dort nicht alle Inhalte vermitteln, die wir gerne möchten, da ist weniger manchmal mehr."


... die Nachfolge von Jürgen Klopp: "Es war mir nur möglich auf diese Art Jürgen nachzufolgen, es war eine Grundvoraussetzung, dass Jürgen und der BVB im Guten auseinander gehen. Zudem möchte ich seine herausragende Trainerleistung hier würdigen. Jürgen war hier mehr als nur ein Trainer. Die Basis, auf der ich hier arbeite, hat Jürgen geschaffen. Wir wollen darauf aufbauen und Weiterentwicklungen starten.“


... die Kaderplanung: "Wir sprechen täglich miteinander, auch über Transfers. Es gibt natürlich keinen Personalkatalog von mir, auch keine konkreten Namen. Es ist mir auch gar nicht möglich, ohne die Trainingsleistungen und sonstigen Umstände zu kennen, eine Entscheidung über einen Spieler zu treffen. Ich muss mir ein eigenes Bild von unserer Mannschaft, den Qualitäten und Charakteren machen. Die Mannschaft ist ausgewogen zusammengestellt, hat ein gutes Durchschnittsalter – ich arbeite jetzt nicht aus der Entfernung daran, das Bild der Mannschaft zu verändern. Das halte ich auch gar nicht für notwendig."

Reus und Aubameyang stehen stellvertretend für das Spiel der Dortmunder

... das Spiel der Dortmunder: "Dortmund hat einen Stil geprägt, es geht gar nicht darum, jetzt etwas zu erfinden. Dortmund steht für einen aktiven Fußball, Angriffsfußball, wir wollen agieren, wir wollen dominant sein, wir wollen den Ball schnell wieder zurückerobern. Ich freue mich auf das Talent der Spieler, die unterschiedlichen Charaktere, und will auch anhand der Spieler entscheiden, wie wir spielen. Wer spielt in welchen Räumen, wer passt gut zueinander? Ich habe bei Mainz gelernt Ballbesitzpassagen wertzuschätzen, und sei es nur um Durchschnaufen zu können. Nun freue ich mich hier darauf, dominant zu spielen – das wird sich hier auch gar nicht vermeiden lassen. Wir wollen versuchen schnell vor das gegnerische Tor zu kommen. Das ist ein Spiel, das mir Spaß macht, das ist ein Spiel, das den Fans Spaß macht."


... seine einjährige Auszeit: "Ich bin ohne Uhr ins Bett gegangen und ohne Uhr wieder aufgestanden. Ich habe Urlaub gemacht, Zeit mit meiner Familie verbracht. Ich habe gelernt, Zeit zu haben. Ich habe gelernt, dass es gut tut Gespräche auch einmal nachklingen zu lassen. Ich hatte oft interessante Gespräche, die sofort wieder weg waren, weil ich sofort wieder bei einem Spiel oder Training war. Ich habe so viel gemacht in diesem Jahr, dass es schnell wieder vorbei war."


"Meine Pause war wie ein Steigerungslauf. Ich wollte eine Pause machen, 14 Jahre Trainerlaufbahn einfach mal wirken lassen ohne mich sofort in das nächste zu stürzen, auch mal zu reflektieren. Ich habe mich natürlich mit Leistungssport und Führungstechniken beschäftigt und je größer das Interesse der Vereine an mir in der Rückrunde wurde, desto intensiver habe ich mich auch wieder mit dem Fußball beschäftigt."


... über die FIFA bzw. den Blatter-Rücktritt: "Wenn ich mich zu einem Thema nicht äußere, dann Blatter und die FIFA."


Präsident Watzke über den Blatter-Rücktritt: "Sich Freitag wählen lassen und Dienstag zurücktreten - sowas habe ich noch nie erlebt. Aber bei der FIFA hatte ich schon öfter das Gefühl, dass ich sowas noch nie erlebt habe..."

 

Alexander Neuper