news

"Es ist jetzt nicht die Premier League, aber..."

Da stand er nun. Bei seinem ersten Training, nach dem ersten Lauf durch die Prater Hauptallee, in grün-weißem Trainingsoutfit und mit der Nummer neun auf der Brust: Terrence Boyd.

Rapids Neuzugang wurde schon vor seiner Ankunft in Wien mit Lorbeeren überschüttet. Selbst nimmt er die neue Aufgabe aber relaxt und mit einem sonnigen Gemüt in Angriff.

Keine Spur von Überheblichkeit, obwohl er vom deutschen Meister kommt. Keine Spur von Ernüchterung über den österreichischen Kick. Keine Spur von Star-Gehabe, weil er erst vor kurzem mit den USA gegen Neymar und Co. spielte.

Im Gegenteil. „Von den Bedingungen her ist es hier kein großer Unterschied zu Borussia Dortmund. Da kann Rapid allemal mithalten“, gesteht Boyd im Gespräch mit LAOLA1.

„Viel brauchte es nicht, um mich zu überzeugen“

Viele Informationen hat der 21-Jährige über die neue Liga aber noch nicht gesammelt. Trotzdem ist er zuversichtlich, die richtige Entscheidung für seinen weiteren Werdegang getroffen zu haben.

„Ich wusste, dass es zehn Mannschaften gibt, die alle vier Mal gegeneinander spielen“, gibt der US-Boy (Anm.: Vater kommt aus USA, Mutter aus Deutschland) verlegen zu. „Es ist jetzt nicht die Premier League, aber trotzdem denke ich, dass diese Liga einiges zu bieten hat.“

Während Österreich in Deutschland eher mit einem lachenden Auge beobachtet wird, musste Boyd nicht lange überlegen, um nach Informationen von Andreas Herzog eine Entscheidung zu treffen.

„Viel brauchte es nicht, um mich zu überzeugen. Rapid Wien ist ein großer Name, ist Rekordmeister, alles drum und dran, und spielt in der Europa League. Alleine vom Namen her war es schon besser als die zweite Liga in Deutschland.“

Nach Herzogs Empfehlung schnell überzeugt

Viele seiner Altersgenossen schlagen diesen Weg ein, um sich für ganz oben zu empfehlen. Rot-weiß-rote Legionäre wechseln in die zweite deutsche Bundesliga, um sich weiterzuentwickeln. Boyd entschied sich für die entgegengesetzte Richtung.

„Es ist schon ein bisschen riskant, aber wenn ich hart arbeite, werde ich meine Chance schon nützen“, ist der nach seinen Angaben „bullige Strafraumstürmer“ von sich überzeugt.

Seine Qualitäten? „Ich suche oft den Torabschluss und presse sehr schnell, das habe ich von Dortmund mitbekommen, um Verteidiger zu Fehlern zu zwingen. Somit bin ich der erste Mann, der verteidigt.“

Boyds Eigenschaften sind in Hütteldorf gefragt, dieser Ansicht war auch sein Förderer und Co-Trainer im US-Team Herzog.

„Er hat mir gesagt, dass Rapid eine Top-Adresse und gerade jetzt gut für junge Spieler ist. Da er selbst mal bei Rapid gespielt hat, war klar, dass er mir das empfiehlt. Aber ich kann das nur begrüßen.“

Schöttel: „Boyd macht willigen, hungrigen Eindruck“

Eine Top-Adresse ist auch Borussia Dortmund, wo der Stürmer aber kein Licht am Ende des Tunnels sah. Zwar durfte er ab und zu mit den Profis mittrainieren, das war aber bis dato das Höchste der Gefühle.

„Ich hätte auch verlängern können. Das Problem war nur, dass sie nicht großartig mit mir geplant hätten und ich dann dritter oder vierter Stürmer geworden wäre. Das bringt mir nichts, wenn ich auf der Bank sitze. Als junger Spieler muss man spielen.“

Trainer Peter Schöttel hat nach den ersten Treffen eine hohe Meinung vom Neuen, der bei Bremerhaven, Hertha BSC und Dortmund die Nachwuchsschulen durchlief.

„Er macht einen sehr guten, willigen, hungrigen Eindruck und es freut mich sehr, dass er bei uns ist.“

Kein Niveau-Unterschied zu erkennen

Obwohl Boyd vor Tatendrang strotzte und sofort in den Trainingsalltag einsteigen wollte, „musste“ er nach den Länderspielen auf Anweisung von Schöttel in Urlaub fahren. Nach dem Heimaturlaub ließ er sich in Bulgarien die Sonne auf den Bauch scheinen.

„Eigentlich mag ich das nicht, wenn die Vorbereitung schon läuft und ich noch nicht dabei bin. Aber der Urlaub tat auf jeden Fall gut, vor allem mental.“

In punkto Fitness wird er gezielt an die Mannschaft herangeführt. Schritt für Schritt, ohne etwas zu überstürzen. Einen großen Niveau-Unterschied zwischen der deutschen Regionalliga und der österreichischen Bundesliga erwartet er sich aber nicht.

„Wenn ich ganz ehrlich bin, war der Schritt von der Regionalliga ins US-Team auch kein großer. An meinem Job als Stürmer ändert sich nicht viel. Es ist vielleicht bei jedem anders, ich weiß ja nicht, wie es bei einem Rechtsverteidiger wäre. Ich habe jetzt zwar auch gegen Brasilien mit Neymar gespielt, aber es ändert sich nicht viel. Du musst die Verteidiger pressen, dich freilaufen und Tore schießen. Aber klar, das Niveau ist intensiver.“

Amerikanische Wurzeln beeinflussen Lebensstil

Anpassungsschwierigkeiten menschlicher Natur wird der gebürtige US-Amerikaner nicht haben, denn bis auf ein Jahr nach seiner Geburt in New York wuchs Boyd in Deutschland auf.

Seine Wurzeln kann und will der 1,85 Meter große Profi aber nicht verleugnen. Von seiner Lebensweise her orientiert er sich sehr am amerikanischen Vorbild.

„Ich verfolge amerikanische Musik, Medien und Serien. Ich fühle mich auf eine Weise viel verbundener mit der USA, bin aber in Deutschland aufgewachsen. Ich war noch nicht sehr oft dort, aber für mich ist es einfach ein Traum, für die USA zu spielen.“

Frisör des Vertrauens gefunden

In Wien wird er vorerst alleine leben und auf Besuche seiner Familie warten. Ein Freund, der ebenfalls in Wien wohnt, wird ihm aber den Einstieg erleichtern.

„Der war schon mal wichtig, dass ich einen Frisör gefunden habe. Das ist das Allerwichtigste“, scherzt Boyd. „Ich werde auf jeden Fall noch die Stadt erkunden, aber jetzt ist erst einmal Fußball angesagt.“

Schließlich steckt sich das fußballerische Talent hohe Ziele. „Meine Devise ist, dass ich hier so viel wie möglich lernen und dem Verein so viel wie möglich zurückgeben will – sprich Tore und Vorlagen.“

Schließlich will er sich nach seiner Station beim deutschen Meister auch zum österreichischen Champion küren. „Das ist nicht utopisch.“


Alexander Karper