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Ski-Verband steht vor Kristall-Scherbenhaufen

Österreich droht 1. Saison ohne Kugel seit 25 Jahren. Ein Funken Hoffnung lebt:

Ski-Verband steht vor Kristall-Scherbenhaufen Foto: © GEPA

Ist Österreich noch die Ski-Nation Nummer eins? Diese Frage wird im Einklang mit den warmen Temperaturen in diesem Winter hitzig diskutiert. Die Erfolge der vergangenen Winter rinnen den ÖSV-Verantwortlichen wie der Schnee in der Frühjahrssonne durch die Finger.

Das ÖSV-Team als Nummer 1 im Weltcup? Betrachtet man die nackten Zahlen und Statistiken, muss die Frage ganz klar mit "NEIN" beantwortet werden. 

Nach dem Rücktritt von Erfolgsgarant Marcel Hirscher sind in dieser Saison die Versäumnisse des ÖSV in den vergangenen Jahren sichtbar geworden. Hinzu kommt, dass so manche Leistungsträger der letzten Winter nicht wie gewohnt oder erhofft liefern. Die Verletzungsmisere fügt das übrige zur Pleiten-, Pech- und Pannen-Saison hinzu. 

Der Weltcup-Punkte-Absturz des ÖSV schlägt sich vor allem im Nationencup nieder. Österreich läuft erstmals seit 1987 Gefahr, diesen nicht zu gewinnen.

Aktuell beträgt der Rückstand auf die Führenden Schweizer bereits 918 Punkte. Die ÖSV-Damen (3.654) müssen sich in dieser Winter hinter den starken Italienerinnen (3.878) einreihen, die ÖSV-Herren (3.346) liegen gar hinter der Schweiz (4.362), Norwegen (3.963) und Frankreich (3.722) zurück nur an der vierten Stelle.

Schröcksnadel redet nur vom Verlust der Nationen-Wertung...

Wie schlimm bzw. doch nicht schlimm der Verlust der Nationen-Wertung wäre, wurde in den letzten Wochen und Monaten im Skizirkus bereits zur Genüge diskutiert.

Doch während alle über den für ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel so geliebten Nationencup redet, bahnt sich bereits die nächste "Alpin-Katastrophe" an. Dem ÖSV droht eine Saison ohne eine einzige Kristallkugel.

Dass sowohl Österreichs Damen als auch die Herren komplett leer ausgingen, war zuletzt in der Saison 1994/95 der Fall, als die Schweizerin Vreni Schneider und Alberto Tomba die Szene dominierten und als einziger Österreicher der für Luxemburg fahrende Marc Girardelli (Kombi-Wertung) mit einer Kristallkugel ausgezeichnet wurde. 25 Jahre später droht Österreich in diesem Winter das gleiche Schicksal. 

Bei den Herren gab es zuletzt 2010/11 eine Saison ohne Kristall, ehe die die Ära Marcel Hirscher alles überstrahlte. Die Damen kennen das Gefühl, leer auszugehen, noch aus dem Winter 2017/18.

In der vergangenen Saison nahmen die ÖSV-Asse neben dem Nationencup vier weitere Kugeln vom Weltcup-Finale aus Andorra mit nachhause: Drei davon Hirscher (Gesamt, RTL, Slalom) und eine durch Nicole Schmidhofer (Abfahrt).  

In diesem Jahr kann sich der ÖSV noch an drei "Strohhalme" klammern – zumindest theoretisch.

GESAMTWELTCUP

Nach acht Gesamtsiegen in Folge durch Marcel Hirscher war Matthias Mayer bis vor kurzem der einzige ÖSV-Athlet, der annähernd um die große Kristallkugel mitmischen konnte.

Nach seiner krankheitsbedingten Pause Anfang Februar ist er aktuell aber nur noch "best of the rest" hinter dem Top-Trio Aleksander Aamodt Kilde (1.022 Punkte), Henrik Kristoffersen (948) und Alexis Pinturault (898), die sich den Gesamtweltcup wohl untereinander ausmachen werden. Mayer hat als Viertplatzierter bereits 306 Punkte Rückstand auf Leader Kilde.

Bei den Damen sind die Österreicherinnen meilenweit von der großen Kristallkugel entfernt. Beste ÖSV-Läuferin ist in der Gesamtwertung aktuell Nicole Schmidhofer auf Rang zwölf.

An der Spitze entwickelte sich durch das Fehlen von US-Dominatorin Mikaela Shiffrin ein Dreikampf zwischen der Titelverteidigerin aus den USA (1.225), Italiens Federica Brignone (1.298) und der slowakischen "Ski-Königin" Petra Vlhova (1.139).

Am Wochenende biegt der Weltcup quasi auf die Zielgerade ein. Bei den Damen sind 29 der 40 Bewerbe absolviert, die Herren haben bereits 32 ihrer 43 Bewerbe ausgetragen.

ABFAHRT

Die zwei dominanten Abfahrer heißen auch in diesem Winter wieder Beat Feuz und Dominik Paris. Nach dem Kreuzbandriss des Südtirolers in Kitzbühel ist die Kugel für Feuz nur noch Formsache. Bester Österreicher – aktuell sogar noch hinter Paris – ist Vincent Kriechmayr als Vierter, Matthias Mayer ist Sechster. Dahinter klafft eine große Lücke, nächstbester ÖSV-Abfahrer ist Daniel Danklmaier auf dem 21. Rang.

Gab es in der vergangenen Saison noch den totalen Triumph mit dem Dreifach-Sieg durch Nicole Schmidhofer, Ramona Siebenhofer und Stephanie Venier, so haben Österreichs Speed-Damen in diesem Winter nach einer durchwachsenen Saison nichts mit dem Gewinn des Abfahrtsweltcups zu tun. Venier und Nina Ortlieb rangieren mit knapp 250 Punkten Rückstand auf Gewinnerin Corinne Suter, die erstmals nach 29 Jahren Abfahrts-Kristall zurück in die Schweiz holt, auf Rang sieben, Schmidhofer ist Neunte.

SUPER-G

Suter hat auch im Super-G die besten Chancen auf die Kugel, ihre größte Konkurrentin heißt Federica Brignone. Nicole Schmidhofer weist als Dritte zwar noch theoretische Chancen auf Kristall auf - 94 Punkte Rückstand bei zwei noch ausstehenden Rennen sind aber wohl nur schwer wettzumachen.

Etwas besser stehen die Chancen für die ÖSV-Herren: Matthias Mayer und Vincent Kriechmayr liegen als Vierter bzw. Fünfter in Lauerstellung. Drei Rennen vor Schluss führt Aleksander Aamodt Kilde (336) vor Mauro Caviezel (285), Kjetil Jansrud (265) sowie Mayer (264) und Kriechmayr (262). Über 70 Punkte auf Kilde aufzuholen wird für das ÖSV-Duo sehr schwer, unmöglich ist es aber nicht.

Der Super-G ist in dieser Saison aber definitiv die größte, noch intakte ÖSV-Chance auf eine Kristallkugel bei den Herren. Wobei nicht unerwähnt bleiben soll, dass hinter Mayer und Kriechmayr eine arge Lücke klafft. Christian Walder (94 Zähler) als 14. und Hannes Reichelt (81) als 16. vor Max Franz (56) sind die weiteren klassierten ÖSV-Fahrer in der einstigen österreichischen Paradedisziplin.

RIESENTORLAUF

Nach fünf Erfolgen in Serie von Marcel Hirscher ist der "Riesen" in diesem Winter die schwächste ÖSV-Disziplin. Die besten Österreicher in der Riesentorlauf-Wertung sind Marco Schwarz und Roland Leitinger, die sich mit mickrigen 90 Punkten aus sechs Rennen den 17. Zwischenrang teilen.

Das Führungs-Duo Zan Kranjec (SLO/344) und Henrik Kristoffersen (NOR/334) ist in der Kerndisziplin des alpinen Skisports meilenweit vor den ÖSV-Herren. Mit Manuel Feller rangiert der drittbeste Österreicher aktuell nur auf Platz 31 und weist lediglich 35 Zähler auf.

Ähnlich trist ist das Bild bei den Damen, wo Katharina Liensberger nach den Verletzungen von Bernadette Schild und Stephanie Brunner als 13. die rot-weiß-rote Fahne mit 108 Punkten hoch hält. Franziska Gritsch und Katharina Truppe liegen nach 6 von 9 Riesentorläufen auf den Rängen 21 (60 Zähler) und 22 (59 Punkte).

SLALOM

Auch im Slalom ist Liensberger die beste Österreicherin und als aktuell Gesamt-Dritte so gut wie noch nie in ihrer Karriere klassiert. Die Vorarlbergerin ist mit 276 Zählern "best of the rest" hinter dem Führungs-Duo Petra Vlhova (460) und Mikaela Shiffrin (440), die in einer eigenen Liga fahren und sich die Kugel untereinander ausmachen werden.

Bei den Herren rangiert Marco Schwarz auf dem siebenten Rang, was in Anbetracht seiner Comeback-Saison nach dem Kreuzbandriss und der hohen Dichte im Slalom durchaus beachtlich ist. Mit Michael Matt findet sich ein weiterer ÖSV-Läufer in den Top Ten. Der von einem Bandscheibenvorfall zurückgeworfene Manuel Feller sowie die Youngsters Fabio Gstrein und Adrian Pertl finden sich auf Plätzen zwischen 20 und 26.

KOMBINATION

Dank seines sensationellen Sieges bei der Lauberhorn-Kombination in Wengen – seinem ersten Kombi-Sieg überhaupt – besitzt Matthias Mayer noch theoretische Chancen auf die kleine Kugel. Der Kärntner hat als Vierter vor dem letzten Bewerb am Freitag in Hinterstoder allerdings schon 80 Punkte Rückstand auf Leader Alexis Pinturault, knapp vor Mayer liegen noch Alexander Aamodt Kilde und Loic Meillard.

Bei den Damen liegen Franziska Gritsch und Ramona Siebenhofer auf den Plätzen vier und fünf, haben aber keine Möglichkeit mehr auf die Kugel. Diese ist so gut wie sicher an Federica Brignone vergeben, die vor ihrem Kombi-Heimspiel am Sonntag im Aostatal 75 Punkte vor Wendy Holdener rangiert.

PARALLEL

Bezeichnend, oder auch nicht: Die rechnerisch beste Chance auf eine Kugel für Österreich besteht im "Lotterie-Bewerb" Parallel-Weltcup, für den in diesem Winter erstmals Kristall vergeben wird. Dabei hat uns nicht nur der Herren-Parallel-RTL in Chamonix gelehrt, dass die Auslosung für den richtigen Kurs über den Aufstieg in die nächste Runde entscheidet...

Vor dem abschließenden Bewerb in Are (12.3.) liegt Elisa Mörzinger nach ihrem überraschenden 2. Rang in Sestriere gleichauf mit Anna Swenn-Larsson (SWE) auf dem geteilten 4. Platz, auf die Führende Petra Vlhova (113) fehlen aber nur 33 Punkte. Wie Mörzinger (80) kämpfen auch noch Sestriere-Siegerin Clara Direz (100) und Federica Brignone (90) um die Kugel. Franziska Gritsch kann sich als Achte der Wertung (60) ebenfalls noch Chancen ausrechnen.

Bei den Herren ist die Kugel bereits an den Schweizer Loic Meillard (129 Punkte) vergeben. Bester Österreicher in der Endwertung ist Roland Leitinger mit 73 Zählern auf Rang fünf.

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