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Vincent Kriechmayr: "Da wollte ich es einfach zerstören"

Österreichs Speed-Aushängeschild hat den Kitz-Code noch nicht geknackt. Von wem er sich etwas abschaut und was er Matthias Mayer zu verdanken hat.

Vincent Kriechmayr: Foto: © GEPA

Die Chancen auf einen österreichischen Sieg in einer der Abfahrten in Kitzbühel stehen – man muss es so sagen – eher gering.

Kein einziger ÖSV-Läufer, der am Wochenende am Start stehen wird, hat den Klassiker auf der Streif schon einmal gewonnen.

Für Vincent Kriechmayr ist die Gamsstadt noch ein weißer Fleck auf seiner Erfolgs-Landkarte. Der Oberösterreicher war aber immerhin der einzige, der Abfahrts-Dominator Aleksander Aamodt Kilde in dieser Saison schlagen konnte. Kriechmayr gewann die Abfahrten in Gröden und Bormio.

"Wenn man meine letzten Kitzbühel-Ergebnisse anschaut, gehöre ich sicher nicht zu den Favoriten. Da kann ich mich nur selbst überraschen", sagt der Doppel-Weltmeister von 2021 in der Gamsstadt.

Warum es ausgerechnet beim Heimrennen noch nicht mit einem Sieg geklappt hat?

Kriechmayr: "Es spielt sich alles im Kopf ab"

"Am Anfang meiner Karriere war Kitzbühel immer eine meiner Lieblingsstrecken, da habe ich gut performt. Die letzten Jahre bin ich einfach nicht gut gefahren. Ich war einfach zu verhalten und habe den Flow nicht gefunden", lautet Kriechmayrs Analyse. "Es geht darum, dass man weiß: Ich bin der Chef. Das spielt sich alles im Kopf ab."

Auf der Streif brauche es 100-prozentige Überzeugung und Überwindung. "Bevor ich hergekommen bin habe ich mir die Videos von Beat Feuz (Vorjahressieger, Anm.) angeschaut. Er war so am Limit, so wie Didier Cuche in seiner besten Zeit. Er ist in der Luft schon in die Hocke gegangen und hat um jeden Zentimeter gerauft. Das braucht es da runter und das ist mir die letzten Jahre abgegangen."

Kriechmayrs bestes Abfahrts-Ergebnis in Kitzbühel ist ein zweiter Platz aus dem Jahr 2020. Er weiß also, wie man auf einer der spektakulärsten Strecken der Welt schnell skifährt.  

"Ich habe mir damals gesagt: Entweder du bist im Ziel vorne oder du liegst irgendwo draußen. Da wollte ich es einfach zerstören. Das brauchst du, du musst auf Teufel komm raus riskieren." 98 Prozent zu geben sei auf der Streif schon zu wenig.  

Geschlagen wurde Kriechmayr 2020 nur von Matthias Mayer. Der Kärtner ist der bislang letzte Österreicher, der für einen heimischen Abfahrtssieg in Kitzbühel gesorgt hat.

Kriechmayr würdigt Mayer: "Er hat uns alle besser gemacht"

Mit Mayers überraschendem Rücktritt hat Kriechmayr mitten in der Saison nicht nur seinen Team- und Markenkollegen sowie Freund verloren, sondern auch jenen Rennläufer, von dem er "am meisten gelernt" hat.

"Er hat uns alle besser gemacht, vor allem mich", sagt der Oberösterreicher etwas wehmütig.

Kriechmayr erklärt, er habe zuletzt viel darüber nachgedacht, was er von Mayer gelernt hat. "Was darf ich ja nicht vergessen? Wie geht ein Athlet, der so viel gewonnen hat, an die Sache heran, im Training, im Rennen? Er war immer einer, der eine eigene Linie gefahren ist aufgrund seiner Skitechnik. Er hat einfach gewusst, wann ist zum Andrücken, wann ist zum Rausnehmen."

Mayer sei einfach da gewesen, wenn es um etwas gegangen ist. "Da hat er abgeliefert. Er ist am Vortag in die Sauna gegangen und ich habe trainiert. Wir haben beide geschwitzt und am nächsten Tag hat er mich aufpaniert", erinnert sich Kriechmayr mit einem Grinsen an die eine oder andere Anekdote.

Mayer hat schon eine Nachricht geschickt

"Mothl", wie Mayer im ÖSV-Team genannt wird, ist noch Mitglied der WhatsApp-Gruppe von Österreichs Speed-Fahrern und hat sich da seit dem Karriereende am 29. Dezember in Bormio auch schon zu Wort gemeldet. Eine Abschiedsfeier steht laut Kriechmayr auch noch aus.

In der Außenwirkung ist der Oberösterreicher, derzeit der einzige Siegfahrer im ÖSV-Männerteam, nun in der Leader-Rolle. Er selbst sieht sich nicht darin: "So was wie einen Leitwolf gibt es bei uns nicht", wiegelt der 31-Jährige ab.

Dass die Jungen aufgrund seiner Leistungen Respekt vor ihm haben, glaubt er hingegen schon. "Aber das ist keine Ehrfurcht. Wir sind eine gute Truppe, haben ein super Teamgefüge, der Schmäh rennt. Wir ziehen die Jungen auf, die Jungen ziehen uns auf."

Kriechmayr selbst steht den weniger erfahreneren Läufern, die aktuell im dezimierten ÖSV-Abfahrtsteam herangeführt werden, gerne mit Rat und Tat zur Seite. So wie er es damals erlebt hat, als er in den Weltcup kam.

"Du kannst die besten Trainer haben, und wir haben hervorragende, aber am meisten lernt man von den Teamkollegen und herausragenden Athleten", weiß Kriechmayr. "Mothl war auch so einer, der nicht gezögert hat. Hat man früher von Rivalitäten geredet, so war das bei uns nicht der Fall. Jeder hat Sachen weitergegeben. Keiner hatte Geheimnisse."

Das einzige Geheimnis, das es für Kriechmayr an diesem Wochenende zu lüften gilt, ist wie man die Abfahrt auf der Streif gewinnt.

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