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ÖSV-Abfahrts-Coach: "Als Touristen wollen wir nicht auftreten"

Neuer Trainer, alte Sehnsucht: Mit Andreas Evers sollen die Abfahrts-Erfolge nach Österreich zurückkehren. Der frühere Maier-Coach fordert Siegermentalität - und macht Hoffnung.

ÖSV-Abfahrts-Coach: "Als Touristen wollen wir nicht auftreten" Foto: © GEPA

Er ist zurück – und mit ihm ein großer Anspruch. Andreas Evers übernimmt die Verantwortung für ein Team, das den Anschluss verloren hat. Sein Ziel für die Olympia-Saison ist so simpel wie unerbittlich: wieder gewinnen.

Am Donnerstag beginnt mit dem Super-G in Copper Mountain (19 Uhr im LIVE-Ticker) die Speed-Saison. Die ersten zwei Abfahrten wären in der kommenden Woche in Beaver Creek geplant, wackeln aber gewaltig.

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Nachdem sich der langjährige Coach Sepp Brunner mit Ende des vergangenen Winters in die wohlverdiente Pension verabschiedet hat, hat Andreas Evers das Ruder bei Österreichs Speed-Männern übernommen.

Der gebürtige Flachauer war bereits von 1999 bis 2012 in verschiedenen Funktionen bei den ÖSV-Männern tätig – unter anderem coachte er Hermann Maier und Benni Raich. Im Anschluss trainierte Evers das Abfahrtsteam der USA rund um Bode Miller. Darauf folgten Stationen in Liechtenstein, der Schweiz – unter ihm gewann Beat Feuz zwei Mal die Abfahrts-Kugel – und beim Deutschen Skiverband. 

Zurück in Österreich, wartet auf Evers eine große Aufgabe: Er soll die ÖSV-Männer wieder zurück an die absolute Weltspitze führen.

"Wir wollen wieder gewinnen. Das ist das Ziel und der Anspruch, den wir in Österreich haben müssen."

ÖSV-Speed-Trainer Andreas Evers

Von den Erfolgen vergangener Tage kann das rot-weiß-rote Speed-Team nur mehr träumen, eine Abfahrts-Nation ist Österreich längst nicht mehr. Diesen Titel hat uns die Schweiz mit ihren Odermatts und von Allmens erfolgreich abgeluchst.

Genau diese Tatsache hat Evers dazu veranlasst, zum ÖSV zurückzukehren.

"Wir wollen wieder gewinnen. Das ist das Ziel und der Anspruch, den wir in Österreich haben müssen", stellt der 57-Jährige klar.

Er habe den Eindruck, dass die Leidenschaft für den Abfahrtssport hierzulande etwas abgeflacht ist. "In den letzten sechs, sieben Jahrzehnten war die Abfahrt mitunter das Wichtigste. Das ist ein Nationalsport, wir müssen schauen, dass wir da gut sind."

"Es ist nicht alles schlecht"

Von "gut" war Ski Austria in der Abfahrt im vergangenen Winter weit entfernt. Während die Eidgenossen in der vergangenen Saison in sechs von acht Weltcup-Abfahrten den Sieger stellten (davon 4 Doppelsiege und 2 Dreifachsiege) und mit Franjo von Allmen auch den Weltmeister, schaffte es Österreich erstmals in keiner einzigen Abfahrt aufs Podest. Darüber tröstete zumindest die WM-Silberne von Vincent Kriechmayr in Saalbach hinweg.

Im Super-G liest sich die Ausbeute des vergangenen Winters schon besser: Kriechmayr, Vize-Weltmeister Raphael Haaser und Lukas Feurstein sorgten für insgesamt sechs Podestplätze, darunter der einzige Sieg von Feurstein beim Saison-Finale in Sun Valley.

"Es ist nicht so, dass alles so schlecht ist, es haben einfach Siege gefehlt", sagt Evers, gibt aber auch zu: "Die Abfahrt war letzte Saison sicherlich wirklich nicht gut. Aber im Super-G waren durchaus Erfolge da."

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Andreas Evers sieht Potenzial im ÖSV-Abfahrts-Team

Aber woran hakt es in der Abfahrt, der Königsdisziplin des alpinen Skisports?

Das leidige Thema

Die Probleme sind mannigfaltig. Seit Jahren augenscheinlich ist der Aufholbedarf der heimischen Abfahrer in langgezogenen Gleitkurven (als "leidiges Thema" bezeichnet es ein Trainer), vor allem hier soll unter Evers eine Steigerung her.

Seit dem Rücktritt von Matthias Mayer hat der ÖSV mit Kriechmayr lediglich einen Siegfahrer in seinen Reihen. Marco Schwarz, der ebenfalls das Potenzial zum Siegläufer hätte, verletzte sich just in seiner bis dato stärksten Speed-Saison schwer und lässt die Abfahrt in diesem Winter noch aus.

"Gut Skifahren können viele, aber zum Siegfahrer braucht es im Kopf das letzte Eitzerl. Das sind dann nochmal spezielle Typen", weiß Evers. Von denen er aber glaubt, dass es sie im ÖSV-Team gibt.

"Der Vinc hat natürlich in den letzten Jahren viel abgedeckt. Aber es sind auf jeden Fall gute Leute dabei, die jetzt so Mitte 20 sind, die das Potenzial dazu haben", meint der Coach, ohne jedoch Namen nennen zu wollen. Stefan Eichberger ist sicherlich einer davon.

"Da muss es nur einmal 'Klick' machen, dann kann es schon mal dahin gehen", glaubt Evers.

"Wenn wir schon von vorneherein sagen, dass wir zufrieden sind, wenn wir Vierter oder Fünfter werden, dann ist irgendwas nicht richtig."

Andreas Evers fordert die richtige Einstellung

Fundamental sei jedenfalls die richtige Einstellung, der Glaube an die eigenen Fähigkeiten. "Wir müssen das Vertrauen haben, dass wir gut sind und nicht darauf schauen, was die anderen machen. Wenn wir schon von vorneherein sagen, dass wir zufrieden sind, wenn wir Vierter oder Fünfter werden, dann ist irgendwas nicht richtig", stellt Evers klar.

Es müsse jeder Athlet die Überzeugung haben, gewinnen zu können. "Das muss auch der Anspruch von jedem Österreicher sein. Weil als Touristen wollen wir eigentlich nicht auftreten."

Kommt der Erfolg schnell wieder zurück?

Evers steckt die Ziele hoch, hält Siege, Kristallkugeln und Olympia-Medaillen in diesem Winter für möglich.

Der erfahrene Trainer glaubt daran, dass sich die Erfolge bei den ÖSV-Abfahrern schnell wieder einstellen können.

"Ich habe schon die Überzeugung, dass wir das schaffen können. Im Skisport gibt es so viele Faktoren, die eine Rolle spielen. Aber am Ende haben die Athleten keine Gaspedale oder Lenkräder, sondern sie müssen jede Faser ihres Körpers einsetzen, um das Gerät nach unten zu bringen. Der Athlet muss selbst performen, das ist das Schöne am Skisport."

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