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ÖEHV-Team: Ist der Klassenerhalt das einzig Positive?

LAOLA1-Experte Bernd Freimüller analysiert die WM-Auftritte Österreichs. Die Unterschiede zum Vorjahr und die größte Baustelle:

ÖEHV-Team: Ist der Klassenerhalt das einzig Positive? Foto: © GEPA

Ein Thriller mit einem Happy End: Österreich bleibt in der A-Gruppe der Eishockey-WM.

Gegen die Ereignisse des Montagabends, als gegen Ungarn schließlich ein Shootout über den Klassenerhalt entschied, kamen die hauchdünnen Ergebnisse der SPÖ-Mitgliederbefragung am selben Tag einem Erdrutschsieg gleich.

Lukas Haudum brauchte nicht mehr anzutreten, nachdem Dominique Heinrich bereits alles klar gemacht hatte und Bernhard Starkbaum am anderen Ende des Eises zur Festung wurde: Der Verbleib des ÖEHV-Teams unter den Top-16/18 der Welt (Unschärfen durch die Ausschlüsse von Belarus und Russland eingepreist) war erledigt, ohne bei diesem Turnier je in Führung gelegen zu sein!

Sicher mit einer Portion Glück, was sich aber mit dem Abstieg in Bratislava (ebenfalls im Shootout) ausglich.

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Der größte Unterschied zum Vorjahr

Das Endspieldrama bis zur "gewinnbringenden Schüsseprozedur", wie ein Wiener Hallensprecher das IIHF-Idiom einst neckisch weitergab, zeichnete sich schon während des ganzen Turniers mit der Unausweichlichkeit einer griechischen Tragödie ab. Die Leistungen waren sicher weit besser als in Bratislava, für mich allerdings etwas unter dem Turnier von Tampere im Vorjahr.

Wie so oft gelangen solide Leistungen gegen die Favoriten (vor allem gegen Finnland), ohne Punktegewinne allerdings und daher auch der größte Unterschied zum Vorjahr (damals drei Punkte gegen die USA und Tschechien). Drei Gruppengegner wären heuer mit ihren Leistungen in Reichweite gewesen: Frankreich (1:2 n.V.) erwartungsgemäß, Dänemark (2:6) und Deutschland (2:4) ebenfalls.

Nur: Diese Spiele gehen mit schöner Regelmäßigkeit verloren, was dann für entsprechende Enttäuschung sorgt. Man kann über die Wortwahl ("Realitätsverweigerung") von TV-Pundit Peter Znehnalik bei Baders Bewertung dieser Spiele sicher diskutieren ("Unter der Gürtellinie": Bader kritisiert ORF-Experten), doch WMs sind wie lokale Ligen Ereignis-Events ohne Preisrichterwertungen.

Genauso wie Österreich gegen Italien, Großbritannien und Ungarn "Best-of-seven"-Serien gewinnen würde, würden sie solche gegen Deutschland oder Dänemark verlieren. Nur: Wenn dann schon Spiel 3 oder 4 (wenn auch bei WMs über Jahre und nicht Tage gerechnet) in Folge verloren gehen, ist die Frage "Verdient oder nicht" nebensächlich und führt öfters zu blanken Nerven unter Fans, Journalisten und Mischformen dieser Kategorien.

Machte das ÖEHV-Team Schritte nach vorne?

Wie sehr ein Spiel eine WM in die richtigen oder falschen Bahnen lenken kann, zeigte das Auftaktspiel. Gegen Frankreich fand Österreich erst sehr spät ins Turnier, dumme bzw. unglückliche Strafen sorgten für die Niederlage. Die Franzosen holten daraufhin gegen Dänemark und Ungarn in Eichhörnchen-Manier zwei weitere Punkte, konnten sich dadurch etwa leisten, im weiteren Turnierverlauf öfters hergefotzt zu werden, während Österreich und Ungarn auf ein Entscheidungsspiel zusteuerten.

Machte das ÖEHV-Team heuer also Schritte nach vorne? Resultatsmäßig sicher nicht, drei Punkte mussten für den Klassenerhalt reichen. Ist der Klassenerhalt das einzige Positive? Auch das wieder nicht – bei den beiden letzten WMs feierten 19 Cracks ihr WM-Debüt. Einen solchen Umbruch hatten weder Frankreich, Dänemark oder Deutschland zu bewältigen, vor allem in der Defensive mussten sich Leute wie Thimo Nickl, Kilian Zündel, David Maier oder Ausnahme-Talent David Reinbacher gegen weit ältere Cracks bewähren, was nicht ohne Leistungsdellen abgehen kann.

Der Umbruch im Team geht wegen stärkerer Jahrgänge (2000/01, 2004) rapide über die Bühne. Wieder zum Vergleich: Dänemark oder Deutschland hinken im Vergleich zu Top-Nationen im Talentepool hinterher, gleichzeitig bringen sie über ein Jahrzehnt bis 15 Jahre (ein solcher Zeitraum gilt für die Zusammensetzung eines Nationalteams) mehr Nachschub hervor als Österreich.

Für Frankreich oder Norwegen gilt das nicht unbedingt (Norwegen allerdings jetzt mit zwei starken Jahrgängen), für die eigentlichen B-Nationen bzw. Fahrstuhlteams wie Großbritannien, Ungarn oder Italien sowieso nicht. Kasachstan – ebenfalls im unteren Drittel einer A-Gruppe klassiert – ist ein eigener Fall, verlor durch Gesetzesänderungen jetzt fast alle wichtigen Doppelstaatsbürger der letzten Jahre.

Torhüterposition bleibt die größte Baustelle

Die stärkeren Jahrgänge mit den potenziellen Spielträgern Marco Rossi, Marco Kasper und David Reinbacher geben sicher Grund zur Hoffnung, die Torhüterposition bleibt aber die größte Baustelle, wie auch Bader nach dem Ungarn-Spiel wieder einmahnte. Starkbaum – sein OT-Save gegen Sofron sicherte den Klassenerhalt – befindet sich in der Zielgeraden seiner Karriere, Kickert (verlor seine Einser-Position im Laufe des Turniers) und Madlener sind auch schon um die 30 und Backups in ihren Klubs.

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Wenn da nicht ein Riesentalent (wer?) aus dem Windschatten kommt bzw. einstige hoffnungsvolle U20-Goalies mit körperlichen Nachteilen (Ali Schmidt) bzw. steckengebliebenen Karrieren (Sebastian Wraneschitz) in Schwung geraten, sieht die Zukunft grimmig aus. Wie bei Henrik Neubauer (rotierte in und aus dem Lineup) wird sich auf dieser Position Bader wohl vermehrt in der AlpsHL umschauen müssen.

Man kann darüber diskutieren, ob die Nominierung von Philipp Wimmer (musste mehr und mehr im Lineup versteckt werden) wirklich eine gute Idee war. Nur: Er war der neunte Defender, was kein Turnier entscheidet. Die Schlüsselposition im Kasten – und da ist die Auswahl eben schon vorgegeben – dagegen sehr wohl und ohne schlechte Gegentore ging hier kaum ein ÖEHV-Spiel über die Bühne...

Wie geht es weiter?

Schon in den nächsten Tagen sollten die Rohfassungen der Gruppen für die nächste WM aufgrund der Weltrangliste feststehen. Polen (bereits fix 16. in der Setzliste) wird in Ostrava spielen, wo auch nach Möglichkeit die Slowakei ihr Zuhause finden soll. Gastgeber Tschechien spielt natürlich in Prag.

Ein Wechsel in der Setzliste geht ohne Probleme, zwei brauchen dann die Zustimmung aller 16 Teilnehmer. Neben Polen stieg auch Großbritannien auf, eines dieser beiden Teams trifft fix auf Österreich.

Ein abermaliges Abstiegsendspiel würde selbst aus heutiger Sicht nicht überraschen...


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