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Was 1:9 für "Wochenende der Wahrheit" bedeutet

Bemühung, das Debakel als wichtige Lehrstunde abzuhaken - aber jetzt gilt es.

Was 1:9 für Foto: © GEPA

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Dass es sich bei dem Spiel gegen Schweden um eine jener Partien der Eishockey-WM handeln würde, bei denen es für das ÖEHV-Nationalteam nur darum geht, sich achtbar zu schlagen - das war immer klar.

Trotzdem wurde den rot-weiß-roten Fans in Bratislava nach wenigen Minuten Angst und Bange, denn der Weltmeister machte keine Gefangenen. 7:32 Minuten gespielt, die Anzeigetafel zeigte ein 0:4. Jeder Schuss ein Treffer.

Der Klassen-Unterschied zwischen den Mannschaften auf gnadenlose Weise zur Schau gestellt, Roger Baders Mantra von Österreich als A-Nation, die nach einem Jahr noch gar keine sein kann, auf dem Eis manifestiert.

Das erste Drittel sollte in seinem gnadenlosen Tempo aber nicht stellvertretend für die gesamten 60 Minuten stehen, etwas Anpassung des ÖEHV-Teams und etwas mehr Nachsicht der "Tre Kronor" ließen am Ende ein 1:9 stehen. Kein schmeichelhaftes, aber ebenso kein gänzlich unerwartetes Ergebnis.

So blieben auch die Reaktionen von Spielern und Teamchef nüchtern-einordnend, ein klein wenig ehrfürchtig, aber vor allem: Nicht besorgt.

Kurze Angst vor der historischen Pleite

"Das ist ein absolut normales Spiel und eine absolut normale Niederlage gegen diese Mannschaft, auch wenn man von mir gerne etwas anderes hören würde", blieb Bader trocken.

"Der Gegner ist zwei Klassen besser, nicht nur eine. Jeder einzelne Spieler auf der Gegenseite spielt in den Top-Blöcken in der NHL, zwei sind sogar Kapitäne ihrer Mannschaft. So etwas haben wir nicht anzubieten und dafür brauchen wir uns auch nicht zu genieren", so der Schweizer.

Freilich sei das Tempo der Schweden zu Beginn erdrückend gewesen, aber der ÖEHV-Teamchef war sich sicher: "Sie hätten die ersten zehn Minuten etwas gemütlicher angehen können, dann wären die Tore eben am Ende gekommen."

Österreich musste sich im ersten Drittel mit Händen und Füßen wehren, die erste Sirene war eine Erlösung, bei der im Nachhinein klar war: Das Schlimmste ist überstanden.

Und auch der Teamchef musste trotz seiner Nüchternheit zugeben: "Wenn es nach ein paar Minuten 0:5 steht, hofft man schon, dass die anderen aufhören und es nicht historisch wird."

"Habe Schweden nicht gesagt, sie sollen aufhören"

Im Gegensatz zum Bild der ersten drei Partien, als auf 40 gute Minuten stets ein schlechteres Schlussdrittel folgte, waren es diesmal die Anfangsminuten, die bitter wurden. Vorzug einer weltmeisterlichen Mannschaft sei es auch, von Anfang an volles Tempo gehen zu können.

"Fehler passieren aus der Überforderung. Wenn man sich beeilen muss. Wenn man statt zwei Sekunden zu überlegen nur eine halbe Sekunde hat, weil der Gegner schon da ist."

Bader über eine Ursache des 1:9

Ob Bader in der ersten Drittelpause in der Kabine lauter wurde? Überhaupt nicht, beteuerten die Spieler, und der Teamchef erklärte auch, wieso: "Es ist nicht so, dass man den Jungs sagen muss, sie sollen das annehmen, das wissen sie schon."

Was er stattdessen gesagt habe? "Ich bin nicht zu Schweden rüber und hab gesagt, sie sollen aufhören. Ich habe meiner Mannschaft gesagt, wir hätten keine andere Wahl, als zu versuchen, das Tempo zu adaptieren."

Und mit Fortdauer des Spiels wurde das Tempo der Schweden auch besser angenommen, ohne sich jemals weniger als zwei Klassen daran anzunähern.

Wenn eine halbe Sekunde nicht reicht

Den primären Zweck als Lern-Spiel für die ÖEHV-Cracks sah Bader letztlich gut erfüllt, auch durch die Gegentore: "Fehler passieren aus der Überforderung. Wenn man sich beeilen muss. Wenn man statt zwei Sekunden zu überlegen nur eine halbe Sekunde hat, weil der Gegner schon da ist, und dieser Gegner auch kräftiger und schneller ist, die Scheibe gut ablegt... Sie haben das von Anfang an reingebracht, da müssen wir uns nicht schämen."

Das habe sich auch im Abschluss-Verhalten gezeigt, denn ein, zwei Chancen auf mehr Ehrentreffer hätte Österreich schon vorgefunden: "Es ist nicht so, dass unsere Stürmer nicht gerne aufs Tor schießen. Aber bei Schweden ist jedes Zwei-gegen-Einen immer eine top Torchance, bei uns nicht einmal ein Schuss, wenn sie es nicht wollen, weil die Zeit nicht da ist, die richtige Entscheidung zu fällen. Das ist etwas, was man nur in Spielen gegen solche Gegner lernen und dann verbessern kann."

Österreich würde als Nummer 17 der Weltrangliste noch viele Jahre brauchen, um solche Teams überhaupt fordern zu können - und das ist völlig normal.

Der bedeutende Unterschied zu Russland

Gutes Abschluss-Verhalten zeigte Michael Raffl, als er nach rund 48 Minuten den Ehrentreffer zum späteren Endstand mit einem Backhander unter die Latte - nach schöner Vorarbeit von Fabio Hofer - besorgte. Beim NHL-Legionär loderte der Ehrgeiz trotz des mit dem Teamchef geteilten Realismus durch.

"Weißt du, wie du mit einem 0:5 in der Kabine sitzt? Da lässt du mal alles hängen, das ist kein schönes Gefühl im Sport. Ich hasse es vielleicht mehr als jeder andere, zu verlieren, das tut wirklich weh", bekräftigte der Flügelstürmer, der auch meinte: "Wenn du nach Sekunden gegen so eine Mannschaft ein Gegentor bekommst, ziehst du dich vielleicht mehr zurück, als du es solltest."

Das sei der große Unterschied, etwa zu dem Spiel gegen Russland gewesen, als sich das ÖEHV-Team trotz 0:5 insgesamt achtbar schlug: "Wenn du nach sechs Minuten 0:3 hinten bist, ist ein ganz anderes Feeling da, als wenn du das Gefühl hast, sie könnten nervös werden."

Letzten Endes habe die Mannschaft Moral bewiesen ("sonst kann das ganz anders ausschauen auch") und für seine Mitspieler, die das NHL-Tempo nicht kennen, sei es die wertvolle Lehrstunde gewesen: "Sehr viele Spieler, die in der Liga eine kleine Rolle spielen, haben die Chance bekommen, gegen solche Spieler zu spielen. Für das, was wir haben, war das teilweise eine unglaubliche Partie von ihnen, da brauchen wir uns nicht genieren."

Ein 1:9 - einfach weggewischt?

Die wichtigste Frage: Was bedeutet so ein Ergebnis, exakt 24 Stunden vor der ersten Schlüsselpartie gegen Norwegen? Raffls Antwort: "Überhaupt kein Problem."

"Frankreich macht seit Jahren nichts anderes, als sich auf die Schlüsselspiele zu konzentrieren. Alle anderen lassen sie fahren."

Bader über Bedeutung bisheriger Spiele

Schon vor dem Schweden-Spiel wurde besprochen, dass die "Tre Kronor" nicht der Gegner sein wird, auf den es ankommt: "Wer anders denkt, der denkt nicht klar."

"Fehler, die wir gemacht haben, gehören besprochen, die werden auch gegen Norwegen bestraft, die müssen wir abstellen" - psychologischen Knacks würde das 1:9 aber keinen hinterlassen, so Raffl.

Im Gegenteil: Vielleicht lasse sich das enorme Tempo in einer Form sogar in die entscheidenden Spiele mitnehmen, jetzt, wo man sich daran gewöhnt habe.

Ab jetzt ist die Wurschtigkeit passé

Auch die Tatsache, dass Österreich nach vier Spielen ohne Punkte dasteht, ist laut Teamchef Bader weder überraschend noch besorgniserregend, diese Möglichkeit war vor dem Turnier angesichts des Spielplans klar.

So würde am Freitag gegen Norwegen (ab 16:15 Uhr im LIVE-Ticker) quasi ein neues WM-Turnier für das ÖEHV-Team beginnen. Eines, bei dem es nun wirklich um alles geht.

"Frankreich macht seit Jahren nichts anderes, als sich auf die Schlüsselspiele zu konzentrieren. Alle anderen lassen sie fahren", erinnerte Bader.

Und was für die Franzosen immer funktioniert, soll auch für Österreich den erneuten Klassenerhalt in den nächsten vier Tagen besorgen. Den Beweis gilt es, ab jetzt anzutreten.

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