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Roger Bader: "Der Klassenerhalt ist immer noch ein Erfolg"

Der Schweizer geht in seine sechste A-WM als ÖEHV-Teamchef. Im Interview ruft Bader zur Demut auf - und betont: "Ich stehe dafür, dass wir Dinge anders machen."

Roger Bader: Foto: © GEPA

Roger Bader erreicht bei der Eishockey-Weltmeisterschaft 2025 in Stockholm einen Meilenstein.

Der Schweizer steht in der Top-Division zum sechsten Mal als Österreichs Teamchef an der Bande und stellt damit einen neuen Rekord in der heimischen Verbandsgeschichte auf.

Hans Weinberger (1931, 1933-1935, 1938) und Ron Kennedy (1998-2002) führten das ÖEHV-Team je fünfmal zu einer A-WM.

Der 60-Jährige werkt seit 2014 im ÖEHV, drei Jahre später wurde Bader zum Head Coach des Nationalteams ernannt. Unter seiner Führung wurde bei der A-WM 2018 in Kopenhagen nach 14 Jahren erstmals wieder die Klasse gehalten.

Ab Freitag nimmt der Winterthurer mit Österreich zum vierten Mal in Folge an der Endrunde der Top-Division teil, das vorrangige Ziel ist wieder der Klassenerhalt.

Vor dem Turnierstart spricht Bader mit LAOLA1 in Stockholm über die Erwartungshaltung, die Entwicklung des Nationalteams und die Medienberichte der letzten Wochen.

LAOLA1: Österreich startet am Freitag mit dem Spiel gegen Finnland in die Weltmeisterschaft, im letzten Jahr gab es in Prag einen historischen 3:2-Sieg. Mit welcher Erwartungshaltung gehen Sie in diese Partie?

Bader: Wir freuen uns riesig, dass es endlich losgeht - schlussendlich will man performen, freut sich auf den Wettkampf. Finnland ist eine der Top-Mannschaften, da braucht man sich nichts vormachen, nur weil wir sie letztes Jahr geschlagen haben. Das ist eine Mannschaft, die jedes Jahr um Medaillen spielt. Das ist auch gut so - dann wissen wir gleich, dass die WM beginnt, wenn wir gegen einen starken Gegner anfangen.

Österreichs Jubel nach dem 3:2-Sieg über Finnland in Prag
Foto: © GEPA

LAOLA1: Sie haben am Donnerstagvormittag beim Training der Finnen kurz zugesehen. Welche Eindrücke konnten Sie dort noch sammeln?

Bader: In der heutigen Zeit, wo man alle Videos und Analyse-Tools hat, kann der Gegner nicht überraschen. Ich gehe davon aus, dass Finnland alles über uns weiß, und wir alles über sie. Da ging es eher darum, ein Gespür dafür zu bekommen, wie die Mannschaft ausschaut.

LAOLA1: Kann es ein Vorteil sein, bei einer WM mit Spielen gegen die Top-Nationen reinzustarten - oder ist es, umgangssprachlich formuliert, wurscht?

Bader: Es ist in dem Sinn wurscht, weil man es ohnehin nicht beeinflussen kann. Man kennt die Gruppeneinteilung seit der Woche nach der letzten WM, kurz darauf war auch der Spielplan schnell bekannt. Von dem Moment weiß man, dass es so ist und stellt sich darauf ein. Für mich ist es in Ordnung, dass wir mit einem starken Gegner anfangen.

LAOLA1: Sie haben sich das letzte Testspiel gegen Kanada (1:5, Anm.) nochmal zu Gemüte geführt. Gab es, abgesehen von den Scheibenverlusten, noch weitere Erkenntnisse, die sie dabei entdeckt haben?

Bader: Je stärker der Gegner ist, desto weniger Raum und Zeit haben wir - und umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Fehler passieren können. Man muss ein gutes Puckmanagement haben, das vertikale Eishockey umsetzen und in der Defensive gut organisiert sein. Wir haben auch die Situation angesprochen, wenn der Puck hinter unserem Tor ist und in den Slot kommt. So haben wir gegen Kanada zwei Tore kassiert. Es ist gut, solche Tore in der Vorbereitung zu bekommen, um diese Situationen anzusprechen und daran zu arbeiten.

"Ich bin begeistert, wir haben eine gute Mannschaft für österreichische Verhältnisse."

Teamchef Roger Bader

LAOLA1: Nach dem Kanada-Test gab es den letzten Cut, 25 Spieler haben den Sprung ins WM-Aufgebot geschafft. Wie zufrieden sind Sie mit der Balance des Kaders?

Bader: Ich bin begeistert, wir haben eine gute Mannschaft für österreichische Verhältnisse. Wir haben eine gute Mischung zwischen Spielern, die im Playmaking- und Scoring-Bereich Stärken haben und jenen mit Vorzügen im physischen bzw. athletischen Bereich. Auch die Mischung zwischen routinierten Spielern, die schon mehrere Weltmeisterschaften absolviert haben, und jungen Spielern, die neu sind, den entsprechenden Spirit reinbringen und begeisterungsfähig sind, ist gut. Ich bin sehr happy mit dem Team, das hier auftreten wird.

LAOLA1: Mit Marco Kasper verstärkt auch heuer wieder ein NHL-Spieler das Team. Wie schwierig ist es, ihm den Druck wegzunehmen, den er sich womöglich selbst machen wird?

Bader: Ich kenne Marco als sehr ausgeglichenen Mensch. Ich bin überzeugt, dass er eine große Hilfe für uns sein wird, niemand erwartet von ihm, dass er Spiele alleine entscheidet - das hat auch bei Marco Rossi niemand erwartet, außer vielleicht er selbst. Er wird ein starker Einser-Center sein. Es gibt von uns keinen unnötigen Druck, den er sich nicht selbst auch machen würde. Er will ja selbst gut performen und wird das auch tun. Davon bin ich überzeugt.

LAOLA1: Kasper bildet gemeinsam mit Dominic Zwerger und Peter Schneider die erste Angriffsreihe. Welche Vorzüge bringt diese Linie mit?

Bader: Es hat sich gezeigt, dass sich Zwerger und Schneider immer wieder finden. Das hat man nicht zuletzt im letztjährigen Spiel gegen Kanada gesehen, wo sie zusammen wirklich gezaubert haben. Den richtigen Center zu haben, ist natürlich wichtig. In dieser Linie steckt viel Offensivpotenzial, auf der anderen Seite wissen sie auch, dass wir in vielen Spielen Außenseiter sind - sie werden auch nur dann gut spielen, wenn ihre Defensivarbeit gut ist.

LAOLA1: Bei Marco Rossi war rasch klar, dass er aufgrund seines auslaufenden Vertrags in Minnesota nicht zur WM kommen wird. David Reinbacher hat mit Laval Rocket kürzlich die nächste Runde in den AHL-Playoffs erreicht. Ist seine WM-Teilnahme damit ebenfalls vom Tisch?

Bader: Ja, deshalb ist er auch keinen Gedanken wert. Es bringt überhaupt nichts, über Spieler nachzudenken, die nicht da sind. Natürlich haben wir beobachtet, ob es sein könnte, dass er ausscheidet. Dann hätten wir es vermutlich in Erwägung gezogen. Jetzt hoffe ich, dass er in Laval gut performt und seine nächsten Schritte machen kann. Für diese Mission ist er jedoch kein Thema mehr.

"Ich stehe mit meinem Namen dafür, dass wir gewisse Dinge anders machen. (...) Das ist mein Stil, da kenne ich mich aus und weiß, was richtig und was falsch ist. Trotzdem kann ich den Erfolg nicht garantieren."

Roger Bader

LAOLA1: Sie gehen in ihre sechste A-Weltmeisterschaft als Österreichs Teamchef, so oft führte noch kein Head Coach das ÖEHV-Team in die WM der Top-Division. Wieviel bedeutet Ihnen dieser Fakt?

Bader: Das war mir selbst nicht bewusst, weil es mir nicht so wichtig ist. Trotzdem bin ich stolz auf die Entwicklung, die wir seit 2017 genommen haben. Damals sind wir in Kiew in die Top-Division aufgestiegen. Insbesondere die Entwicklung seit Tampere 2022 ist beeindruckend. Der Mannschaftskern steht, jedes Jahr kommen paar neue Spieler dazu. Ich bin zufrieden mit der Entwicklung, weil man sieht, dass die Arbeit, die ich mit der Nationalmannschaft liefere, Österreich auf ein Niveau gebracht hat, das international ebenfalls anerkannt wird. Nichtsdestotrotz wissen die Coaches, die Mannschaft und ich selbst, dass wir dem Kampf um den Klassenerhalt nach wie vor viel näher sind als dem Kampf ums Viertelfinale. Wir müssen demütig sein, den Klassenerhalt schaffen - und uns dann erst neuen Zielen widmen.

LAOLA1: Worin liegt der Schlüssel für die Entwicklung der letzten Jahre?

Bader: Ich habe, wie jeder Mensch, meine Stärken und Schwächen. Doch ich glaube, mich bei Nationalteams auszukennen. Ich war 13 Jahre im Mitarbeiterstab von Ralph Krueger in der Schweiz, habe die U18-Nationalmannschaft zu drei Weltmeisterschaften geführt und in sehr vielen Länderspielen gecoacht. Ich konnte damals viel von Ralph Krueger lernen. Als ich hier das Teamchef-Amt 2017 übernommen habe, habe ich vieles geändert. Ich stehe mit meinem Namen dafür, dass wir gewisse Dinge anders machen - etwa die fünf Vorbereitungscamps, das Off-Ice-Training oder die Intensität des Trainings. Das ist mein Stil, da kenne ich mich aus und weiß, was richtig und was falsch ist. Trotzdem kann ich den Erfolg nicht garantieren. Aber ich glaube zu wissen, was es braucht, um eine Nationalmannschaft nach vorne zu bringen.

Am Eis jubelt Peter Schneider, auf der Bank reißt Roger Bader die Hände in die Höhe
Foto: © GEPA

LAOLA1: Wie nah gehen Ihnen dann diverse Medienberichte, die es im Laufe der letzten Wochen gegeben hat? Es war von einem Spieler-Boykott oder schlechter Stimmung Ihnen gegenüber die Rede.

Bader: Ein paar Monate nach der besten Weltmeisterschaft seit über 20 Jahren, worüber man sich wirklich darüber freuen sollte, solche Berichte zu lesen, habe ich nicht erwartet. Ich weiß als Teamchef natürlich, dass man immer im Fokus steht und nie von allen geliebt wird. Doch die Performance in den letzten drei Jahren war so gut, dass wir schon Kredit verdienen. Im Ausland werden wir extrem gelobt, deshalb hat es mich sehr gewundert - zumal viele Aussagen total falsch waren. Irgendwann kam der Punkt, wo ich es auf die Seite legen musste, weil ich mich auf das Team und die WM konzentrieren musste. Ich habe durchaus überlegt, was der Hintergrund sein könnte, warum so etwas passiert. Wir waren erfolgreich, und sind es hoffentlich weiter. Doch die Konzentration galt schnell wieder der Sache. Wir wollen die Antwort auf dem Eis geben.

LAOLA1: Abschließend: Wann verbuchen Sie diese Weltmeisterschaft als erfolgreich? Lässt sich dies alleine am Klassenerhalt festmachen?

Bader: Es ist immer noch ein Erfolg, wenn wir den Klassenerhalt schaffen. Wir dürfen nicht die Demut verlieren und denken, dass der Klassenerhalt alleine nichts Besonderes ist. Das stimmt nicht! Wenn wir mehr als den Klassenerhalt erreichen, beispielsweise wie im letzten Jahr, ist die WM sehr erfolgreich - und überaus erfolgreich, wenn wir noch mehr als in Prag erreichen. Aber ich möchte wirklich davor warnen, dass der Klassenerhalt nicht geschätzt wird. Wir sollten nicht vergessen, wo wir herkommen. Wir sollten nicht vergessen, dass wir gegen Frankreich in den letzten Jahren immer große Mühe hatten, auch Slowenien ist eine Nation, an der man seit Sotchi 2014 weiß, dass Österreich sich oft die Zähne ausbeißt. Der Klassenerhalt steht über allem - und alles Weitere nehmen wir gerne an.


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