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Punkteschnitt in der ICE: DIE richtige Lösung?

Kompliziert und vor allem kontrovers - neue Punkteregel deckt erneut Lücken auf:

Punkteschnitt in der ICE: DIE richtige Lösung? Foto: © GEPA

Die bet-at-home ICE Hockey League hat sich diese Woche ein neues Tabellenbild verordnet: Ab sofort gilt der Punkteschnitt/-quotient statt der absoluten Punkte. LAOLA1-Scout Bernd Freimüller blickt auf die Gründe dafür sowie die Vor- und Nachteile des Systems:

Die letzten Tage

Nach den tragischen Todesfällen von Boris Sadecky und Dusan Pasek jr. war bald klar: Die Bratislava Capitals ziehen sich vom Spielbetrieb zurück. Dass die Ligaleitung hier keinen Einwand erheben würde, lag auf der Hand, es ging nur um die korrekte Abwicklung.

Wenig überraschend: Im 248-seitigen Gamebook der Liga findet sich kein einziges Wort zu einem Ausscheiden eines Teams während der Saison, lediglich eine Disqualifikation wurde diskutiert. Eine Liga, die finanzielle Leichen wie Jesenice oder Ljubljana mit Mühe und Not über die Ziellinie rettete oder das mit einer Rumpftruppe angetretene Zagreb von der Hoffnungsrunde ausgeschlossen hat, hat ein derartiges Szenario für unmöglich gehalten oder schlichtweg darauf vergessen, dies festzuhalten. Und das Argument, dass ein Team nach Ausscheiden nicht so einfach in die Liga zurückkehren könne (was Bratislava jetzt für die nächste Saison plant), war schon im Falle von Znojmo ein Dilemma, das bis heute nicht gelöst wurde.   

Ausländische Ligen haben diese Szenarien (ohne die Gründe für den Ausstieg näher zu benennen) sehr wohl in ihren Regularien festgehalten, der ÖFB natürlich auch – die ICE wurde mit heruntergelassenen Hosen erwischt.

Gerade die Regeln des ÖFB hätten die richtige Handlungsweise hergegeben. Alle bisherigen Spiele des ausgeschiedenen Teams werden gestrichen, außer es hat bereits einmal gegen alle Mannschaften gespielt. Mit anderen Worten: Die gleiche Spielanzahl gegen andere Teams ergibt eine Anerkennung dieser Spiele (es bliebe nur eine leichte Unschärfe wegen Heim- und Auswärtsspielen). Sollte das nicht der Fall sein bzw. weitere Spiele nur gegen einen Teil der Konkurrenz absolviert sein, fallen diese unter den Tisch.

Wäre nur logisch gewesen, aber einige Teams (natürlich nur die, die bereits gegen Bratislava gepunktet hatten), begehrten auf: „Diese Spiele können doch nicht so einfach gestrichen werden.“ Das Problem dabei: Durch den reichlich unebenen Spielplan heuer hatten Ljubljana und Fehervar noch nicht gegen die Capitals gespielt, hatten also gar keine Chance zu punkten.  

Die Lösung

Ab sofort wird auf Punkteschnitt umgestellt, ließ die Liga per Presseaussendung verlautbaren, die absolvierten Spiele gegen Bratislava bleiben in der Wertung.

Die ICE vermanschte damit die Bratislava-Spiele und die wieder aufkommende Corona-Problematik. Denn es ist durchaus nicht unmöglich, dass einige Spiele nicht stattfinden können und die Liga mit Verschiebungen einmal an ihre Grenzen stößt. Mit diesem System soll diese Problematik im Eventualfall gelöst werden, als Beispiel gilt die letzte Saison der DEL mit einem ähnlichen System.

Die DEL verschrieb sich dieses Wertungssystem hingegen vor der Saison, nicht mitten drunter. Die Tabelle kann relativ unübersichtlich werden, allerdings: Bei vielen ausstehenden Spielen wäre das durch die Verlustpunkte nicht anders.

Die Medien, die dieses neue Tabellenbild abbilden müssen, haben natürlich keine Freude damit. Die APA (Austria Presse Agentur), deren Berichte in fast allen Medien übernommen werden, kündigte bereits an, bis auf Weiteres keine Tabellen mehr auszusenden.

Es ist allerdings keine völlig abstruse Lösung, höchstens wenn man sie mit der logischen – dem Streichen der bisherigen Bratislava-Ergebnisse – vergleicht.

Allerdings: Ich war nie gut in Mathe, aber ist es nicht so: Ein Team, das etwa einen von bisher möglichen drei oder sechs Punkten gegen die Capitals gemacht hat, hätte automatisch einen Vorteil gegenüber Ljubljana oder Fehervar, die halt nur auf null Punkte aus null Spielen kommen können. Aber bitte, diese Teams schreien auch nie auf und haben ohnehin kaum eine Lobby in der Liga, auch wenn sie diese in der Tabelle anführen.

Auch pikant: Der „Sonderkommission“, die zu dieser Lösung kamen, gehörten neben Ligapräsidenten Jochen Pildner-Steinburg und Vizepräsidenten Karl Safron auch zwei (unbenannte) Mitglieder der ICE-Rechtskommission an. Diese Rechtskommission ist jener Körper, dessen Erkenntnisse Pildner-Steinburg, wenn sie ihm nicht ins Konzept passen (z. B. seine (Nicht)-Wahl zum Präsidenten oder die Frage der Doppelstaatsbürger), nicht einmal ignoriert. 

Der Punkteschnitt in der Praxis

Am Ende der Saison sollten sich die Bratislava-Ergebnisse ebenso verwaschen wie Schiedsrichter-Entscheidungen oder ähnliche Imponderabilien. Allerdings machte man vielleicht ein neues Fass auf: Um in die Playoffs einzuziehen, müssen laut Presseaussendung 80 % der „angesetzten/geplanten“ (Originaltext) Spiele absolviert sein. 80 % der Spiele bedeutet für Teams, die bereits zweimal gegen Bratislava gespielt haben (Graz, Salzburg, KAC) natürlich etwas anderes als für Ljubljana oder Fehervar. Hat man das auch bedacht? Immerhin: 11 abgesagte Spiele würden für alle diese Teams bereits das Playoff-Aus bedeuten und da könnte eine Unterscheidung zwischen "angesetzt" und "geplant" sehr wohl wieder für Streitigkeiten sorgen.

Der KAC macht mit dem wahrscheinlichen Einzug ins CHL-Viertelfinale der Liga ohnehin schon große Terminprobleme. Das abgesagte Spiel gegen die Vienna Capitals ist noch ohne Termin, das gegen Ljubljana am 7. Dezember fiele dann ebenso flach.

Als Nachtragstermine gibt es nur mehr zwei Wochen mit freien Dienstagterminen (11.1., 18.1.). Die Lindwürmer müssen 42 ihrer 52 Spiele absolvieren, um überhaupt eine Chance für die Playoffs zu haben. Der Teufel schläft nicht – was ist, wenn die Kärntner Landesregierung eine Zeit lang Sportverbot ausspricht und der KAC nicht auf diese Spielanzahl kommt? Kann sich jemand vorstellen, dass die Klagenfurter das so hinnehmen würden und den vielleicht 30 Punkten hinter ihnen liegenden Pustertalern den Vortritt in die Playoffs ließen? 

Die Zeiten sind nicht leicht, weder Corona noch die tragischen Ereignisse in Bratislava sind der Ligaleitung anzulassen. Aber die Überarbeitung ihres äußerst löchrigen Gamebooks (wie von mir bereits einmal angeregt (Die Hintergründe >>>) erfolgt stets nur dann, wenn es bereits brennt…


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