Kommentar

Fleming-Aus in Wien: Ein überfälliger Schritt

Head Coach Gerry Fleming musste nach eineinhalb Jahren bei den Vienna Capitals gehen. Die Trennung war unvermeidbar, wenn das Saisonziel Top 6 im Auge bleiben soll. Die Mannschaft, aber auch Sportchef Christian Dolezal stehen nun in der Pflicht.

Fleming-Aus in Wien: Ein überfälliger Schritt Foto: © GEPA

"Wir sind von den Fähigkeiten der handelnden Personen überzeugt. Dazu vertrauen wir darauf, dass sie die Chance, einen Kader für die kommende Saison so früh wie schon seit vielen Jahren nicht mehr nach ihren Vorstellungen zu formen, nützen werden."

Geschäftsführer Lukas Garhofer war, stellvertretend für die gesamte Organisation, im Jänner noch zuversichtlich, dass es Head Coach Gerry Fleming und seinem Team gelingen würde, die Vienna Capitals wieder in die Playoffs der win2day ICE Hockey League zu führen.

Am Montag trennten sich die Wiener von ihrem 58-jährigen Trainer und machten damit klar: Ihm wird dieser Schritt nicht mehr zugetraut.

Menschlich hervorragend, aber...

Wer die Chance bekommen hat, Gerry Fleming persönlich kennenzulernen, wird sich an ihn als äußerst sympathischen und höflichen Mann erinnern, der große Empathie ausstrahlt und sich in der Kabine ein großes Standing erarbeitet hatte.

"Die Entscheidung, einen Trainertausch durchzuführen, ist uns als Verein aufgrund des bemerkenswert positiven Charakters von Gerry und seiner vorbildlichen Arbeitseinstellung wirklich nicht leichtgefallen", bestätigte Präsident Martin Reiss die menschlichen Vorzüge Flemings.

Aber Eishockey ist Ergebnissport. Und die Resultate sind auch zu Beginn seines zweiten Jahres in der Bundeshauptstadt ausgeblieben. Deshalb ist die Trennung die logische Konsequenz, um nicht sogar zu sagen: Sie war ein überfälliger Schritt.

Mit seinem Latein am Ende

Die Wiener sind mit dem höchsten Budget der Vereinsgeschichte und dem Ziel Top 6 in die Saison gestartet. Nach elf Runden stehen die Schwarz-Gelben mit 13 Punkten auf dem unbefriedigenden zehnten Platz.

test
Konsternierte Blicke auf der Bank der Vienna Capitals
Foto: ©GEPA

Anspruch und Realität waren nicht mehr im Einklang. Deshalb war das 2:3 am vergangenen Freitag gegen den KAC zu viel des Guten. Es war die vierte Niederlage in Folge, bei der auch der Einsatz jedes einzelnen Spielers zu hinterfragen war.

Fleming wirkte danach mit seinem Latein am Ende. Sichtlich frustriert stellte er fest, dass seine Spieler zu wenige Spielzüge machen und sich unnötige Scheibenverluste leisten würden. Hinzu kämen mentale Fehler, die zu Kontern geführt haben.

Die angesprochenen Probleme waren eine Blaupause der insgesamt 30 Niederlagen, welche die Capitals unter ihrem nunmehrigen Ex-Coach einstecken mussten.

Entwicklung ausgeblieben

Die sportliche Entwicklung ist trotz einer am Papier deutlichen Anhebung der Kader-Qualität ausgeblieben.

Im Sommer wollte Fleming großen Wert darauf legen, dass seine Mannschaft nach Scheibeneroberung blitzschnell umschaltet und den Puck "innerhalb von drei bis vier Sekunden" in die Angriffszone bringt. So sollten "weitaus mehr Offensivaktionen" kreiert werden.

Es mag zu einem Teil auch daran liegen, dass er verletzungsbedingt bis zu sechs Angreifer vorgeben musste, aber: Fleming hat über eineinhalb Jahre kein geeignetes taktisches Korsett für sein Team gefunden. Spielerisch glänzten die Capitals nur in den seltensten Fällen.

Viel gravierender waren ohnehin die offensichtlichen Schwächen in der Defensivarbeit, die sich durch Flemings gesamte Amtszeit zogen. Egal ob Zonen- oder Mann-gegen-Mann-Verteidigung: Teils absurde Zuordnungs- und Übergabefehler waren geradezu Usus.

Damit die Konkurrenz nicht weiter davon galoppiert - der Rückstand auf die sechstplatzierten Graz99ers beträgt schon acht Zähler -, musste die Reißleine gezogen werden.

Mannschaft und Sportchef Dolezal in der Pflicht

Nun steht neben der Mannschaft, die in den vier Spielen bis zur Länderspielpause interimistisch von Assistant Coach Fabian Scholz betreut wird, auch Sportchef Christian Dolezal in der Pflicht.

Die Verpflichtung Flemings stellte sich letztendlich als Fehlgriff heraus, seine Taten am Transfermarkt können mit gemischten Gefühlen betrachtet werden, wobei die Rekrutierung von Linden Vey natürlich positiv hervorgehoben werden muss.

Doch es liegt an ihm, im zweiten Versuch einen passenden Head Coach für dieses Team zu finden. Und die nächste Wahl sollte sitzen, denn die Geduld von Präsident Reiss scheint endenwollend zu sein.

"Wir sind mit dem Versprechen angetreten, die Caps jedes Jahr stetig wieder ein Stück weiter nach oben bringen zu wollen."

Capitals-Präsident Martin Reiss

Der Schweizer ist sich zwar sicher, dass "wir mit dem heurigen Kader - wenn auch in einer Liga, die so stark und ausgeglichen ist wie nie zuvor - im Vergleich zum Vorjahr einen weiteren Schritt nach vorne machen können und werden".

Er betont aber auch: "Wir sind mit dem Versprechen angetreten, die Caps jedes Jahr stetig wieder ein Stück weiter nach oben bringen zu wollen."

Und genau das ist bislang nur in Ansätzen gelungen.

Kommentare