Bei den Frauen darf man eine durchaus positive Bilanz ziehen, was ob der durchwachsenen Saison von Lisa Hauser zunächst überraschend klingt. Doch als Team hat man einen großen Schritt nach vorne gemacht.
Lea Rothschopf schaffte den Sprung ins Weltcup-Team und zeigte sich von Beginn weg grundsolide (Sumann: "Jung, unerschrocken"), Ex-Langläuferin Anna Juppe zeigte mit ihrem ersten Top-15-Resultat auf und auch Tamara Steiner konnte sich im Bereich um die Top 30 etablieren. Und dann wäre da natürlich auch noch Ausnahme-Talent Anna Andexer, auf die wir noch gesondert eingehen werden.
Die erfreulichste Entwicklung machte aber natürlich der neue rot-weiß-rote Star am Biathlon-Himmel: Anna Gandler. Der Name Anna bürgt im heimischen Biathlon also nachweislich für Qualität.
Die 23-Jährige mauserte sich in dieser Saison zur klaren Nummer eins im Frauen-Team. Dass sie dies ist und nicht Hauser überrascht. Weniger überraschend sind aber ihre Leistungen.
Denn dass Gandler einen weiteren Schritt machen würde, kommt keineswegs aus heiterem Himmel. "Ihre Entwicklung hat sich abgezeichnet", sagt Sumann.
Vor allem gegen Saisonende war Gandler (wie schon im Vorjahr) bärenstark, holte in Nordamerika in allen Individual-Rennen einen Top-8-Rang, gekrönt von ihrer besten Weltcup-Platzierung, als sie im Canmore-Massenstart Fünfte wurde. Gandler matchte sich mit den absoluten Top-Stars.
"Wenn der Körper mitspielt und sie gesund ist, kann sie diese Leistungen bringen. Sie hat sich zuerst bis Februar in der erweiterten, im März dann in der tatsächlichen Weltspitze festgesetzt, ohne Ausreißer nach unten", bilanziert Sumann.
Das Fragezeichen Lisa Hauser
Dezentes Grübeln verursacht aktuell nur Lisa Hauser. Ihre Saison war nicht das, womit sie die heimischen Biathlon-Fans in den vergangenen Jahren verwöhnte. Gleichzeitig darf dies auch nicht überbewertet werden, haben doch auch andere Spitzen-Athletinnen das eine oder andere schlechte Jahr. "Sie ist das große Fragezeichen", betont auch Sumann.
Vor der Saison wagte Hauser den Schritt ins "Trainings-Exil" und verbrachte viel Vorbereitungs-Zeit mit Sandra Flunger und den Schweizer Frauen. Die 30-Jährige erhoffte sich davon, wieder an ihre Paradesaison 2022, als sie Gesamtweltcup-Dritte wurde, anschließen zu können.
Warum man sich auf die kommende Saison freuen darf
Auch er sieht die Salzburgerin kommende Saison als potenzielle Weltcup-Kandidatin: "Wenn sie im Herbst in der Vorbereitung und bei den Quali-Rennen so aufzeigt, dass man sie nicht übersehen kann, dann kann sie sich eh nur selbst abschießen."
Schon jetzt lässt einen das mit Vorfreude auf die kommende Saison blicken. Mit drei fitten Annas, einer aufstrebenden Rothschopf, einer soliden Steiner sowie der dann hoffentlich wiedererstarkten Hauser hat man ein Team auf einem Niveau wie nie zuvor.
Speziell hinsichtlich der Staffel-Bewerbe darf man optimistisch sein, wo die ÖSV-Frauen in Soldier Hollow als Vierte schon am Podest kratzten. Nächstes Jahr ist das erste Staffel-Stockerl alles andere als unrealistisch.
Dafür müssen freilich auch andere mitspielen, "aber wir haben die Qualität. Wer Vierter oder Fünfter werden kann, der kann auch Dritter werden", ist Sumann überzeugt.
Männer ohne Eder? Eigentlich nicht vorstellbar
So erfreulich die Entwicklung bei den Frauen ist, so betrüblich ist selbige bei den Männern. Vom Glanz früherer Jahre ist heute kaum noch etwas zu sehen. Unter dem Strich steht heuer kein einziger Top-10-Platz zu Buche. Das beste Ergebnis erreichte Felix Leitner zu Saisonbeginn in Östersund mit Rang elf im Einzel.
Am Ende ist es aber einmal mehr Simon Eder, der mit 41 nach wie vor die rot-weiß-roten Fahnen hochhält. Der "Oldie" klassierte sich im Gesamtweltcup als bester heimischer Loipenjäger auf Platz 30. Dass es kein heimischer Athlet unter die Top 25 schaffte, war zuletzt zu Biathlon-Urzeiten der Fall.
Dennoch ist und bleibt Eder das Aushängeschild, das Gesicht des heimischen Männer-Biathlons. Gerade in der aktuellen Situation ist ein Team ohne ihn fast nicht vorstellbar.
"Aus ÖSV-Sicht muss man hoffen, dass er weitermacht", betont auch Sumann. Sollte er aufhören, "fehlt dir der, der die besten Platzierungen holt, es fehlt dir ein Vorbild, es fehlt einer, der das Trainingslevel hochhält und es fehlt dir ein Staffelmann", schildert er die möglichen Konsequenzen.
Man solle aber gar nicht so sehr auf den Athleten herumhacken, betont er.
"Ich glaube, dass es nicht schneller geht und wir in den Laufleistungen einfach beschränkt sind", analysiert der 48-Jährige. "Du kannst aus einem Opel keinen Ferrari machen. Ich bin überzeugt, dass sie alle fleißig trainieren und ihre Hausaufgaben machen, aber man kann keine Wunder vollbringen", zieht er ein ernüchterndes Fazit.
Er sieht im Wiederaufbau eines schlagkräftigen Männer-Teams "ein langfristiges Projekt. Kurzfristig kannst du dich nur um Nuancen steigern, bei jüngeren Sportlern ein bisschen mehr. Die können größere Sprünge im läuferischen Bereich machen. Aber du läufst dann auch nicht um zwei Prozent schneller, das ist unrealistisch."
Macht ein anderer Trainer den Schnee weißer?
Ob es Veränderungen im Trainer-Team braucht? Fraglich. Vegard Bitnes und Luggi Gredler sind Fachleute, das haben sie in der Vergangenheit bereits bewiesen.
Zudem stellt sich die Frage, wer den Schnee weißer machen könnte. "Wir sind in Österreich nicht in der Lage, Startrainer hierher zu holen. Wenn die Kapazitäten, vor allem im Laufen, nicht da sind, wo soll man sie hernehmen? Da wird sich auch nichts tun", befürchtet Sumann.
Somit bleibt nur, aus dem vorhandenen Personal das Beste herauszuholen, was vor allem in der Staffel gelang - die damit erneut der einzige Bewerb war, in dem die ÖSV-Männer reüssieren konnten. Die Ränge vier, acht, zehn, fünf und sechs zeugen davon.
Einziger Ausreißer nach unten war gerade die WM-Staffel mit Rang zwölf, wo der Zug nach Komatz' Strafrunde zu Beginn jäh abgefahren war.
Die Akte Felix Leitner
Bei Felix Leitner ist der Zug dagegen längst nicht abgefahren. Der 27-Jährige ist und bleibt die große Hoffnung auf eine zumindest einigermaßen rosige Zukunft bei den Männern. "Ich habe mir gedacht, dass er derjenige sein würde, der die Lücke hinter Dominik Landertinger und Julian Eberhard schließen wird", schildert Sumann.
Sumann hofft, dass seitens des ÖSV nun ein ganz besonderes Augenmerk darauf gelegt wird. "Wer kümmert sich jetzt um ihn? Er ist aus dem Weltcup ausgestiegen, der ganze Tross ist nach Oslo, Soldier Hollow und Canmore weitergezogen", verdeutlicht der sechsfache Weltcupsieger.
"Wer analysiert das jetzt mit ihm und geht dem ganzen wirklich auf den Grund? Wer sagt: 'Wo könnte der Fehler liegen und was können wir für den Felix tun?' Auch psychologische Begleitung ist wahrscheinlich nicht unwichtig, dass jemand da ist, mit dem er reden kann. Eine Vertrauensperson aus dem Ski-Verband oder dessen Umfeld", wünscht sich Sumann.
Dominik Landertinger, der das ÖSV-Team im Bereich der Leistungsdiagnostik unterstützt, käme seiner Meinung nach dafür infrage. "Aber bald", fordert Sumann.
"Man darf jetzt nicht Wochen oder Monate verstreichen lassen und dann beginnt er vielleicht wieder von selbst irgendwo zu trainieren. Ich glaube, das gehört schon gesteuert, wenn man ihn wieder da hin haben möchte, wo er einmal war."
Gelingt dies, kann Leitner der lange erhoffte Eder-Nachfolger werden. Und es wäre so wichtig. Denn Leitner ist einer, der seine Stärken einst eigentlich im Laufen hatte, wie er im LAOLA1-Interview bereits selbst ansprach.
"Gewinnen wirst du im Biathlon nur etwas, wenn du schnell laufen kannst. Das wird sich auch in den nächsten Jahren nicht ändern", unterstreicht Sumann.
Wir werden uns bei den Männern also damit anfreunden müssen, dass mittelfristig Top-10-Ränge schon große Erfolge bedeuten. Im besten Fall kann Felix Leitner dafür sorgen. Es wäre nicht nur dem ÖSV, sondern vor allem ihm selbst zu wünschen.