Mit Amanda Anisimova oder Iga Swiatek wird eine vor Turnierbeginn unerwartete Siegerin am Samstag (17.00 im LIVE-Ticker) die Gewinner-Trophäe von Wimbledon in die Höhe stemmen.
Beide Protagonistinnen schreiben ihre eigene Geschichte, und das komplett unabhängig voneinander. Denn es ist das erste Duell der beiden auf der Tour. Die Polin Swiatek ist aufgrund ihrer Grand-Slam-Erfahrung und -Erfolge wohl zu favorisieren, doch Anisimova hat nicht erst einmal überrascht.
Im vergangenen Jahr war sie beim Rasen-Major in der Qualifikation ausgeschieden, nun steht sie nach einem Halbfinalerfolg gegen die belarussische Weltranglistenerste Aryna Sabalenka im Endspiel.
So etwas war in der Offenen Ära davor nur der Kanadierin Bianca Andreescu 2019 bei den US Open gelungen. Und die selbst als Zwölfte im Ranking noch außerhalb der Top Ten stehende Anisimova braucht höher Gesetzte nicht zu fürchten, hat sie doch heuer gegen Top-Ten-Gegnerinnen schon fünf Siege.
Es geht jeweils um ersten Rasen-Titel
Wie für Swiatek geht es bei der 23-Jährigen um ihren ersten Rasen-Titel auf der Tour. An Karriere-Titeln hat die Tochter russischer US-Einwanderer erst drei, Swiatek dagegen 22. Freilich hat die schon viermal bei den French Open angeschrieben, zudem 2020 bei den US Open.
Es geht also um Swiateks sechsten Major-Titel, im Erfolgsfall hätte sie dann nur noch bei den Australian Open nicht den Titel geholt. Die ehemalige Nummer eins ist heuer aber noch ohne Turniersieg, Anisimova hat in Doha den Titel geholt.
Dabei litt sie vor gut zwei Jahren unter Burnout, Tennisturniere waren für sie "unerträglich" geworden.
"Leute haben gesagt, dass ich es nie wieder an die Spitze schaffe"
Auch mit Blick auf das vorjährige Quali-Scheitern sprach Anisimova nach dem Finaleinzug mit einer Spur Ungläubigkeit über ihre eigene Geschichte und erinnerte an die für sie schwierige Zeit.
"Als ich meine Pause genommen habe, haben mir viele Leute gesagt, dass ich es nie wieder an die Spitze schaffen würde, wenn ich so lange aus dem Spiel raus bin. Es war schwer, damit umzugehen."
Denn die früh u.a. wegen ihrer begeisternden Rückhand als "Wunderkind" titulierte Anisimova wollte unbedingt einen Grand-Slam-Titel, von dem sie nun nur noch einen Sieg entfernt ist.
"Es ist eine super-besondere Wende für mich, wenn ich daran denke, wie ich im vergangenen Jahr hier in der Quali verloren habe, was mir ein bisschen das Herz gebrochen hatte." Im Alter von 17 war sie im French-Open-Halbfinale gestanden, wenig später starb ihr Vater und Trainer Konstantin mit 52 Jahren.
Finalistinnen mit gegenseitigem Respekt
Im Mai 2023 teilte sie mit, dass sie mit mentalen Problemen und Burnout kämpfe. Nach dem Neustart malt sie nun zwischendurch, besucht gerne Museen - um abzuschalten. Vor ihrer Pause habe sie keine anderen Hobbys gehabt als mit Familie und Freunden rumzuhängen, berichtete sie in London.
Doch hatte sie nach ihrer sportlichen Rückkehr immer wieder Beschwerden an Hüfte und Rücken. Erst heuer mit Physiotherapeutin sowie Umstellung von Ernährung und Training ging es bergauf.
Swiatek wird sich in der Weltrangliste im Erfolgsfall um eine Position auf drei verbessern, Anisimova würde auf fünf vorrücken. Aber auch bei einer Niederlage stünde sie als Siebentplatzierte erstmals in den Top Ten.
Gegnerin "als Inspiration"
Vor ihrer Geschichte hat Swiatek Respekt: "Jeder, der Probleme hat und noch besser zurückkommt, verdient viel Respekt", sagte die 24-Jährige. "Amanda ist eine der Spielerinnen, die in schwierigen Situationen immer vorangeht. Ich wünsche ihr nur das Beste." Freilich nicht im Wimbledon-Finale.
Anisimova bezeichnete wiederum die Polin aufgrund ihres Arbeitsethos "als Inspiration" beim Comeback. In Wimbledon wird die in New Jersey geborene Tochter russischer Auswanderer auch von ihrer Schwester und ihrem Neffen unterstützt, die extra für das Viertelfinale eingeflogen waren.
Swiatek wiederum hat ihr Spiel auf Rasen signifikant verbessert und sich mit dem Finaleinzug selbst ein bisschen überrascht. "Die Bälle hören dieses Jahr wirklich auf mich in Wimbledon", meinte sie auf ihrem Weg ins Endspiel.