Seine Wutausbrüche sind legendär: In Madrid 2022 zertrümmerte er den Schläger, in Orléans wurde er disqualifiziert, in Italien diskutierte er minutenlang mit dem Schiedsrichter.
ATP-Kollegen schütteln die Köpfe, Fans buhen, und doch: alle schauen hin.
"Ich versuche, ehrlich zu bleiben. Ich will nicht so tun, als wäre ich perfekt. Ich bin nicht hier, um allen zu gefallen", sagte Moutet vor zwei Jahren in der "L’Equipe".
Der Künstler in Tennisschuhen
Moutet stammt aus Neuilly-sur-Seine, einem Pariser Vorort, und begann früh mit dem Tennisspielen – eher widerwillig.
Er wollte eigentlich Musik machen, schreibt bis heute Gedichte und produziert eigene Songs. Auf Spotify finden sich melancholische Tracks wie "Cycle" oder "Fils de Personne", in denen Zeilen auftauchen wie: "Ich habe Monster in meinem Kopf… Glück ist zyklisch."
Diese Zeilen klingen wie das Echo seiner Matches. Denn auf dem Platz befindet sich Moutet immer knapp zwischen Genie und Wahnsinn.
Unorthodoxes Spiel
Moutets Spiel ist zweifelsfrei unorthodox. Er ist kein Powerhitter und keine Ballmaschine, sondern ein Improvisateur.
Er spielt mit feiner Hand, weichem Topspin und einem unglaublich guten Gefühl am Netz. "Er ist ein grenzgenialer Tennis-Spieler, der mit einer Unmenge an Talent ausgestattet ist", beschreibt ihn ÖTV-Sportdirektor Jürgen Melzer im Gespräch mit LAOLA1.
Sein Linkshänder-Spin öffnet Winkel, die andere gar nicht sehen – und seine Stoppbälle sind so präzise, dass Gegner oft erst loslaufen, wenn es zu spät ist.
Besonders unbeliebt bei seinen Gegnern ist Moutet vor allem dank seiner Underarm-Serves, die er im Extremfall auch schon mal ein ganzes Game lang durchzieht.
"Man weiß nie, was er als Nächstes macht", sagte Sebastian Ofner nach ihrem Duell bei den French Open 2024. "Er kann dich in einen Rhythmus bringen und dich im nächsten Moment komplett rausreißen. Es ist wie gegen zwei verschiedene Spieler zu spielen."
Moutet spielt spontan, rhythmisch, riskant – mal genial, mal verrückt. Das macht ihn unberechenbar, aber auch einzigartig. Ein Spiel, das mittlerweile sogar unter die Top 40 des ATP-Rankings gebracht hat. Aktuell ist er die Nummer 41 der Welt.
Der ehrliche Spieler
Bei den French Open 2024 wurde Moutet zur Figur des Turniers. In der dritten Runde schlug er Sebastian Ofner in einem emotional aufgeladenen Fünfsatzkrimi – begleitet von frenetischen "Mou-tet! Mou-tet!"-Rufen auf dem Court Suzanne-Lenglen.
Nach dem Match sagte er: "Die Unterstützung des Publikums ist kostbar für mich. Sie hat mich getragen."

Während Ofner ruhig und entspannt blieb ("So eine Atmosphäre erlebt man nicht oft") tobte Moutet, jubelte, sprach mit sich selbst, dirigierte das Publikum.
Viele nannten ihn respektlos (TV-Co-Kommentator Alex Antonitsch forderte Ofner bei einem kurzen Ball sogar auf, den am Netz stehenden Moutet eine mit dem Ball "aufzulegen"), andere fanden: endlich wieder ein Spieler, der Tennis lebt.
Ein Sport, der Kontrolle liebt
Denn im Vergleich zum Tennis der 80er- und 90er-Jahre ist der weiße Sport heutzutage eine Maschine der Selbstdisziplin. Federer, Nadal und heute Sinner überzeugen auf dem Platz mit vollendeter Kontrolle. Emotion stellt immer eine Art von Risiko dar, sich selbst aus dem Rhythmus zu bringen.
Doch mit dieser Kontrolle geht auch etwas verloren. Die großen Gesten, die Eskalationen, die Fehler – sie werden weggefiltert. Corentin Moutet ist das Gegenmittel dazu. Er zeigt, dass Wut und Zweifel kein Marketingproblem, sondern menschlich sind.

Seine Eskapaden sind keine Strategie, sondern Ausdruck. Wenn er sich mit Schiedsrichtern anlegt oder mit den Fans spricht, dann tut er das nicht, weil er sich inszenieren will, sondern weil er gar nicht anders kann.
"Ich weiß, dass ich mich manchmal schlecht benehme", sagte er bei den US Open 2023. "Aber ich bin nicht falsch. Ich bin einfach ich."
Eine polarisierende Persönlichkeit
Moutet spaltet. Für die einen ist er der neue Nick Kyrgios, nur französischer. Für andere ist er einer der letzten Romantiker auf der Tour.
Auf Social Media wird er für seine Ausraster kritisiert, aber auch für seine Offenheit gefeiert. Fans sehen in ihm einen, der sich traut, Mensch zu bleiben – in einem Zirkus, der Authentizität nur duldet, solange sie telegen ist.
Ofner brachte es nach dem Paris-Match nüchtern auf den Punkt: "Ich mag es nicht, wenn jemand so laut ist, aber es ist seine Art zu kämpfen. Und das Publikum liebt das."
Moutet will sich treu bleiben
Ehrlichkeit kann im Profitennis teuer werden. Sponsoren bevorzugen das Saubere, Berechenbare. Moutet dagegen ist ein Risiko – medial, sportlich, finanziell.
Seine Emotionen haben ihn Matches, Freundschaften, vielleicht auch Karrierechancen gekostet. Er will sich aber weiter treu bleiben: "Ich könnte versuchen, jemand zu sein, der ich nicht bin. Aber dann wäre ich verloren."
Wahrscheinlich wird Moutet nie ein Grand-Slam-Turnier gewinnen. Vielleicht wird er sogar mehr Matches verlieren als gewinnen (ATP-Bilanz 90:110). Aber er wird uns in jedem Fall in Erinnerung bleiben.
Denn wenige Spieler liefern in ihren Partien soviel Drama und Emotionen ab wie Moutet - und das in totaler Authentizität!