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Kommentar: Thiem/Bresnik - Bitte Abstand halten!

Eine Inspiration durch die Maßnahmen zur Coronavirus-Pandemie wäre hilfreich:

Kommentar: Thiem/Bresnik - Bitte Abstand halten! Foto: © GEPA

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Abstand halten!

Das gegenwärtig allerorts gültige Motto sollten sich angesichts der in diesen Tagen aufgekommenen Diskussion auch Günter Bresnik und Dominic Thiem zu Herzen nehmen.

Was war passiert? Der langjährige Ex-Coach von Österreichs Nummer eins ließ zu Wochenbeginn in einem APA-Interview mit einigen überraschend scharfen Worten gegenüber seinem ehemaligen Schützling aufhorchen.

Vor allem die ziemlich genau vor einem Jahr vollzogene Trennung Thiems von Bresnik liegt dem 58-jährigen Niederösterreicher noch schwer im Magen.

"Es wird mir halt immer klarer, wie das gelaufen ist. Es macht es um nichts ästhetischer. Es sind Dinge, die ich halt gar nicht verstehe. Ehrlichkeit, Loyalität, Werte..., da ist nicht viel davon eingehalten worden", warf Bresnik der aktuellen Nummer drei der Welt vor. "Ich habe eigentlich kein Problem damit, außer dass man sich vielleicht darüber ärgert, dass man sich täuschen hat lassen."

Ärger bei Bresnik sitzt tief

Wie tief der Ärger sitzt, zeigt vor allem folgender Nachsatz: "Wenn ich jemandem alles zu verdanken habe, dann kann ich so nicht mit ihm umgehen. Wolfgang (Thiem) wäre ein Club-Trainer in Seebenstein und Dominic wäre ein Future-Spieler."

Eine Aussage, die Thiem in einer APA-Stellungnahme „nicht unkommentiert stehen lassen will und kann. Wenn Bresnik jenen Respekt vermisst, den er verdient hätte, nachdem ich ihm alles zu verdanken habe, und allen Ernstes meint, ohne ihn wäre mein Vater ein Club-Trainer in Seebenstein und ich ein Future-Spieler, stellt sich für mich die Frage, ob er einem gewissen Größenwahn unterliegt und er es nicht umgekehrt an jeglichem Respekt meiner Person und meinem Vater gegenüber fehlen lässt.“

Zudem hätte es Gründe für die Trennung von Bresnik gegeben, die dem Trainer auch bekannt sind. Öffentlich wolle sie Thiem aber – „zumindest derzeit“ – nicht machen.

Eine Aussage, die man zum einen fast schon als Drohung verstehen könnte, zum anderen scheint Thiem aber auch vorerst bemüht, die herannahende mediale Schlammschlacht zu vermeiden.

Keine Gewinner, nur Verlierer

Die Vergangenheit hat uns im Tennis-Zirkus gelehrt, dass Trennungen nach langjährigen Partnerschaften, die oftmals so wie bei Thiem/Bresnik bis in die Kindheit zurückreichen, nur allzu oft alles andere als glatt und konfliktfrei über die Bühne gehen.

Alexander Zverev fiel aufgrund der Trennung von seinem Manager und der in Folge monatelangen öffentlichen Streitereien in ein tiefes Formloch. Sein deutscher Landsmann Jan-Lennard Struff wurde nach der Beendigung der Zusammenarbeit mit seiner Trainerin von dieser verklagt und muss nun nach einem jahrelangen Gerichtsstreit voraussichtlich etwa eine Million Euro an seine ehemalige Betreuerin zahlen. Und auch international gibt es zahllose weitere Beispiele, bei denen sich Spieler und Betreuer gegenseitig zerfleischten.

So sehr wir derartige Streitereien gewohnt sind, so sehr kennen wir auch den Ausgang fast aller dieser Konflikte: Gewinner gibt es meistens keine, am Ende des Tages gehen fast alle Beteiligten als Verlierer aus diesen sinnlosen Kämpfen.

Leben lassen, Abstand halten

Dementsprechend wichtig wäre es, wenn sich beide Seiten die Zeit nehmen würden, um sich kurz einmal in die Position des anderen zu versetzen und die Situation einer frischen Sichtweise zu unterziehen.

Jeder, der die ehrgeizige, fleißige und disziplinierte Herangehensweise von Dominic Thiem kennt, weiß, dass er wohl auch ohne Bresnik keine allzu erfolglose Tennis-Karriere hingelegt hätte. Und auch Vater Wolfgang hätte seine Qualitäten mit Sicherheit auch an anderen Wirkungsstätten unter Beweis stellen können. Nicht umsonst installierte Bresnik den „Thiem-Papa“ auch in seiner eigenen Tennis-Akademie als rechte Hand.

Auf der anderen Seite darf man keinesfalls die Arbeit und den Input des erfahrenen Trainers - der schon Spieler wie Boris Becker, Horst Skoff oder Stefan Koubek unter seinen Fittichen hatte – unterschätzen.

Bereits mit acht Jahren kam Thiem erstmals in Kontakt mit Bresnik, wenige Jahre später kümmerte er sich voll um die sportliche Ausbildung des Ausnahme-Athleten. Die einhändige Rückhand, mit der der Lichtenwörther heutzutage die Tennis-Fans in aller Welt begeistert, ist einer Idee von Bresnik entsprungen, die damals viele Trainer-Kollegen und Experten noch mit Kopfschütteln kommentierten. Heutzutage wird nur mehr darüber diskutiert, ob Stan Wawrinka oder doch Thiem die beste einhändige Rückhand der Welt hat.

Deshalb wäre es für alle Beteiligten wichtig, erst einmal ruhig durchzuatmen und die Geschichte neu zu analysieren. Klar ist, dass jeder Beteiligter auch seine eigene subjektive Sichtweise zur stattgefundenen Trennung hat. Ist es aber sinnvoll, diese in die Öffentlichkeit hinauszutragen bzw. profitiert jemand davon? Eher nicht.

Deshalb gilt nicht nur bei Corona: Leben lassen, Abstand halten.

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