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Karl Stoss: "Das Wetter bereitet Kopfzerbrechen"

Japan rüstet für Olympia. ÖOC-Chef Karl Stoss sagt bei LAOLA1 was Sache ist:

Karl Stoss: Foto: © GEPA

Die Spiele der XXXII. Olympiade werden am 24. Juli 2020 in Tokio eröffnet. Japans Hauptstadt ist zum zweiten Mal nach 1964 Ausrichter der olympischen Sommerspiele.

Nach dem medaillenlosen Event in London 2012 und einer einzigen Bronze-Medaille bei Olympia 2016 in Rio hofft Österreich auf Gold 2020. Vielleicht im Klettern, einem der neuen Bewerbe in Tokio.

Knapp 450 Tage vor Eröffnung der Spiele stellt sich ÖOC-Präsident Karl Stoss einem LAOLA1-Interview. Der 62-Jährige über Vorfreude und Sorgen.

Der Vorarlberger ist seit Oktober 2009 Präsident des Österreichischen Olympischen Comites (ÖOC) und darf sich seit 2016 als bislang zehnter Österreicher Mitglied des Internationalen Olympischen Comites (IOC) nennen.

Von 2007 bis 2017 war der dreifache Familienvater Stoss Generaldirektor der Casinos Austria.

Tokio ist teuer, ein "Österreich-Haus" - als zentrale Anlaufstelle für alle die bei Olympia 2020 dabei sind - wird noch gesucht. Auch die Finanzierung des Projekts verlangt viel Fantasie.

Nach den Winterspielen in Korea und China mit Pyeongchang 2018 und Peking 2022 will Japan mit den Vorzügen von Tokio punkten. 

LAOLA1: Tokio ist eine Welt-Metropole. Wie gut kennen Sie die Stadt mit ihren zehn Millionen Einwohnern?

Karl Stoss: Ich war insgesamt drei Mal in Tokio. Wir haben als Olympisches Comite einen Vertrag über eine Zusammenarbeit mit Japans Olympischem Comite. Ich kenne Tokio nicht sehr gut. Ich weiß, wo die Olympia-Sportstätten sind, ich weiß, was gebaut wird. Ich weiß, mit welcher unglaublichen Disziplin die Organisation den Zeitplan einhält, was die Fertigstellung der Sportstätten betrifft. Auch die Bauten im Olympischen Dorf sind voll auf Kurs, ja zum Teil sogar vor der veranschlagten Zeit. Die Budget-Bremsen wurden bereits vorher gezogen. So wurde beispielsweise das revolutionäre Olympia-Stadion der Star-Architektin Zaha Hadid aus Kostengründen zurückgezogen. Diese Disziplin ist da. Das beruhigt auch das IOC. Es gibt keinerlei negative Vorkommnisse.

LAOLA1: Sieht nach perfekten Spielen aus…

Stoss: Was nicht beherrschbar und beeinflussbar ist, ist das Wetter. Das Wetter bereitet allen Kopfzerbrechen, inklusive den Japanern. Die zunehmende Klima-Verschlechterung, die unglaubliche Hitze und die hohe Luftfeuchtigkeit – das wird auch unseren Athletinnen und Athleten zu schaffen machen. Deshalb appellieren wir auch an alle, an den Test-Events im Sommer teilzunhemen, um die Bedingungen im Zeitraum Juli und August vor Ort kennen zu lernen. Um sich daran zu gewöhnen und zu sehen, was sie 2020 da erwartet.

LAOLA1: Klingt nach einer großen Herausforderung…

Stoss: Das wird definitiv eine große Herausforderung. Die Ernährung wird wesentlich sein, was trinken die Athletinnen und Athleten eigentlich, in welchem Ausmaß trinkt man, was isst man, wann isst man am besten - das muss man alles vor Ort kennenlernen. Manche ertragen Hitze und Luftfeuchtigkeit besser, manche ertragen sie gar nicht. Es wäre schon schade, wenn man die Medaillen-Chance durch äußere Einflüsse vergeben würde. Die Spitzen-Athleten sind aber sicher Profi genug, um zu wissen, worauf sie sich da einlassen. Aber es ist für viele ein echtes Neuland.

LAOLA1: Nicht neu sind Korruptionsvorwürfe gegen Olympia-Funktionäre. So musste mit Tsunekazu Takeda der Präsident des japanischen NOK zurücktreten. Wie beurteilen sie dieses Problem?

Stoss: Takeda ist eine sehr integre Persönlichkeit. Ich mag und schätze ihn. Er stammt aus einer angesehen Familie. Er ist jemand, der Stil und ein vorbildliches Benehmen besitzt. Ich mag ihn als Kollege und Freund. Mir tut das irrsinnig leid, es gilt für mich auch die Unschuldsvermutung, aber das zeigt andererseits die asiatische Größe. Wenn auch nur der leiseste Verdacht auftritt, dann wird nicht lange herumdiskutiert, sondern es werden Konsequenzen gezogen. Er hat die selber gezogen. Schade, aber ich glaube, es ist ein guter Schritt insgesamt für die Sportorganisation.

LAOLA1: Gibt es bereits ein Gefühl, ob 2020 Österreichs Olympia-Aufgebot größer oder kleiner ist als zuletzt?

Stoss: In Rio 2016 war Österreich mit 71 Athletinnen und Athleten vertreten. 2020 werden es eher mehr Teilnehmerinnen und Teilnehmer sein. Auch weil neue Sportarten dazugekommen sind, wie Klettern oder Karate, auch Surfen – das klassische Wellenreiten – ist neu im Programm.

LAOLA1: Wie schaut es bei den Kernsportarten im Sommer aus?

Stoss: In der Leichtathletik hoffen wir auf fünf bis acht Starter, im Schwimmen glauben wir auch, dass acht Athletinnen und Athleten sich für Tokio qualifizieren können. Im Segeln sind zumindest zwei heimische Teams am Start. Dazu kommen Sportler im Judo, Karate, Rudern und Schießen.

LAOLA1: Wie ist die Situation bei den Mannschaftsbewerben einzuschätzen?

Stoss: Leider nicht sehr gut. Die Hockey-Herren und die Handball-Damen haben noch eine Chance. Theoretisch kann sich auch die Fußball-U21 der Herren bei der Endrunde in Italien und San Marino im Juni für Olympia 2020 qualifizieren. (Anmerkung d. Red.: Gregoritsch müsste dafür mit seiner U21-Auswahl bei der EM-Endrunde ins Semifinale einziehen.)

Karl Stoss mit IOC-Präsident Bach (r.) und dem Präsidenten des Ruder-Weltverbandes Rolland
Foto: © getty

LAOLA1: Thema Doping: Die Nachwirkungen der Nordischen WM in Seefeld werden uns wohl bis Tokio begleiten. Wie beurteilt das ÖOC die Situation rund ums Doping?

Stoss: Wir und die heimischen Organisationen des Sports beginnen sehr früh mit der Aufklärung. In den Schulen und in den Vereinen. Wir und auch die NADA wollen noch stärker in die Prävention hineingehen. Wichtig aber wäre und dafür treten wir auch ein, dass es endlich gelingen sollte, eine EU-weite, klare Gesetzgebung zu schaffen. Es kann nicht sein, dass wir zwar Ärzte anzeigen, die in einem anderen EU-Land tätig sind, dort aber keine Handlungen vollzogen werden. Das muss EU-weit auf einen Level gehoben werden. Es muss auch klar herausgearbeitet und kommuniziert werden, welche strafrechtlichen und materiellen Konsequenzen Doping hat. Alle müssen wissen, was das bedeutet, wenn Sportler durch das Doping ihre Existenzen ruinieren.

LAOLA1: Für welche Sperren treten sie ein?

Stoss: Österreich hat eigentlich eine sehr starke Gesetzgebung in Sachen Doping. Aber ich trete auch dafür ein, dass wirklich systemhafte Täter lebenslang aus dem Verkehr gezogen werden.

LAOLA1: Ein Thema ist bei den Aktiven auch immer die Regel 40 der IOC-Charta, wonach Sportler während der Olympischen Spiele nicht für ihre Sponsoren werben dürfen. In Deutschland hat das Bundeskartellamt diesbezüglich eine Entscheidung getroffen, dass Olympia-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer in sehr engen Grenzen "Werbung" betreiben dürfen. Gibt es da weitere Lockerungen?

Stoss: Das stimmt, aber da gilt es auf der anderen Seite auch das Gemeinwohl zu berücksichtigen. Wenn Sportlerinnen und Sportler einmal zu Olympia kommen, müssen sie sich auch die Frage stellen, warum sie dorthin gekommen sind, nämlich durch die Mittel, die ein Verband zur Verfügung gestellt hat in der Aufbauarbeit. Aber sei's drum. Das Urteil ist gefällt worden. In Österreich sind die gesetzlichen Voraussetzungen unterschiedlich gelagert. Hierzulande verfügen wir über das Markenrecht. Wir haben den Schutz der Olympischen Ringe und des Namens, das gibt es in Deutschland so nicht. Wir werden im Vorfeld der Spiele mit unseren Athletenvertretern - unter dem Vorsitz von Läufer Günther Weidlinger - die Gespräche aufnehmen, gerade auch in Hinblick auf Tokio - wie gehen wir damit um? Was soll aus seiner Sicht oder aus Sicht der Athleten in dieser Hinsicht verändert werden?

LAOLA1: Sie sehen aber schon das Monopol und die Kritik vieler Athleten, bei ihrem wichtigsten Wettkampf nicht für ihre Sponsoren werben zu dürfen, oder?

Stoss: Natürlich, aber da muss man auch sehen, dass jene Firmen, die mit Olympia werben, enorme Summen Geld in die Hand nehmen. Das muss man auch sehen. Und diese Mittel werden ja nicht irgendwohin gesteckt, sondern die kommen ja auch wieder den Nationalen Olympischen Comites und den olympischen Sportfachverbänden zugute. Aber ich sehe natürlich, dass das Ganze ein zweischneidiges Schwert bleibt.

LAOLA1: Bei den Sommerspielen in Rio versprach Sportminister Doskozil noch die Sportförderung zu reformieren, inzwischen ist Sportminister Strache ihr Ansprechpartner – wie funktioniert die Zusammenarbeit?

Stoss: Die Zusammenarbeit mit dem Sportministerium ist wirklich ausgezeichnet. Die war so noch nie in diesem Ausmaß gegeben. Auch weil sich jemand hauptverantwortlich des Anliegens Sport annimmt. Das merkt man auch. Es sind einige Dinge in Bewegung geraten – nicht nur von der Gesetzgebungsseite her, sondern vor allem auch, was die Unterstützung betrifft, was die Kader betrifft, was die Aufnahme von Spitzensportlern sowohl ins Innenministerium als auch ins Verteidigungsministerium betrifft. Das Ministerium schaltet sich beim ÖOC, bei der Sporthilfe oder auch beim IMSB Südstadt (Anm.: Sportanalysezentrum) ein. Man merkt, dass sich die Verantwortlichen nicht zurücklehnen, sondern den Ball aufnehmen und wirklich was weiterbringen wollen. Da wird echt was bewegt.

LAOLA1: Wie sehr sind sie mit der Arbeit in den Olympiazentren zufrieden?

Stoss: Da sind wir sehr gut auf Kurs. Da haben wir mit St. Pölten, dem Olympiazentrum Niederösterreich, Zuwachs bekommen. Und wir sind dran, die Strategie nachzuschärfen, im Sinne einer übergreifenden Kooperation und Zusammenarbeit zwischen den Olympiazentren. Das funktioniert sehr gut in Hinblick auf Tokio. Da hatten wir zuletzt auch einen gemeinsamen Workshop mit allen Olympiazentren zur Vorbereitung auf 2020. Da ging es darum, wer kann hier was einbringen, wer hat da welche Stärken, wer hat welche Vorteile, daran arbeiten wir und ich glaube, das ist genau das, was wir wollten. Wir wollen kein Einzelunternehmertum, sondern gemeinschaftlich dieses große Projekt stemmen und am Ende des Tages gemeinsam Erfolg haben.

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