news

Frischer Wind und altes Feuer beim ÖHB-Team

Nicht viele, aber richtige Impulse durch Trainer-Wechsel Monate vor der EURO?

Das vergangene Jahrzehnt ist mit sechs Teilnahmen an Großereignissen als das erfolgreichste in der Geschichte der österreichischen Handball-Nationalmannschaft zu bezeichnen.

Mit Patrekur Johannesson zeichnete sich ab November 2011 ein Trainer für alle Meilensteine verantwortlich, die in diesem Zeitraum gesetzt wurden. Und es schien lange undenkbar, dass der Isländer das ÖHB-Team nach 106 Länderspielen an der Seitenlinie nicht auch in die Heim-Europameisterschaft 2020 führen würde.

Doch im März 2019 wurde das Kapitel nur zehn Monate vor dem großen Ziel geschlossen. Nach einer misslungenen Weltmeisterschaft war der Moment für eine Trennung plötzlich gekommen – einvernehmlich, weil sich "Patti" auch wieder ausschließlich dem Vereins-Business widmen wollte.

Wenn Österreichs Team im ersten EURO-Spiel am Freitag gegen Tschechien auf das Parkett der Wiener Stadthalle läuft, wird das unter den Fittichen von Ales Pajovic geschehen.

Vom Spieler zum Teamchef in neun Monaten

Der Slowene, selbst mit seinem Heimatland vor eigenem Publikum 2004 sensationeller Vize-Europameister, trat die Nachfolge drei Wochen nach dem Abschied Johannessons an. Und wurde gewissermaßen ins kalte Wasser geworfen.

Nur ein halbes Jahr zuvor stand der nun 40-Jährige selbst für die HSG Graz, für die er seit 2015 als Spielertrainer agierte, noch am Parkett. Und erst im Sommer 2018 erfolgte der Vollzeit-Umstieg auf den Trainerposten.

Die Aufgabe als Teamchef holte ihn also schnell ein – aber mit der Mammut-Aufgabe "EURO 2020" vor der Brust war es für den 181-fachen slowenischen Internationalen keine Frage, sich der Herausforderung zu stellen.

"Ich habe sofort Ja gesagt", erinnert sich "Pajo" bei LAOLA1 an den Moment zurück, der ihn zum Teamchef machte. "Der Wechsel vom Spieler zum Trainer ist schnell gegangen, aber dass wir eine Heim-EM anstehen haben, macht die Sache nur besser."

Die Wiederentdeckung des Feuers

Das Abschneiden bei der WM 2019 in Dänemark blieb mit Platz 20 weit hinter den Hoffnungen zurück. Viele Verletzungen sorgten für einen Knacks in Sachen Stimmung.

"Wir hatten eine unglaublich erfolgreiche Zeit, aber 'Pajo' hat frischen Wind gebracht. Da geht so ein Ruck durch die Mannschaft."

Thomas Bauer

"Das Feuer war nicht da", so die Fernbeobachtung des Johannesson-Nachfolgers, der an der Mannschaft bei seinem Engagement aber keinen Zweifel hegte.

"Österreich hat eine gute Truppe. Es sind ein paar erfahrene Spieler dabei, der Rest ist jung. Wenn das System und die Stimmung passen, können wir guten und schnellen Handball spielen", ist der Slowene überzeugt.

Und das fehlende Feuer sei schon bei seinem ersten Lehrgang im März wieder da gewesen: "Die Spieler geben bei ihren Vereinen alles, kommen dann zum Team und geben Vollgas, selbst wenn ich zweimal pro Tag mit ihnen trainieren will."

Kein Umbruch – nur gute Laune

Natürlich: Knappe neun Monate sind besonders im Bereich der Nationalteams, die nur selten zusammenkommen, sehr wenig Zeit, um große Änderungen vorzunehmen. Und so wird eine etwaige neue Spielidee Pajovics bei der EURO 2020 nur in Details zu sehen sein.

"Zu wenig Zeit – das ist immer das Problem eines Nationaltrainers. Patrekur Johannesson hat gut gearbeitet. Wir haben mit dem, was er aufgebaut hat, weiter gearbeitet. Natürlich habe ich als Trainer meine eigene Idee, aber diese Grundlage war da", so der ÖHB-Coach.

In eine ähnliche Situation wie in Dänemark sollte die Mannschaft jedenfalls nicht rutschen: "Wir hatten eine gute Vorbereitung, alle Jungs sind gesund, motiviert und der Teamgeist ist da."

Ein Abschied mit Verständnis

Und trotz der guten Beziehung, die Vorgänger Johannesson zu seinen Spielern pflegte: Bei den Routiniers des Teams stößt der Wechsel auf Verständnis.

"Patti" prägte die 2010er-Jahre des ÖHB
Foto: © GEPA

"Dass 'Patti' so lange Teamchef war, ist im Leistungssport gar nicht mehr üblich. Wir hatten eine unglaublich erfolgreiche Zeit, aber 'Pajo' hat frischen Wind gebracht. Da geht so ein Ruck durch die Mannschaft", stellt Goalie Thomas Bauer fest.

"Der Wechsel kam zum richtigen Zeitpunkt für alle. Wir am Spielfeld müssen jetzt aber die Leistung bringen und zeigen, dass der ÖHB richtig gehandelt hat."

Und auch Goalgetter Robert Weber versteht den Wechsel: "Ich kenne 'Patti' auch sehr gut. Aus eigener Erfahrung weiß ich, irgendwann ist die Zeit abgelaufen, man ist ausgelaugt und hat genug."

Pajovic kennt er zudem noch aus gemeinsamen Spieler-Zeiten bei Magdeburg, als die beiden sogar Zimmerkollegen waren: "Die Lösung mit 'Pajo' ist eine sehr gute, er ist noch jung und war selbst in der österreichischen Liga tätig, kennt viele Spieler von hier. Das greift sehr gut, wie man in den ersten Spielen gesehen hat, und er bringt auch eine gewisse Lockerheit mit."

Etwa, wenn der durchtrainierte 1,98m-Coach selbst bei den Fitness-Einheiten mitmacht.

Eine klare Überzeugung

In Sachen Stimmung dürfte der Wechsel also seinen Zweck erfüllt haben und bessere Voraussetzungen bringen, als sie beim letzten Großereignis herrschten.

Wie sich das ÖHB-Team unter der Spielidee des dreifachen Champions-League-Siegers Pajovic konkret verändern wird, wird bei der EURO 2020 selbst noch weniger starken Ausdruck finden.

Das wird wohl erst erst bei den kommenden Aufgaben der Fall sein. Aber Pajovics zentrales Motto lautet: Schritt für Schritt. Und damit zuallererst einen erfolgreichen EURO-Auftakt hinlegen.

Wie schnell die weiteren Schritte folgen können, lässt sich nämlich an Pajovics Trainer-Karriere selbst nachsehen.

Und dass es viele Schritte mit Pajovic werden, davon ist Thomas Bauer überzeugt: "Ich denke, dass es eine neue Ära wird. Er wird lange österreichischer Teamchef sein. Und wir werden auch erfolgreich sein."                                                    

Kommentare