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Platzgummer: Bin der "europäische McCaffrey"

Interview - Österreichs NFL-Hoffnung über den Giants-Call und die große Chance:

Es ist ein riesiger Schritt für den Football-Sport in Österreich: Mit Sandro Platzgummer schafft es Jahrzehnte nach den Kickern Toni Fritsch, Toni Linhart und Raimund Wersching erstmals ein heimischer "Skill-Player" in den erweiterten Kader eines NFL-Teams.

Bei den New York Giants wird der 23-Jährige Tiroler etwa von Superstar Saquon Barkley lernen. Und sogar um die kleine Chance auf einen Platz im 53-Mann-Kader kämpfen, der die Spiele bestreitet - 91 Spieler wollen diese Chance.

Ermöglicht hat das die Einladung zum "International Pathway Program" der NFL inklusive mehrwöchigem Trainingslager in Florida, an dem mit Bernhard Seikovits auch ein zweiter Österreicher teilnehmen durfte.

Im LAOLA1-Interview spricht der Medizinstudent, der bislang den Defenses der AFL bei den Swarco Raiders Tirol um die Ohren lief, über die Erfüllung des Traums, die Giants, Vorbilder und die nächsten Monate:

 

(Text unter der VIDEO-Box)

LAOLA1: Du hast den Call am Samstag um 2 Uhr morgens bekommen. Haben sie dich damit aus dem Bett geklingelt?

Sandro Platzgummer: Wir haben jede Woche Kontakt mit den Leuten vom internationalen Programm. Uns ist schon gesagt worden, dass wir am Samstag gleich nach Ende des Drafts angerufen werden. Der endete gegen 1 Uhr. Ich habe zuerst nur den Anruf bekommen, dass ich einer der vier Spieler bin, die genommen werden – noch nicht, zu welchem Team ich komme. Ich bin in Unwissenheit schlafen gegangen und erst am Montag um 16 Uhr vom Team angerufen worden. Ich habe den Anruf vom Athletik-Direktor der Giants bekommen. Sie hätten einige Leute gedraftet und ich sei der letzte Teil des Puzzles. Sie freuen sich auf die Zusammenarbeit – es war noch kein langer Call, das kommt erst.

LAOLA1: Was weißt du schon jetzt über die New York Giants? Wie würdest du sie einschätzen?

Platzgummer: Sie sind ein tolles und bekanntes Team, vor allem: Familiär. Ich habe auch schon Nachrichten von Giants-Fans bekommen, die sich auf mich freuen. Was hilfreich ist: Markus Kuhn, die deutsche Football-Sensation von vor einigen Jahren, hat lange bei den Giants gespielt und mich schon kontaktiert. Er kann mir bei einigen Dingen helfen.

LAOLA1: Sie befinden sich im Neuaufbau, die Leistungsträger der Offense sind jung – da denke ich bei deiner Position vor allem an Saquon Barkley. Was wirst du von ihm lernen können?

Platzgummer: Er ist ein Wahnsinns-Athlet. Das Gute: Dass er schon in seinem dritten Jahr ist. Davon kann ich profitieren. Mein Eindruck über die Medien ist auch, dass er ein sehr korrekter Typ ist. Es ist ja auch ein Grund, warum ich bei diesem Team bin: Weil mich das Team wollte, aber die Trainer vom Programm auch darauf bedacht sind, dass ich die besten Chancen bekomme, die es gibt.

LAOLA1: Mit Dion Lewis haben sie auch einen Routinier unter Vertrag genommen, der zuletzt mit den New England Patriots und Tennessee Titans erfolgreich war. Es ist auf der Running-Back-Position eine gute Mischung aus Jugend, Routine, Erfahrung und Erfolg bei den Giants vorhanden.

Platzgummer: Es ist fast egal, bei welchem NFL-Team du bist, du kannst überall gut lernen. Ich denke, es ist auch ein Vorteil, dass der Head Coach (Joe Judge, Anm.) sein erstes Jahr vor sich hat, weil ich mich bei ihm wie jeder andere neu beweisen kann. Er war vorher auch bei den Patriots und hatte vielleicht dadurch Dion Lewis in seinen Augen.

"Das ist ein Vorteil, wenn ich mich etablieren will. Das ist leichter, als zum Super-Bowl-Sieger zu kommen."

Über die zuletzt schwächelnde NFC East

LAOLA1: Offensive Coordinator Jason Garrett hat auch jahrelange Erfahrung als Head Coach der Dallas Cowboys. Und Running-Back-Coach Burton Burns ist nach jahrzehntelanger Tätigkeit auf College-Ebene ein NFL-Neuling, aber ebenfalls sehr routiniert. Ein Vorteil, auf dieser Position jemanden zu haben, der so lange mit jungen Spielern gearbeitet und sie entwickelt hat.

Platzgummer: Auf jeden Fall. Auch in Florida habe ich mit einem tollen Coach gearbeitet, Ernest Bryner. Er war als Coach und Spieler sehr erfolgreich in der NFL. Das hat auf dem Weg geholfen. Aber ich bin gespannt, was ich von Burton Burns lernen kann – auch, als ich nach Florida gegangen bin, konnte ich gar nicht einschätzen, wo ich mich überall noch verbessern kann! In Europa hatte ich tolle Coaches – aber jetzt geht es noch einen Schritt weiter. Mal schauen, was die neuen Inputs bringen, und was die alten wert sind.

LAOLA1: Mit Quarterback Daniel Jones gibt es auch auf dieser wichtigen Position einen Youngster.

Platzgummer: Ich glaube, dass es ein Vorteil ist, es wird erst seine zweite volle Saison als Starter. Bei älteren Quarterbacks wie Tom Brady wäre es wohl schwieriger, das Vertrauen zu gewinnen. Bei den Jungen hat man mehr Chancen, sich mit ihm einzuspielen. Bei Brady wären es 20 Jahre Unterschied, das ist sicher ein anderes Miteinander.

LAOLA1: Du sprichst von Tom Brady, dabei hast du bei den Giants mit Eli Manning eine andere Legende nur um zwei Jahre verpasst.

Platzgummer: Das ist richtig. Wenn ich ihn kennenlernen möchte, wird das aber passieren!

LAOLA1: Die NFC East war in den letzten Jahren nicht gerade die stärkste Division.

Platzgummer: Aber auch das ist ein Vorteil, wenn ich mich etablieren will. Das ist leichter, als zum Super-Bowl-Sieger zu kommen. Ich glaube, dass sie im Kommen ist. Drei der Teams liegen an der Ostküste und damit näher bei uns. Die Giants sind eben sehr familiär, da gibt es sicher einige Teams, wo es nicht so leicht ist, reinzufinden.

LAOLA1: Mit Christian McCaffrey hat ein Running Back den höchstdotierten Vertrag in der Geschichte auf dieser Position bekommen, dessen Spielweise sich gut mit deiner vergleichen lässt. Denkst du, es ist ein Mitgrund, dass auf Qualitäten wie deine stärkeres Augenmerk gelegt wird?

"Die Liga entwickelt sich in diese Richtung – weniger "reinschädeln" und mehr Athletik sowie Schnelligkeit. Er ist ein Vorbild und tatsächlich ein Spieler, mit dem ich oft verglichen worden bin. Ich werde fast schon über Jahre "der europäische Christian McCaffrey" genannt."

Über Vorbild Christian McCaffrey

Platzgummer: Die Liga entwickelt sich in diese Richtung – weniger "reinschädeln" und mehr Athletik sowie Schnelligkeit. Er ist ein Vorbild und tatsächlich ein Spieler, mit dem ich oft verglichen worden bin. Ich werde fast schon über Jahre "der europäische Christian McCaffrey" genannt, ich mache in Europa ähnliche Sachen wie er drüben. Es ist mein Spielstil und ich schaue mir viel von ihm ab. Es ist interessant und glücklich für mich, dass ich in Zeiten spiele, wo die Position auf diese Weise gefragt ist. Aber in der NFL gibt es einen anderen Speed, es wird die größte Änderung sein, sich an die Geschwindigkeit zu gewöhnen.

LAOLA1: Deine Lebensplanung wird kurzfristig über den Haufen geworfen. Du hattest einen Plan in Österreich samt Studium. Wie viel Umbruch wird da dabei sein?

Platzgummer: Nahezu gar keiner. Seit ich letztes Jahr zum Test eingeladen wurde, habe ich alle Pläne so ausgelegt, dass ich immer in der besten Situation bin. Ich habe mich schon im Herbst mit meinem Modul-Koordinator des Studiums besprochen. Es wird kein Problem sein, das Studium zu pausieren und weiterzumachen, falls ich zurückkomme. Es ist die perfekte Situation und ein "Ausflug auf unbestimmte Zeit".

LAOLA1: Wie werden die nächsten Verbindungen mit dem Team ausschauen?

Platzgummer: Genau weiß ich es noch nicht, aber ich werde Meetings haben und hoffentlich schon ein paar Spielzüge aus dem Playbook gezeigt bekommen. Damit ich keine komplett andere Sprache spreche, sobald ich wirklich hinkomme. Auch organisatorische Sachen werden schnell auf mich warten: Vertrag unterschreiben, Visum, Wohnungssuche.

LAOLA1: Es ist ein schwerer Moment für derartige Planungen. Rechnest du überhaupt damit, dass der Aufbruch in die USA in diesem Jahr zustande kommt?

Platzgummer: Ja, auf jeden Fall – ob es um Wochen oder Monate geht, weiß ich nicht. Aber ich rechne damit, dass es sich bis zum Sommer ausgehen sollte. Ich sehe das sogar als Vorteil. Die Teams können erst wieder mit dem Training beginnen, wenn alle 32 Teams geöffnete Trainingsstätten haben. Andererseits kann es sein, dass sich das Training davor verkürzt. Das ist natürlich ärgerlich, weil die Vorbereitungszeit im ersten Jahr extrem wichtig ist und es dann umso schwieriger wird, in den aktiven Roster reinzukommen.

LAOLA1: Blickst du im Moment auch mit Sorge auf die Situation? New York ist ein Corona-Hotspot.

Platzgummer: Nein. Ich freue mich auf die Stadt. Innsbruck ist doch kleiner und in den Bergen. Ich habe gelernt, Innsbruck zu lieben und werde das weiterhin tun, aber dann habe ich mal ordentlich Abwechslung in einer Großstadt. Der Plan ist auch, dass ich in Innsbruck mein Studium abschließe und mein Leben aufbaue.

LAOLA1: Die ersten Reaktionen aus Übersee auf Twitter haben sich auch um deinen Namen gedreht. Haben die US-Amerikaner Probleme damit?

Platzgummer: Ich war schon öfter drüben und es geht, da gibt es schlimmere Namen. Natürlich ist es kein amerikanischer Name, aber das ist gut – dann fällt es auf. Daher ist er genau richtig. Man kann ihn aussprechen und er ist etwas Besonderes.

LAOLA1: Gibt es trotzdem einen leicht zu merkenden Spitznamen?

Platzgummer: Unser Quarterback bei den Swarco Raiders Tirol, Sean Shelton, nennt mich immer "Sandy-Pandy". Das hat er erfunden. Er findet immer kreative Spitznamen und ist immer für den Spaß zu haben. Aber mal schauen, vielleicht entwickelt "drüben" ja wer einen neuen.

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