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"Sind PS-mäßig noch nicht bei Konkurrenz"

RB-Motorsportkonsulent Helmut Marko über Probleme der Formel 1 und positive Aussichten.

Red-Bull-Motorsportkonsulent Helmut Marko stellte sich vor dem Start der Formel-1-WM 2016 einem Interview mit der APA.

Frage: 2015 war ein sehr ernüchterndes Jahr für Red Bull in der Formel 1. Sogar Ausstiegsszenarien wurden von Dietrich Mateschitz geprüft. Wie gut hat man das Jahr verdaut?

Marko: "2015 war wirklich schwierig. Es war ja kein Geheimnis, dass von der Motorenseite her eher einen Rückschritt sowohl in Haltbarkeit als auch an Leistung gegeben war. Dazu kam das politische Spielchen zwischen den drei anderen Herstellern, uns keinen Motor zu geben. Das hat uns alle Szenarien durchspielen lassen, bis hin zum Ausstieg. Es war die Idee des unabhängigen Alternativmotors sowie andere Szenarien, die den Boss bewogen haben, weiterzumachen. Aber so ein Jahr wollen wir nicht wieder erleben."

Frage: Red Bull ist geblieben. Wie sieht nun der Ausblick auf 2016 aus, das Auto soll ja mehr als gelungen sein?

Marko: "Gott sei Dank sind dank dem, was da mit dem RB12 auf die Beine gestellt wurde, die Vorzeichen für 2016 von der Chassis-Seite her exzellent."

Frage: Und der Antrieb? Der heißt nun TAG-Heuer, kommt aber weiterhin von Renault.

Marko: "Von der Motorenseite her haben wir deutlich standfestere Triebwerke mit besserer Fahrbarkeit. Zudem soll spätestens bis Montreal ein PS-Schub kommen. Wobei im Laufe des Jahres noch was dazu kommt, dann sehen wir uns hinsichtlich PS irgendwo bei Ferrari. Das sind positive Aussichten, aber Mercedes ist auch diesbezüglich weiterhin unantastbar."

Frage: Einschneidende Reglement-Änderungen soll es aber erst 2017 geben, die Deadline dafür ist Ende April. Was weiß man da schon?

"Die Aussichten für 2016 und 2017 gehen damit ganz klar in eine positive Richtung."

Mit Red Bull soll es wieder bergauf gehen

Marko: "Es gibt Zeichen, dass da mehr oder minder eine Gleichstellung der Motoren innerhalb von zwei Prozent durchgesetzt werden soll, oder sonst doch wieder der unabhängige Motor ins Spiel kommt. Zwei Prozent, von 1.000 PS ausgehend, das sind 20 PS. Da haben wir schon mit größerem Unterschied Weltmeisterschaften gewonnen. Die Aussichten für 2016 und 2017 gehen damit ganz klar in eine positive Richtung."

Frage: Und damit auch für die Formel 1 insgesamt? Red Bull bemängelt auch die nachlassende Spannung seit der Mercedes-Dominanz.

Marko: "Es wird höchste Zeit, denn die Einschaltziffern sind seit 2013 drastisch zurückgegangen. 2014, denke ich, waren es 25 Prozent, 2015 noch einmal 14 Prozent. Und das, obwohl wir davor 2013 alleine mit Sebastian Vettel die letzten neun Rennen gewonnen haben, die aber umkämpft waren. Das heißt, dass mit der Dominanz von Mercedes dieser Zuschauerschwund eingetreten ist."

Frage: Selbst Bernie Ecclestone hat die Formel 1 zuletzt schlecht geredet. Wie wichtig ist, was spätestens 2017 passieren soll?

Marko: "Sehr wichtig. Wir hoffen auf diese Motoren-Regelung mit den zwei Prozent. Punkto Chassis könnte ein Mittelding aus dem, was wir vorgeschlagen haben, und dem Status Quo kommen. Es geht in die Richtung, dass das Auto schneller und schwieriger zu fahren ist. Damit trägt man dem Wunsch Rechnung, dass der Fahrer wieder mehr in den Vordergrund tritt und nicht die Ingenieure."

Frage: Alles Elemente, die in der MotoGP ohnehin gegeben sind. Die "Königsklasse" auf zwei Rädern fährt heuer erstmals auf dem Red Bull Ring in Spielberg. Vermutlich vor mehr Zuschauern als die Formel 1?

Marko: "Das ist nach derzeitigem Stand ganz klar so. Und auch verständlich. Es gibt nur vier Fahrer, die diese fast schon Monster beherrschen. Der Fahrer steht in der MotoGP im Vordergrund. Es geht um die absolute Beherrschung in Extremsituationen. Das Motorrad schlingert und rutscht, das Vorderrad hebt sich. Es ist nicht technisch überzogen. Beim Auto ist der Fahrer mehr oder minder eine Puppe, das kriegen die Leute mit. Die wollen Menschen im Vordergrund und Spektakuläres sehen und nicht überzogene Technik."

Frage: Zurück zur Formel 1. Im Heck des RB12 ist wieder ein Renault-Antrieb, der nun TAG Heuer heißt. Renault hat aber selbst ein Werksteam am Start. Ist Gleichbehandlung gesichert?

Marko: "Ich gehe davon aus. Das Team von Renault hat bei weitem noch kein wettbewerbsfähiges Chassis. Zudem haben sie viel Personal verloren, das wird also noch dauern. Und zwei verschiedene Triebwerke zu machen ist weder personell noch finanziell drin."

Frage: Wie zufrieden waren sie mit den Wintertestfahrten in Barcelona?

Marko: "Wir sind dort mehr als die letzten zwei Jahre zusammen gefahren. Damit sind wir natürlich zufrieden. Das Auto ist sehr gut und der Motor auf der positiven Entwicklungsseite."

"Es wird ein harter Kampf hinter Mercedes und Ferrari zwischen Toro Rosso, Williams, Force India und uns."

Red Bull peilt Platz drei an

Frage: Bleibt es also bei Platz drei als Saisonziel?

Marko: "Ja! Auch wenn es zunächst schwierig wird, solange wir das angekündigte Motorupdate nicht haben. Auf Powerstrecken wie Bahrain und Sotschi ist das schon ein gewisser Nachteil. Es wird ein harter Kampf hinter Mercedes und Ferrari zwischen Toro Rosso, Williams, Force India und uns. Dort wird anfangs der Saison die Spannung des GP-Geschehens liegen."

Frage: Insgesamt klingt das aber schon nach klarem Aufwärtstrend für die Red-Bull-Teams, oder?

Marko: "Wir sind bei weitem nicht dort, wo wir sein müssten. Aber am richtigen Weg. Nach dem Motor-Update, also spätestens Montreal, schauen wir, wo wir stehen. Dann wird die weitere Vorgangsweise beschlossen. Toro Rosso hat den 2015er-Motor von Ferrari, der ist derzeit sehr gut. Es gibt aber keine Weiterentwicklung, die werden ab Saisonmitte also zurückfallen."

Frage: Zusätzliche PS für Red Bull Racing wären auch für den Heimauftritt in Spielberg wichtig, oder?

Marko: "Ganz klar. Der Red Bull Ring ist eine Powerstrecke mit engen Kurven, dann bergauf und längere Geraden. Dort hatten wir immer unsere schlechtesten Ergebnisse."

Frage: Wie lauten abschließend die Hoffnungen für den WM-Auftakt in Australien bzw. die ersten Übersee-Rennen?

Marko: "Wir würden dort gerne hinter Ferrari ins Ziel fahren beziehungsweise mit etwas Glück einen Ferrari sogar schlagen. Der neue Qualifikationsmodus könnte aber gewisse Zufälligkeiten mit sich bringen, die einen, wenn es etwa regnet oder es einen Abbruch gibt, nach vorne bringen können. Worauf wir auch hoffen, ist der Reifenverschleiß. Da haben die Longruns gezeigt, dass wir zu den Besten gehören. Das heißt, wir können länger draußen bleiben."

Frage: Bei Red Bull Racing ist man also nach dem bitteren Jahr 2015 für die kommende Saison wieder deutlich optimistischer?

Marko: "Ja. Aber PS-mäßig sind wir bei weitem noch nicht dort, wo die Konkurrenz ist. Wir sind im Moment sicher 70 bis 80 PS hinten. Mercedes ist da immer noch das Maß der Dinge."

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