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Marokko-Coach: "Wir sind der Rocky dieser WM"

Bis vor kurzem war Walid Regragui noch Trainer beim marokkanischen Klub Wydad Casablanca. Nun kämpft er mit seiner Nation tatsächlich um den WM-Titel.

Marokko-Coach: Foto: © getty

Spätestens im Semifinale wird Walid Regragui diese ganze Fußball-Weltmeisterschaft wie eine Reise auf einen anderen Stern vorkommen.

Nach nur acht Spielen als Nationaltrainer für Marokko kämpft der im französischen Corbeil-Essonnes geborene 47-Jährige nun in Katar um den Einzug ins Endspiel - erneut als Außenseiter gegen den bisher überzeugenden Titelverteidiger Frankreich.

Noch bevor der Gegner am Samstagabend feststand, hatte Regragui gesagt: "Warum sollten wir nicht davon träumen, eine WM zu gewinnen? Es kostet nichts, Träume zu haben." Als erster WM-Halbfinalist aus Afrika sorgten die Marokkaner für Jubelfeiern auch in zahlreichen europäischen Städten.

Einziges Gegentor war ein Eigentor

Über eine Halbzeit lang hatte das Team von Regragui in Doha gegen Ex-Europameister Portugal mit dem nur eingewechselten Cristiano Ronaldo die 1:0-Führung durch Youssef En-Nesyri (42. Minute) verteidigt. Auch dann noch mit unbändiger Leidenschaft, als die ersten Spieler des Außenseiters mit Muskelkrämpfen kämpften.

"Es ist sehr hart, uns zu schlagen. Das ist die Botschaft, die ich senden möchte", sagte Regragui nach dem Triumph im ohrenbetäubend lauten Al Thumama Stadion.

Der 52-fache Nationalspieler Marokkos hat es als ehemaliger Abwehrspieler geschafft, dass seine Auswahl weiterhin mit nur einem Gegentor durchs Turnier marschiert - und das war ein Eigentor beim 2:1 gegen Kanada. Großen Anteil daran hat Torhüter Yassine Bounou vom FC Sevilla, der nach dem Viertelfinal-Sieg als "Man of the Match" gekürt wurde.

"Wir sind Rocky"

"Wir haben so viele Menschen auf der Welt glücklich gemacht", sagte sein Coach und fand einen Vergleich in einer Boxer-Legende, in einem berühmten Film gespielt von Sylvester Stallone: "Wir sind der Rocky dieser WM. Wenn man Rocky Balboa gut findet, dann wegen seiner Leidenschaft. Man muss träumen und daran glauben."

Der Siegeszug der "Löwen vom Atlas" ist auch ein Triumph der marokkanischen Diaspora. 14 der 26 Kaderspieler wurden nicht in Marokko geboren. Bounou ist beispielsweise gebürtiger Kanadier, Achraf Hakimi kam in Madrid zur Welt, Sofyan Amrabat ebenso wie Hakim Ziyech in den Niederlanden.

Marokko musste allerdings bei den beiden Siegen in der K.o.-Runde gegen Spanien und Portugal viel einstecken: Noussair Mazraoui vom FC Bayern fehlte krank, Nayef Aguerd von West Ham verletzt. Kapitän Romain Saiss von Besiktas Istanbul musste verletzt vom Rasen getragen werden. Hakimi, so der Coach, habe "sich schlecht gefühlt, aber er hat gekämpft."

Frankreich: Mission Titelverteidigung

Der eingewechselte Walid Cheddira sah in der hektischen Schlussphase zudem Gelb-Rot. "Ich habe 26 Spieler. Wenn man dieses Turnier gewinnen will, muss man an alle glauben", erklärte Regragui. "Wenn einer verletzt oder krank ist, kommt ein anderer dafür rein. Ich hoffe, dass Mazraoui zurückkommt, er ist sehr wichtig für das Team."

Vorschusslorbeeren kamen jedenfalls vom nächsten Gegner: "Es gibt nicht viele, die behaupten können, dass sie Marokko im Halbfinale erwartet hätten", sagte Frankreichs Teamchef Didier Deschamps nach dem Viertelfinal-Sieg über England.

"Sie verdienen es, da zu stehen, wo sie stehen." Der Weltmeister von 1998 ergänzte: "Es ist ein historischer Moment für sie."

Klar scheint aber auch, dass sich die "Equipe tricolore" große Chancen ausrechnet, in die Fußstapfen der großen brasilianischen Teams von 1958 und 1962 treten zu können und als erste Mannschaft seither den Titel erfolgreich zu verteidigen.

"Heimspiel" für Marokko

Deschamps stand allerdings auf der Bremse: "Wir müssen uns zuerst auf Mittwoch fokussieren", sagte der 54-Jährige, das nächste Spiel eben, den "nächsten wichtigen Schritt".

Als erster Weltmeister seit Brasilien vor 60 Jahren den Titel zum zweiten Mal in Folge gewinnen, das ist auch für Kylian Mbappé "der absolute Traum". Die Chance in Katar scheint riesig. Zum Halbfinale wird Staatspräsident Emmanuel Macron erwartet.

Fraglich ist allerdings, ob das gegen Marokko reicht. Die "Löwen vom Atlas" treten mit der Unterstützung des gesamten afrikanischen Kontinents und Arabiens an, wie zahlreiche Wortmeldungen nach dem siegreichen Viertelfinale zeigten.

Ganz Afrika steht hinter Marokko

So schrieb der Präsident des Tschad, Mahamat Idriss Deby auf Twitter: "Volle Unterstützung für die Vertreter Afrikas für das große Finale. Afrika Weltmeister, ja, es ist möglich, Inschallah!"

Aus der arabischen Welt gab es Gratulationen von höchsten Würdenträgern des Irak, Bahrains, Dubais, Jordaniens, aus Palästina - sowohl von Fatah als auch von Hamas -, Libyens und Ägyptens.

Auch frühere Fußball-Superstars wie Didier Drogba (Elfenbeinküste) und Samuel Eto'o (Kamerun) drückten ihre Unterstützung aus: "Sie haben es geschafft!!!! Gut gemacht, Marokko, für diese Heldentat. Lang lebe Afrika", schrieb Drogba auf Twitter.

"Unglaublich! ... Der gesamte Kontinent steht hinter euch", hieß es bei Eto'o, dem jetzigen Präsidenten des kamerunischen Fußballverbands.

VIDEO: Marokkos historischer Sieg gegen Portugal

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