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Super League: Ist der Ruf erst ruiniert...

Was nun? Europa gespalten, Super League gescheitert. Nicht nur Verlierer. Kommentar:

Super League: Ist der Ruf erst ruiniert... Foto: © getty

Was nun? Europa ist gespalten, das Zittern um die Generationen und Nationen verbindende schönste Nebensache der Welt ist in vollem Gange, Fußball-Fans haben sich von ihren Klubs abgewandt – das große Beben ist zur Lose-Lose-Situation aller Beteiligten verkommen.

Danke, Super League – das, womit sich die Milliarden-Klubs Europas weniger als 48 Stunden rühmen dürften, ist bereits wieder Geschichte, was zum Scheitern verurteilt war, kann zum jetzigen Zeitpunkt schon wieder als gescheitert bezeichnet werden.

Der elitäre Kreis wird nun in gemeinsamer Mission alle Hände voll zu tun haben, um die Gräben wieder zu schließen, der angerichtete Schaden durch diese "Schnapsidee" steigt ins Unermessliche.

Der große Knall erwischte viele auf dem falschen Fuß. Eine geschlossene Liga der Superreichen war das Ansinnen von Real Madrid, FC Barcelona, Atletico Madrid, Manchester City, Manchester United, FC Liverpool, FC Arsenal, FC Chelsea, Tottenham, Juventus Turin, AC Milan, Inter Mailand – weitere Klubs hätten sich im Idealfall mit Sicherheit noch angeschlossen, Stichwort PSG.

Doch die bahnbrechende Veränderung des Fußballs, wie wir ihn kennen, war alles andere als zu Ende gedacht. Die Drohungen der UEFA haben schlussendlich gereicht, um die Alarmglocken schrillen zu lassen. Ausschluss von der kommenden EURO, Verbot der Teilnahme an weiteren Länderspielen, keine Beteiligung an jeglichen UEFA-Bewerben waren nur der Anfang. Darüber hinaus wackelten sich anbahnende Transfers, denn wer beendet seine Teamkarriere für die Super League? Wer geht noch Vereinbarungen mit jenen Klubs ein, wenn man selbst kein Teil dieser Blase ist? Was ist überhaupt rechtlich gedeckt? Dabei hatte die UEFA maßgeblichen Anteil, dass der Streit eskalierte, mit der CL-Reform wollte man den Großen der Großen entgegenkommen, doch diesen war das nicht genug. Am Ende steht aber der Europäische Fußballverband nach außen hin wie der große Profiteur und Gewinner da, obwohl eigentlich auch die Reform der Königsklasse durchaus skeptisch beäugt werden müsste.

Nicht nur Fans gingen auf die Barrikaden und forderten "Football belongs to us". Selbst Trainer der beteiligten Klubs wie Jürgen Klopp oder Pep Guardiola fühlten sich überrumpelt und konnten die Idee ihrer Arbeitgeber nicht gutheißen. Es gibt auch nicht nur Verlierer, sondern durchaus auch Gewinner: Hut ab etwa vor dem FC Bayern München oder Borussia Dortmund, die vorzeitig die Zeichen der Zeit erkannt hatten und sich gegen die Super League aussprachen, auch wenn sie davor für diverse Ideen offene Ohren hatten. Oder andere Klubs, die sich der Rolle der Gallier verschrieben, den Jetzt-erst-recht-Gedanken in den Vordergrund rückten und sich gegen die Aufständischen verbündeten. "Wir waren nicht dabei" steigert in dem Fall die Sympathiewerte und Aktien gewaltig.

Sprichwörtlich heißt es: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert! Diesen Anschein hat es auch jetzt, nachdem viele Vertreter bereits offiziell ihren Rückzug aus diesem Projekt bekanntgegeben haben. Einige beschränkten sich auf einen Einzeiler, um ihren Entschluss der Öffentlichkeit mitzuteilen – so als wäre nichts gewesen. Andere Klubs wie etwa Arsenal versuchten, die Fans zu besänftigen und sich mit einem offenen Brief zu entschuldigen. "Als Resultat euch und die weitere Fußball-Community über die letzten Tage anzuhören, ziehen wir uns von der geplanten Super League zurück." Nachsatz: "Wir haben einen Fehler gemacht, und wir entschuldigen uns dafür."

Nur Heuchelei par excellence? Als das Angebot, die Eintrittskarte zur Super League, bereit lag, konnte man nicht nein sagen und sich selbst aus dem Millionen-Zirkus ausschließen – die Gier war scheinbar zu groß, jeder wollte etwas vom großen Kuchen abhaben. Plötzlich sind es die Tränen, Angst, Hass und Wut in den Augen der Fans, welche angeblich die Herzen der millionenschweren Besitzer zum Schmelzen bringen. Das glaubt diesen Klubs doch keiner mehr, vielen Unterstützern wurden dadurch möglicherweise auch endlich die Augen geöffnet, dass das Geschäftsmodell Fußball weit, weit entfernt von den romantischen Vorstellungen der Fußball-Romantiker liegt.

Entschuldigungen sind angebracht, es bleibt ihnen auch nichts anderes übrig, als zu Kreuze zu kriechen und Schadensbegrenzung zu betreiben. Doch reicht das? Was bleibt von der Geldgier der Herren Agnelli, Perez und Co. übrig? Für wann ist die nächste Revolution geplant? Einige Klubs haben dem Projekt offiziell noch nicht abgeschworen, die Super League selbst kündigt Veränderungen an, will das Ende aber noch nicht wahrhaben. Denn laut eigenen Aussagen sei man "überzeugt, dass sich der aktuelle Status quo des europäischen Fußballs ändern muss." Zusatz: "Wir schlagen einen neuen europäischen Wettbewerb vor, weil das bestehende System nicht funktioniert."

Es klingt fast wie eine Drohung, der nächste Anlauf scheint nur eine Frage der Zeit zu sein. Abseits der Klubs haben sich auch die federführenden Herrschaften wie Real-Präsident Florentino Perez, Juve-Boss Andrea Agenelli oder Man-United-Eigentümer Joel Glazer ins eigene Knie geschossen. Agnelli etwa gilt als Strippenzieher, wurde vom FC-Torino-Präsidenten als "Judas" beschimpft, wurde aus dem UEFA-Komitee geworfen und selbst sein Rücktritt bei Juve wurde kolportiert, von der Alten Dame jedoch dementiert.

Der Frontalangriff auf die Champions League, die UEFA an sich, wurde nämlich vom Wolf im Schafspelz selbst eingeläutet. Soeben noch an der Seite von UEFA-Präsident Ceferin im Auftrag die Champions League zu reformieren, plötzlich deren größter Gegner zusammen mit dem "dreckigen Dutzend", wie Ceferin die aufständigen Super-League-Klubs bezeichnet. Eine Rückkehr und Versöhnung auf dieser Ebene ist mit den betroffenen Personen ausgeschlossen.

Viel Lärm um nichts also – vorerst. Man kann nur hoffen, dass die jüngsten Entwicklungen den einen oder anderen zum Nachdenken bewegen. Gerade in Corona-Krisen-Zeiten den Spagat zwischen den Superreichen und anderen Klubs noch größer werden zu lassen, sie auszuschließen und den Grundgedanken des Fußballs zu killen, wird noch lange nachhallen und Folgen haben. Nun müssen sich diese Klubs mit der CL-Reform zufrieden geben, die ihnen aber ohnehin wieder in die Karten spielt – wenn auch nicht in diesem Ausmaß wie die Super League.

Es wird spannend, zu beobachten, wie sich die Klubs verhalten und ihren Fehler wieder gut machen wollen – wenn sie das wollen. Denn viel deutet darauf hin, dass die Proteste, Aufstände und die Fan-Abkehr schnell unter den Tisch gekehrt werden und einfach so weitergewurschtelt wird wie bisher, als wäre nichts gewesen. Im Hintergrund hingegen wird bereits die nächste Idee aufkeimen, wie die Creme de la Creme, die nun bei vielen Fußball-Liebhabern unten durch ist, das große Geld scheffeln kann. Doch da stehen diese drüber, denn: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert!

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