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Lallitsch: Ein Jahr als Fußball-Kommentatorin

Österreichs erste Fußball-Kommentatorin Anna Lallitsch über Kritik, Routine und Mut:

Lallitsch: Ein Jahr als Fußball-Kommentatorin

Sie ist Österreichs erste Fußball-Kommentatorin. Seit fast einem Jahr kommentiert Anna Lallitsch nun für den ORF diverse Spiele.

Derzeit ist auch sie gezwungen, innezuhalten und sich auf einen Neustart nach der Coronavirus-Pandemie vorzubereiten. Für Lallitsch bleibt damit auch Zeit, um Bilanz zu ziehen.

Angefangen von der FIFA-Frauen-WM im vergangenen Sommer bis hin zum Finale der Klub-WM kommentiert die 27-Jährige allerlei Partien.

Mit den Moderatorinnen Alina Zellhofer und Kristina Inhof hat Lallitsch zwei weitere ORF-Kolleginnen an ihrer Seite, die ebenfalls im Fußball unterwegs sind.

Im Interview mit LAOLA1 spricht die Grazerin über die Veränderungen im letzten Jahr, Kritik und warum Frauen noch immer eine Minderheit in ihrem Beruf darstellen.

LAOLA1: Seit einem knappen Jahr sind Sie nun schon Fußball-Kommentatorin beim ORF - verlief bisher alles so wie Sie es sich vorgestellt haben?

Anna Lallitsch: Sich wirklich vorstellen, was auf einen zukommt, kann man eigentlich nicht. Es ist alles sehr schnell angelaufen. Während der Frauen-WM im vergangenen Sommer habe ich direkt viele Spiele kommentiert. Der Gipfel war, als ich die FIFA-Klub-WM im Jänner kommentieren durfte. Das war ein Riesen-Highlight für mich. Sowas hätte ich nie für möglich gehalten. Ich bin sehr dankbar und habe großen Spaß dabei. Als Sportkommentatorin lebt man für solche Spiele.

LAOLA1: Wie sehr hat sich Ihre Routine verändert, wenn Sie Spiele von vor einem Jahr mit den zuletzt übertragenen Partien vergleichen?

Lallitsch: Ich kommentiere seit ich 19 Jahre alt bin Fußballspiele für Blinde und Sehbinderte. Über die Jahre kommt die Routine automatisch. Ich habe viele Spiele in der Frauen-Bundesliga oder im Cup kommentiert, dann kam die Frauen-Fußball-WM. Die Routine stellt sich von selbst irgendwann ein. Ich bin auch mit viel Erfahrung eingestiegen, hatte für den Zweikanalton des ORF bereits über 200 Spiele kommentiert. Die Spiele im vergangenen Jahr waren also nicht die ersten Fußball-Spiele meines Lebens. Es waren weitere, mit anderen Umständen und anderen Ansprüchen. Dafür lebe ich. So kitschig es klingt, aber es ist ein Traum, von dem man nie gedacht hätte, dass er Wirklichkeit wird.

LAOLA1: Nur wenige Frauen im Sportjournalismus leben diesen Traum. Sie sind die erste Fußball-Kommentatorin Österreichs. Wie fiel die Resonanz Ihnen gegenüber aus?

Lallitsch: Wenn die Leute erfahren, dass ich das Spiel kommentiere, sind die Reaktionen sehr positiv und auch lobend. Das ist der größte Lohn, wenn die Leute kommen und sagen: "Cool, dass du heute da bist und dass du das Spiel kommentierst." Ich habe nie gedacht, dass die Leute gemein werden, aber dass es so positiv ist, ist überraschend – überraschend schön. Wenn ich mit meinen Freunden unterwegs bin und sich zwei Gruppen kennenlernen, kommt oft die Frage auf, was man so macht. Meine Freundinnen sind dann immer ganz aufgeregt und stolz, dass ich die erste Fußball-Kommentatorin Österreichs bin.

LAOLA1: Wer gibt Ihnen nach einem Spiel Feedback zu Ihrem Kommentar?

 

"Jeder Tipp und jede Meinung sind willkommen. Genauso wie jede berechtigte und nachvollziehbare Kritik."

Lallitsch: Eine bunte Mischung ist gut. Die Leute, die mir ihre Meinungen mitteilen, sind auch Konsumenten. Ob das ein Trainer vom ORF ist, der mir zur Seite gestellt wird, ein Kollege oder jemand aus dem Freundeskreis. Letztens hat mich mein Bank-Berater auf meinen Kommentar bei der FIFA-Klub-WM angesprochen: "Bist du die Lallitsch, die Spiele kommentiert?", hat er gefragt. Dann hat er mir erzählt, was ihm gefallen hat. Jeder Tipp und jede Meinung sind willkommen. Genauso wie jede berechtigte und nachvollziehbare Kritik.

LAOLA1: Kommentatoren stehen generell oft in der Kritik, vielleicht sogar mehr als in anderen Berufsfeldern. Ist diese Kritik nachvollziehbar?

Lallitsch: Kritik gibt es immer und überall. In dem Bereich, in dem wir arbeiten, gibt es das aber natürlich mehr, weil man durch die Arbeit stärker exponiert ist. Aber auch das ist vollkommen okay. Natürlich ist Fußball immer noch ein Spiel. Trotzdem werden die Leute hoch emotional. Genau das macht es aber auch aus. Es darf nie unter die Gürtellinie gehen, das ist ein absolutes No-Go. Das wird nie zu akzeptieren sein und das wird sich hoffentlich irgendwann ändern und entspannen.

LAOLA1: Hatten Sie schon mit Kritik zu tun, die unter der Gürtellinie war?

Lallitsch: Nein, das hatte ich noch nie.

LAOLA1: Spielt der Gedanke eine Rolle, dass Sie irgendwann diese Art der Kritik erleben werden?

Lallitsch: Nein, eigentlich nicht, aber das liegt auch an meinem Naturell. Wichtig sind Diskussionen, ein Dialog, Anregungen und natürlich auch Kritik. Davon lebt auch der Sport. Deshalb wird der Fußball besser, weil der Trainer, die Mama, der Papa, ehemalige Mitspieler kommen und sagen, was man besser hätte machen müssen. Es geht uns im Prinzip allen gleich. Egal, wo man arbeitet, immer gibt dir jemand Tipps und sagt dir, was man besser machen muss. Das kann auch gerne einmal hart sein, aber auf einer zwischenmenschlichen Basis.

"Ich verstehe nach wie vor nicht, wieso eine Frau keine Spiele kommentieren soll, die Männer ganz selbstverständlich machen."

LAOLA1: Wie gehen Sie mit dieser Kritik um?

Lallitsch: Man muss sich erst einmal davon lösen, dass man 90 Minuten lang keine Fehler macht, nie wen verwechselt, alles zu 120 Prozent im Blick hat. Niemand will Fehler machen. Ich bin immer die, die am härtesten mit sich selbst ins Gericht geht. Aber man muss sich auch die Frage stellen, wie geht man mit einem Fehler um. Niemand von uns will einen machen oder macht ihn gar absichtlich. Aber natürlich passieren sie. Wenn man mit viel Spaß an die Sache herangeht, desto besser passt alles rundherum. Passiert ein Fehler, entschuldigt man sich, bessert ihn aus und weiter geht es. Vor Fehlern sind wir alle nicht gefeit. Und je entspannter man an das herangeht, desto geringer ist die Fehlerquote. Natürlich gibt es Leute, die sagen, was sie nicht gut finden. Das ist auch gut so. Aber wichtig ist, dass man weiß, neun von zehn Spielen kommentiert man gut. Wenn man einmal einen schlechten Tag hat, geht man ohnehin schon hart mit sich ins Gericht, weil man seinen Ansprüchen vielleicht nicht gerecht wurde. Aber auch da muss man sich denken: "Das wird wieder." Man muss sich überlegen, wie man da wieder rauskommt. Manchmal muss man sich erlauben, dass es länger an einem nagt und arbeitet. Aber so lang man Spaß daran hat, kann es nicht verkehrt sein. Ich hoffe aber auch, dass durch das, was mit Claudia Neumann in Deutschland war, die Leute ihre Lehren gezogen haben. Ich verstehe nach wie vor nicht, wieso eine Frau keine Männer-Spiele kommentieren soll.

LAOLA1: Können Sie sich erklären, wieso Claudia Neumann während der Fußball-WM 2018 in Deutschland so stark kritisiert wurde?

Lallitsch: Manche Dinge sind vielleicht zu sehr in den Köpfen festgefahren. Vieles, was anders oder neu ist, wird schnell einmal abgelehnt, egal wie gut es ist.

LAOLA1: Fühlen Sie sich in einer Vorreiterrolle gegenüber österreichischen Sportjournalistinnen?

Lallitsch: Schwierige Frage. Wenn ich es bin, dann mache ich das mit großer Dankbarkeit, möchte es gleichzeitig aber nicht auf die leichte Schulter nehmen. Ich bin sehr froh, dass mir diese Möglichkeit eingeräumt wurde. Ich persönlich bin sehr bescheiden und kann nur schwer damit umgehen, wenn jemand sagt: "Hey, du bist die erste Frau in Österreich, die Fußball-Spiele kommentiert, du bist eine Vorreiterin." Für mich ist das schwierig, aber ich versuche, für jeden und für jede, die nach Tipps fragt, weil sie auch Sportjournalistin werden möchte, einen Rat zu haben. Da habe ich immer ein offenes Ohr.

LAOLA1: Werden Sie oft von Frauen wegen Ihrer Berufswahl um Rat gefragt?

Lallitsch: Das kommt hin und wieder vor. Nicht nur Frauen haben Fragen, auch Männer kommen auf mich zu. Sagen, dass sie das, was ich mache, auch machen möchten, finden es gut, wie ich es mache und fragen, was man machen muss, um Kommentator zu werden.

LAOLA1: Im Sportjournalismus gibt es ohnehin wenig Frauen, in Österreich verglichen mit Deutschland noch weniger. Können Sie sich erklären, warum das so ist?

"Je normaler man mit dem Ganzen umgeht und sich sagt, ich bin hier, weil ich das gut kann, weil ich Interesse dafür habe (...), wird das nie jemand ablehnen."

Lallitsch: Wenn das irgendwer wüsste, dann könnte man es ändern. Es ist schwierig. Vielleicht trauen sich manche nicht. Ich kann nur sagen: Habt den Mut! Je normaler man mit dem Ganzen umgeht und sich sagt, ich bin hier, weil ich das gut kann, weil ich Interesse dafür habe, ich will etwas lernen und noch besser werden, wird das nie jemand ablehnen. Nicht zu sehr nach links und rechts schauen und überlegen, was andere machen oder andere denken, sondern sich fragen, was man selbst denkt. Du denkst, du willst das machen, Spaß haben und gut darin sein? Dann mach das!

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