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Söndergaard: "Ich wollte Alaba für Red Bull"

Der dänische Trainer Lars Söndergaard über Stronach, GAK-Pleite und ÖFB-Team.

Söndergaard: Foto: © getty

Rund ein Jahrzehnt lang war Lars Söndergaard fixer Bestandteil des österreichischen Fußballs. Austria Salzburg, Austria Wien, GAK, Wacker Innsbruck und Red Bull Salzburg Juniors - das waren die Stationen des Dänen. In fast 150 Bundesliga-Partien saß er als Cheftrainer auf der Bank.

Inzwischen ist der 61-Jährige seit etwas mehr als drei Jahren Teamchef der dänischen Frauen, trainiert dort mit Pernille Harder eine der besten Fußballerinnen der Welt.

Im großen LAOLA1-Interview berichtet Söndergaard nicht nur über die Fortschritte, die der dänische Fußball gemacht hat, sondern auch über seine Zeit als Coach unter Frank Stronach, seine Arbeit als Nachwuchschef von RB Salzburg und die Etablierung der Viererkette in der heimischen Bundesliga.

"Ich habe beim GAK meinen besten Vertrag unterschrieben und am wenigsten rausgekriegt", kann er inzwischen lachen, wenn er an die Pleite des GAK denkt.

LAOLA1: Dänemark ist mit Österreich, Schottland, Israel, Moldawien und den Färöer in einer Gruppe. Was sind die dänischen Erwartungen an diese WM-Quali?

Lars Söndergaard: Die Erwartung ist, dass Dänemark die Gruppe als Erster beendet. Österreich wird als gefährlichster Gegner eingeschätzt. Teamchef Kasper Hjulmand hat großen Respekt vor dem ÖFB-Team. Dänemark hat eine sehr gute Generation. Die Mannschaft will das Spiel bestimmen und nach vorne spielen.

"Wenn es um Spielminuten für junge Spieler geht, ist Nordsjaelland wahrscheinlich die Nummer eins in ganz Europa"

LAOLA1: Die Schlüsselspieler, etwa Simon Kjaer (31) und Christian Eriksen (29), sind im besten Fußballer-Alter…

Söndergaard: Genau! Aber es sind nicht nur die beiden. Andreas Christensen hat einen Stammplatz bei Chelsea, Pierre-Emil Höjbjerg steht bei Tottenham in der Startelf. Alle Spieler bekommen in den großen Ligen viele Spielminuten. Und dann gibt es noch einige junge, hungrige Spieler. Jonas Wind, Andreas Skov Olsen und Mikkel Damsgaard könnten bei der U21-EM spielen, stehen aber im A-Team. Wir sind zum vierten Mal in Folge bei der U21-EM dabei. Es ist also nicht nur eine Generation, es kommt etwas nach.

LAOLA1: Wir Österreicher wissen, wie schwierig es ist, sich für eine U21-EM zu qualifizieren. Was macht Dänemark in der Nachwuchsarbeit richtig?

Söndergaard: Wir haben uns immer als Ausbildungsland gesehen. Die meisten Klubs in der Superliga spielen mit sehr jungen Spielern. Wenn es um Spielminuten für junge Spieler geht, ist Nordsjaelland wahrscheinlich die Nummer eins in ganz Europa. Die Talente sammeln schon sehr früh Erfahrungen in der höchsten Spielklasse. Die Zusammenarbeit zwischen den Klubs und dem Verband klappt sehr gut – es gibt Programme zur Talente-Entwicklung.

LAOLA1: Vermutlich ist das überlebenswichtig für die Vereine, um dann Ablösesummen zu kassieren und so den Fortbestand zu sichern.

Söndergaard: Wahrscheinlich ist das die einzige Möglichkeit. Es gibt nicht genug Sponsoren. Für Vereine aus kleineren Fußballländern wird es immer schwieriger. Es geht nur über die Talente-Entwicklung.

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LAOLA1: Zurück zum A-Team. Sind die Dänen aktuell stärker als die Österreicher?

Söndergaard: Ich habe großen Respekt vor Österreich, viele Spieler sind Stammspieler in der deutschen Bundesliga. Aber die Ergebnisse der Dänen sind besser. Die Dänen haben einen Stamm, der sich gefunden hat, mannschaftlich schätze ich sie stärker ein. Aber es wird knapp. Und die Auslosung könnte ein Vorteil für Dänemark sein: Zuerst in einem leeren Happel-Stadion, dann wahrscheinlich vor Fans in Kopenhagen.

LAOLA1: Wieviel Bezug haben Sie noch zu Österreich?

Söndergaard: Wir haben eine kleine Ferienwohnung in Altenmarkt. Normalerweise komme ich jeden Winter zum Skifahren und jeden Sommer zum Radfahren. Wir haben noch viele Freunde in Österreich. Das war der erste Winter seit meiner Rückkehr nach Dänemark, in dem ich nicht in Salzburg war. Wenn ich da bin, sehe ich mir auch Spiele im Salzburger Stadion an, ich war zum Beispiel beim Champions-League-Spiel gegen Liverpool.

LAOLA1: Es gibt die Legende, dass Hans Backe und Sie 2000, als sie zu Austria Salzburg gekommen sind, die Viererkette nach Österreich gebracht haben. War das so?

Söndergaard: In der Bundesliga waren wir wahrscheinlich die Ersten, die die Viererkette mit Raumdeckung eingeführt haben. Unsere Gegner haben sich dann mit ihrer Ausrichtung immer extra auf uns eingestellt. Der FC Kärnten hat mit Walter Schachner damals in der 2. Liga auch mit Viererkette gespielt und ist aufgestiegen. Dann hat sich diese Ausrichtung nach und nach durchgesetzt.

"Wir sind damals bei Red Bull eher den Coerver-Weg gegangen, also die holländische Idee mit Fokus auf die Technik"

LAOLA1: Das ist erst 20 Jahre her…

Söndergaard: Unglaublich! Innerhalb kürzester Zeit haben die meisten Teams mit Raumdeckung gespielt. Davor gab es ja noch den Libero und Manndeckung.

LAOLA1: Rund eineinhalb Jahre nachdem Sie Austria Salzburg verlassen haben, ist Red Bull eingestiegen. Haben Sie damals geahnt, welchen Paradigmenwechsel das für den österreichischen Fußball bedeuten könnte?

Söndergaard: Nein, aber da bin ich wahrscheinlich nicht der einzige. Die Strategie damals war ja auch noch eine ganz andere: Ältere, bekannte Spieler aus der deutschen Bundesliga und Trainer mit großen Namen. Inzwischen gibt es eine klare Strategie, klare Strukturen, klare Ideen. Sie haben die richtigen Schlüsse gezogen, setzen jetzt auf junge Spieler. Die machen das sensationell!

LAOLA1: Sie waren von Jänner 2008 bis Sommer 2009 bei Red Bull Salzburg, als Trainer der Red Bull Juniors in der 2. Liga und als Leiter der Akademie. Wie war der Stellenwert der Nachwuchsarbeit damals innerhalb des Vereins?

Söndergaard: Er war groß, aber nicht so wie jetzt. Wir sind damals eher den Coerver-Weg gegangen, also die holländische Idee mit Fokus auf die Technik. In erster Linie wurde in die erste Mannschaft investiert, dann ins Stadion, das damals der Stadt Salzburg abgekauft wurde, danach kam der Nachwuchs.

LAOLA1: Als David Alaba im April 2008 im Alter von 15 Jahren sein Zweitliga-Debüt bei den Austria-Amateuren gefeiert hat, waren Sie Trainer des damaligen Gegners Red Bull Juniors.

Söndergaard: Ja, ich erinnere mich. Sein Weg danach ist beeindruckend!

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LAOLA1: Sie wollten Alaba damals zu Red Bull holen.

Söndergaard: Ja, wir wollten ihn haben! Wir haben gewusst, dass Frank Stronach bei der Austria aussteigen wird, und wollten die besten Spieler von der Austria holen. Damals war die Stronach-Akademie in Hollabrunn die beste Akademie des Landes. Leider für Salzburg, aber wahrscheinlich zum Glück für Alaba und die Bayern hat er sich für München entschieden.

LAOLA1: Hätte die Red Bull Akademie damals schon den Stellenwert gehabt, den sie heute hat, wäre es vermutlich möglich gewesen, Alaba zu bekommen, oder?

Söndergaard: Ich glaube, dann wäre er zu Red Bull gegangen. Damals gab es keine Perspektive für die Talente in Salzburg, weil es kein Junger zu den Profis raufgeschafft hat.

LAOLA1: Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Zeit bei der Wiener Austria?

Söndergaard: Ein super Verein! Wir sind leider nicht Meister geworden, aber wir haben es im UEFA-Cup ins Viertelfinale geschafft. Mir war damals bewusst: Unter Stronach musst du erfolgreich sein, sonst bist du weg. Nach einem Jahr wurde ich entlassen. Aber es war eine super Zeit, an die ich mich gerne zurückerinnere. Ich habe letztens daheim aufgeräumt und Zeitungsausschnitte von damals gefunden, es waren schöne Erinnerungen.

LAOLA1: Stronach hat für den Nachwuchs-Fußball in Österreich sehr viel gemacht. Gleichzeitig war er aber als Geldgeber nicht der einfachste Typ für Sportdirektoren und Trainer. Wie haben Sie ihn erlebt?

Söndergaard: Ich hatte wenig mit ihm zu tun. Wenn er da war, hat er mit Günther Kronsteiner, damals Sportchef, gesprochen. Wenn wir drei, vier schlechtere Spiele hatten, musste Kronsteiner zu einem Meeting nach Oberwaltersdorf, dann haben wir gezittert. Es ist schade…

"Wenn Stronach mehr auf die Experten gehört hätte als auf alle anderen, wäre eine nachhaltigere Strategie möglich gewesen"

LAOLA1: Was?

Söndergaard: Die Austria hätte mit diesem Geld einen anderen Weg gehen können. Es wurde viel investiert, vor allem in den Nachwuchs. Aber dann konnten Spieler wie Alaba ablösefrei gehen. Es wurde viel aufgebaut und dann wieder zerstört. Wenn Stronach mehr auf die Experten gehört hätte als auf alle anderen, wäre eine nachhaltigere Strategie möglich gewesen. Es hätte damals schon eine andere Infrastruktur geschaffen werden können – ein neues Stadion, eine Akademie in Favoriten. Man hätte etwas Ähnliches wie jetzt in Salzburg aufbauen können.

LAOLA1: Finanziell weniger auf Rosen gebettet war der GAK, als Sie dort Trainer waren.

Söndergaard: Ich habe auch dort viele gute Leute getroffen, Freundschaften geschlossen. Sportlich war es nicht einfach. Es war schnell klar, dass es große finanzielle Probleme gibt. Vor allem das letzte halbe Jahr war schwierig, als wir schon fix abgestiegen waren und nur mit jungen Spielern gespielt haben. Das hatte auch Positives: Der ganz junge Zlatko Junuzovic hat viel Spielpraxis gesammelt. Es gab aber auch gute Zeiten – wir haben mit einer ganz jungen Mannschaft im Hanappi-Stadion gegen Rapid 4:1 gewonnen. Und ich habe ein Derby gegen Franco Foda gewonnen! Schade, was mit dem Verein passiert ist, aber jetzt sieht es ja wieder besser aus.

LAOLA1: Während Ihres letzten halben Jahres beim GAK wurden so gut wie gar keine Gehälter mehr ausbezahlt, oder?

Söndergaard: Es gab einige Monate, da haben wir kein Geld gesehen. Ich habe beim GAK meinen besten Vertrag unterschrieben und am wenigsten rausgekriegt. (lacht)

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LAOLA1: Hatten Sie nach ihrem Aus in Salzburg und ihrer Rückkehr 2009 noch einmal Angebote aus Österreich?

Söndergaard: Ja. Es gab 2016 mit einem Klub ein Gespräch, das ist wahrscheinlich am Finanziellen gescheitert. Und von einem anderen Verein gab es einmal eine Anfrage. Aber es ist ja so: Aus den Augen, aus dem Sinn. So war das auch damals aus dänischer Sicht, als ich in Österreich gearbeitet habe. Es kommen ja jetzt immer mehr junge, ambitionierte Trainer nach. Ich bin froh, dass ich so lange durchgehalten habe. Wer ist noch im Geschäft von den Trainern, als ich in Österreich war? Franco Foda und Werner Gregoritsch. Aber sonst? Vielleicht ist es ganz gut, wenn nicht alle so alt sind wie ich. (grinst)

LAOLA1: Kaum haben wir diesen Interview-Termin ausgemacht, gibt der GAK auch schon bekannt, dass er ein Frauenteam startet.

Söndergaard: Okay, super! (lacht)

LAOLA1: In Österreich haben immer mehr große Vereine auch Frauenmannschaften. Wie ist das in Dänemark?

Söndergaard: Aktuell haben vier Vereine aus der Superliga auch Frauenteams in der höchsten Liga. Das wird immer normaler. Die Vereine sehen die positive Seite an den Frauenteams.

"Wir sprechen im Verband nicht über Spielweisen für Frauen und Spielweisen für Männer, wir sprechen über Spielweisen für Dänemark"

LAOLA1: Wie ist der Stellenwert des Frauenfußballs in Dänemark?

Söndergaard: Es gibt Fortschritte, es wird mehr und mehr. Zum Nationalteam kommen viele Fans, da ist das mediale Interesse auch groß. Bei den Vereinen ist es noch nicht so viel. Bei einigen Vereinen kommen zwischen 500 und 1.000 Zuschauer zu den Spielen – wenn nicht wegen Corona Geisterspiele stattfinden. Letztes Jahr wurde eine neue Frauenliga gegründet, in der kommenden Saison wird sie dann auch in jenem TV-Sender übertragen, der auch die Rechte an der Männerliga hat.

LAOLA1: Mit Pernille Harder hat der dänische Frauenfußball einen echten Superstar.

Söndergaard: Sie ist eine der besten Spielerinnen der Welt. Sie ist – gemeinsam mit einigen Spielerinnen aus den USA – für den Frauenfußball weltweit wichtig. Sie spielt nicht nur Fußball, sie hat auch eine Meinung zu anderen Themen. Es ist auch immer eine Freude, mit ihr über Fußball zu sprechen, sie weiß sehr viel, wir können taktische Sachen im Detail besprechen.

LAOLA1: Mit dem Frauen-Nationalteam läuft es hervorragend. Sie haben sich mit ihrem Team in der Qualigruppe ungeschlagen, mit neun Siegen aus zehn Spielen durchgesetzt. Ist Dänemark einer der Turnier-Favoriten bei der EURO 2022?

Söndergaard: Es ist zu früh, das zu sagen. Es gibt in Europa viele sehr gute Teams, bei der letzten WM waren sieben der acht Viertelfinalisten europäische Teams. Aber man sollte uns auf der Rechnung haben!

LAOLA1: Wie erleben Sie die Entwicklung der österreichischen Frauen?

Söndergaard: Ich habe das 1:6 gegen Schweden gesehen, das hat mich überrascht. Aber grundsätzlich zeigen sie mit ihrem hohen Pressing sehr gute Leistungen. Das ist eine spannende Mannschaft. Die Legionäre in England und Deutschland sind richtig gut. Ich sehe die Bayern oft, weil dort Simone Boye Sörensen spielt. Dort beobachte ich, dass Sarah Zadrazil und Carina Wenninger sehr beeindruckende Leistungen zeigen.

LAOLA1: Was hat Sie bewegt, in den Frauenfußball zu wechseln?

Söndergaard: Für dänische Trainer war es damals nicht üblich, ins Ausland zu wechseln. Ich hatte in Österreich eine gute Zeit. Nach meiner Rückkehr nach Dänemark war ich bei Viborg, SönderjyskE und Aalborg. Danach habe ich überlegt, wieder ins Ausland zu gehen. Kurz nach der Frauen-EM 2017, als Dänemark Zweiter wurde, habe ich das Angebot bekommen. Für mich war das eine gute Gelegenheit – ich konnte wieder reisen, die Wochenenden waren ruhiger. Und da gab es die Perspektive, mit den besten Spielerinnen zu trainieren. Es hatte einen Reiz für mich, den Frauenfußball besser kennenzulernen und beim Aufbau mitzuhelfen. Ich war der erste bekannte Trainer, der aus dem Männerfußball gekommen ist. Ich konnte etwas bewegen.

LAOLA1: Inzwischen sind Sie seit über drei Jahren dabei.

Söndergaard: Ich bereue diesen Schritt nicht, es ist wahnsinnig interessant. Die Zusammenarbeit mit Männer-Teamchef Kasper Hjulmand ist großartig. Wir sprechen im Verband nicht über Spielweisen für Frauen und Spielweisen für Männer, wir sprechen über Spielweisen für Dänemark. Wir begegnen uns auf Augenhöhe.

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