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Flavius Daniliuc: Wenn Mbappe auf dich zukommt...

Der U21-Teamkapitän über seinen Durchbruch in der Ligue 1:

Flavius Daniliuc: Wenn Mbappe auf dich zukommt... Foto: © GEPA

"Es war eine aufregende, sehr positive Saison", grinst Flavius Daniliuc.

Und das ist tendenziell noch eine Untertreibung. Der 20-Jährige hat den Durchbruch im Profi-Fußball geschafft. Nachdem er vor rund einem Jahr ein Vertragsangebot des FC Bayern ausgeschlagen hat und aus der zweiten Mannschaft der Münchner nach Nizza gewechselt ist, hat er auf Anhieb 26 Pflichtspiele für den Klub an der französischen Riviera bestritten, 18 davon von Beginn an.

Zudem wurde der Wiener zum neuen Kapitän der ÖFB-U21, die am Dienstag (19:10 Uhr im LIVE-Ticker) mit einem Heimspiel gegen Estland in die EM-Qualifikation startet.

Im großen LAOLA1-Interview erzählt der Innenverteidiger über sein Duell mit Kylian Mbappe, wie er sich den Respekt seiner Mitspieler erarbeitet hat, wie er innerhalb von sechs Wochen sieben Kilo Muskelmasse zugelegt hat und welche Rolle der Glaube in seinem Leben spielt.

LAOLA1: Du bist der neue Kapitän der ÖFB-U21. Gratulation!

Flavius Daniliuc: Danke! Für mich ist es eine große Ehre, Kapitän zu sein. Mich erfüllt das mit Stolz. Ich trage nicht nur die Binde, sondern auf und abseits des Platzes auch Verantwortung. Ich nehme diese Verantwortung gerne an.

LAOLA1: Du warst im Bayern-Nachwuchs auch schon Kapitän. Bist du ein Leader-Typ?

Daniliuc: Es ist schwer, das über sich selbst zu sagen. Ich bin Innenverteidiger und habe das Spiel immer vor mir. Und ich bin generell ein offener Mensch, mir fällt es dadurch leichter, Dinge anzusprechen und in schwierigen Situationen voranzugehen.

"Ich würde mich zwar nicht als absoluten Stammspieler bezeichnen, aber ich bin froh, meine Ziele übertroffen zu haben."

LAOLA1: Man hört von dir, dass du schon sehr erwachsen bist für dein Alter.

Daniliuc: (lacht) Ich habe für meine 20 Jahre schon relativ viel erlebt. Ich habe eine große Familie, in der immer etwas los ist. Ich weiß nicht, ob ich erwachsen bin, aber mein bisheriges Leben hat mich geprägt.

LAOLA1: Geprägt hat dich sicher auch die abgelaufene Saison, als du nach deinem Wechsel zu OGC Nizza dein Debüt im Profi-Fußball feiern durftest und mehr oder weniger regelmäßig in der Ligue 1 zum Einsatz gekommen bist.

Daniliuc: Es war eine aufregende, sehr positive Saison.

LAOLA1: Hast du dir im Sommer, als du nach Frankreich gewechselt bist, erträumt, dass es so läuft?

Daniliuc: Ich habe mir vor der Saison meine Ziele gesetzt. Dann hat sich Dante verletzt, es wurde ein Platz mehr frei, die Mannschaft hat nicht so geliefert und es hat sich die Tür für mich geöffnet. Man kriegt nicht viele Momente, da geht es dann darum, da zu sein. Das habe ich geschafft. Ich würde mich zwar nicht als absoluten Stammspieler bezeichnen, aber ich bin froh, meine Ziele übertroffen zu haben.

(Interview wird unter dem Video fortgesetzt)

LAOLA1: Was war der geilste Moment in der letzten Saison?

Daniliuc: Mein allererstes Profi-Tor werde ich nie vergessen. In dieser Situation war die Mannschaft sehr instabil, Stade Rennes war weit vor uns, wir waren eigentlich nicht in der Situation, das Spiel gewinnen zu können. Und mir ist das Siegtor zum 2:1 gelungen. Mannschaftlich waren die Siege gegen Lyon und Marseille etwas Besonderes.

LAOLA1: Was ist mit deinem Ligue-1-Debüt gegen PSG?

Daniliuc: (lacht) Ja, das war auch nicht schlecht. Bei der Einwechslung war ich nicht nervös, davor aber schon, als ich zur Bank gerufen wurde. Wir lagen schon 0:3 zurück, ich habe es als Gelegenheit gesehen, mich mit den PSG-Spielern wie Kylian Mbappe zu messen. Ich wollte sehen, ob ich in dieser Liga mithalten kann.

Foto: © GEPA

LAOLA1: Was war deine Erkenntnis?

Daniliuc: Einerseits, dass PSG ein ganz anderes Niveau hat, andererseits, dass ich mich nicht verstecken muss. Ich habe gesehen, dass ich mit einem gewissen Selbstbewusstsein in die Spiele gehen muss, sonst wird man in dieser Liga aufgefressen.

LAOLA1: Kylian Mbappe, Mauro Icardi, Angel di Maria, Memphis Depay, Dimitri Payet, Arkadiusz Milik, Burak Yilmaz – du hast es in dieser Saison mit einigen Hochkarätern zu tun bekommen. Wer war der unangenehmste Gegenspieler?

Daniliuc: Ich gebe die Antwort, die sich jeder erwartet: Mbappe. Seine Qualität ist offensichtlich, er sticht heraus. Er wirkt im TV größer als er ist, aber dann kommt er mit so einer Schnelligkeit daher, dass du das einfach nicht verteidigen kannst.

LAOLA1: Was sind die Dinge, wo du dich noch am meisten verbessern musst, um auf so hohem Niveau reüssieren zu können?

Daniliuc: In gewissen taktischen Aspekten fehlt mir noch die Erfahrung. Ich werde in allem noch eine Schippe drauflegen müssen. Ich will einmal Champions League und in einem europäischen Top-Klub spielen. Dafür muss ich mich in jedem Bereich verbessern.

"Wenn man sich traut und Verantwortung übernimmt, kann man immer noch die Lückenpässe finden, die Diagonalbälle spielen."

LAOLA1: Jetzt stelle ich die Frage auch noch andersrum. Hat es etwas gegeben, wo du selbst von deinen Fähigkeiten überrascht warst?

Daniliuc: Die Zweikampfstärke. Ich dachte, mein Körper ist für die U19 des FC Bayern gut, aber dann habe ich gemerkt, dass es gar kein Riesenunterschied zur Ligue 1 ist. Natürlich sind die Spieler schneller und robuster. Und noch etwas.

LAOLA1: Was denn?

Daniliuc: Das Rausspielen mit dem Ball. Wenn man sich traut und Verantwortung übernimmt, kann man immer noch die Lückenpässe finden, die Diagonalbälle spielen. Es braucht nur Mut, es einfach zu machen.

LAOLA1: Du hattest 89 Prozent angekommene Pässe und auch bei den langen Bällen eine richtig gute Quote. Rührt das auch daher, dass du ursprünglich offensivere Positionen gespielt hast?

Daniliuc: Das glaube ich nicht. Ich trainiere das nach den Trainingseinheiten oft. Wenn Dante fit war, haben wir nach den Trainings immer lange Bälle geschlagen, und als er verletzt war, habe ich das mit William Saliba und Jean-Clair Tobido gemacht. Als Innenverteidiger trainierst du nicht Torschüsse, weil es Spaß macht, sondern die Dinge, die du brauchst. In der Ligue 1 stehen die Mannschaften so kompakt und tief, dass du lange Bälle brauchst, um das Spiel schneller zu machen. Wenn du das nicht beherrscht, spielst du nicht.

LAOLA1: Du hast meistens Innenverteidiger gespielt, aber auch als Rechtsverteidiger. Wie ist es dir damit gegangen?

Daniliuc: Ich freue mich, dass mir das zugetraut wurde, weil ich gemerkt habe, dass ich das auch spielen kann und es positiv für meine Entwicklung ist. Ich sehe meine Fähigkeiten aber besser in der Innenverteidigung aufgehoben, dort wurde ich ausgebildet. Grundsätzlich freue ich mich aber über jede Spielminute, ich würde sogar Tormann spielen.

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LAOLA1: Du wirst im Sommer deinen dritten Trainer in Nizza bekommen. Nicht unbedingt ideal, oder?

Daniliuc: Dank Gott konnte ich mich unter den ersten beiden beweisen. Ich weiß nicht, wer der dritte Trainer wird. Ich hoffe nur, dass ich eine ehrliche Chance bekomme – dann sehe ich den Trainerwechsel gar nicht als negativ. Ich konnte von Patrick Vieira und Adrian Ursea viel lernen.

LAOLA1: Wie hat sich dein Standing innerhalb der Mannschaft im Laufe dieser Saison verändert?

Daniliuc: Am Anfang ist man der junge Spieler, der sich beweisen muss. Da ist man auch nervöser, das ist normal. Ich habe in Nizza versucht, meine mentalen Fähigkeiten einzubringen. Ich will nicht nur ein Führungsspieler für die Spieler in meinem Alter sein. Da musst du dich trauen, den älteren Spielern am Platz mal etwas zu sagen. Da gibt es dann auch mal ein Wortgefecht mit einem Kollegen, aber natürlich mit Respekt. Ich bin davor nicht zurückgeschreckt. Ich denke, sie sehen mich jetzt mehr als Führungsspieler.

LAOLA1: Wie geht es dir mit der Sprache?

Daniliuc: Ich hatte viel Unterricht, verstehe inzwischen alles, auch das Sprechen geht schon relativ gut. Es gibt viele Spieler, die nur Französisch sprechen, denen kann man ja nicht aus dem Weg gehen. Mein Ziel ist es, die Sprache perfekt zu lernen.

LAOLA1: Es gibt diese Geschichte, dass du dir während des ersten Lockdowns in München sieben Kilo Muskelmasse antrainiert hast.

Daniliuc: Ich war im Bayern-Campus, wo es einen sehr gut ausgestatteten Fitnessraum gibt, wir hatten kein Mannschaftstraining. Ich hatte viel Zeit. Durch das fehlende Fußballtraining habe ich nicht viel geschwitzt bzw. Muskelmasse wieder abgenommen. Nach eineinhalb Monaten waren es sieben Kilo.

LAOLA1: Ihr wart nur vier Spieler, die sechs Wochen lang alleine am Bayern-Campus waren.

Daniliuc: Das war auch nicht leicht, es war eine zache Zeit. Ich wäre lieber bei meiner Familie in Wien gewesen. Aber es war nicht so schlimm, wir hatten dort viele Möglichkeiten.

"Es ist ein christlicher Glaube, in dem es darum geht, ein guter Mensch zu sein, der seine Prinzipien im Leben verfolgt, egal, was in dieser Welt so passiert. Das prägt mich im Fußball und im privaten Leben."

LAOLA1: Du hast fünf Geschwister, oder?

Daniliuc: Ich bin der Jüngste. Wir sind vier Brüder und zwei Schwestern.

LAOLA1: Hat dich David Alaba vor seinem Wechsel nach Madrid um Rat gefragt?

Daniliuc: (lacht) Wenn, dann muss ich ihn um Rat fragen. Wir haben kurz geschrieben, ich habe ihm zum Wechsel gratuliert, er hat mir zu meiner Saison gratuliert. Ich kann nur Positives über ihn erzählen.

LAOLA1: Was sind deine Erinnerungen an deine Zeit in Madrid?

Daniliuc: Relativ positiv. Die Zeit hat mich mental und als Spieler geprägt. Ich wäre nicht der Fußballer, der ich bin, hätte ich diese Zeit bei Real Madrid nicht gehabt.

LAOLA1: Du bist als Fußballer in Österreich, in Spanien und in Deutschland ausgebildet worden. Von wo hast du am meisten mitgenommen?

Daniliuc: Aus München. Ich war dort in dem Alter, in dem es am Wichtigsten ist. Nur ein deutscher Verein kann dich so in Sachen Siegeswille, Mentalität und Disziplin ausbilden. Es gilt dort das Leistungsprinzip.

LAOLA1: Du warst 2012 auch ein paar Monate bei Red Bull.

Daniliuc: Das war so etwas wie eine Leihe, ich bin nicht mehr sicher. Die Leute, die mich damals von Red Bull geholt haben, wurden dann aber rausgeschmissen. Das waren damals die Holländer, die jetzt bei Ajax sind. Red Bull wollte aus der Leihe etwas Langfristiges machen, Real aber nicht. Es war zu dem Zeitpunkt für mich aber relativ egal, wo ich bin.

LAOLA1: Du bist ein sehr gläubiger Mensch. Welche Rolle spielt dein Glaube in deinem Leben?

Daniliuc: Die größte aller Rollen. Wir sind als Familie sehr gläubig aufgewachsen. Ich rede da nicht von Religion, sondern von Glauben. Es ist ein christlicher Glaube, in dem es darum geht, ein guter Mensch zu sein, der seine Prinzipien im Leben verfolgt, egal, was in dieser Welt so passiert. Das prägt mich im Fußball und im privaten Leben.

LAOLA1: Wie schwierig ist es, sich in dieser Profi-Fußball-Blase an diese Prinzipien zu halten?

Daniliuc: Einerseits ist es schwierig, weil man vielen Versuchungen ausgesetzt ist, andererseits geht es darum, diese Prüfungen bestehen zu können. Wenn man diese Prüfungen besteht, bestärkt einen das. Meine Mitspieler reagieren darauf auch sehr positiv.

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