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ÖFB-Team: Ein Blick auf die Generationenfrage

Das Nationalteam ist routiniert geworden. Von der Alaba- in die Demir-Generation?

ÖFB-Team: Ein Blick auf die Generationenfrage Foto: © getty

Es war ein interessanter Gedanke, den Israels Teamchef Willi Ruttensteiner unter der Woche in Klagenfurt im Vorfeld des Duells mit Österreich (20:45 Uhr LIVE) platzierte.

Sorgen müsse man sich um den österreichischen Fußball keine machen angesichts der vielen Legionäre: "Spieler bei Real Madrid, Barcelona oder Bayern München - das hätte ich mir im Jahr 2000 nicht einmal zu träumen gewagt. Es ist unglaublich, wie viele Legionäre in den letzten 20 Jahren produziert worden sind. Das war ein Meilenstein."

Aber: Das Ziel müsse sein, diese Generation mit der nächsten zu ersetzen. "Mit guter Spielerentwicklung ist das möglich, nur ist es nicht leicht", weiß Ruttensteiner als langjähriger ÖFB-Sportdirektor (bis 2017), wovon er spricht.

Sehr provokant könnte man übersetzen, dass die Ruttensteiner-Generation von der Schöttel-Generation abgelöst werden muss.

Eine These, die in der Realität allerdings kaum funktioniert, da die Grenze kaum zu ziehen ist. Diverse nun erst nachrückende Spieler wurden bestimmt noch anhand der Ideen Ruttensteiners ausgebildet.

Der Grundgedanke des Oberösterreichers ist jedoch einer, dem man sich im ÖFB früher oder später stellen muss. Die "Generation Alaba/Arnautovic" ist routiniert geworden.

Dies dürfte aktuell eigentlich noch kein Problem darstellen, da diverse Protagonisten im besten Fußballer-Alter sind. Gleichzeitig sind sie schwer zu ersetzen, wie diese WM-Qualifikation gezeigt hat.

Zu einem Blick auf die Altersstruktur im ÖFB-Team lädt es jedenfalls dennoch ein.

Eigentlich stimmt die aktuelle Mischung

Eigentlich, ja eigentlich befindet sich vor allem der erweiterte Stamm des Nationalteams in einem guten Fußball-Alter.

Von Haudegen um die 30 über viele Mittzwanziger bis zu einem noch eher jüngeren Führungsspieler wie Christoph Baumgartner ist da alles dabei. Die Mischung stimmt.

Betrachtet man das ganze Länderspiel-Jahr 2021 ist bedauerlich, dass der engste Kreis an Startelf-Kandidaten nur ein Mal geschlossen anwesend war - und das war bei der EURO.

Dort mag auch nicht alles geklappt haben, aber der Unterschied zur WM-Qualifikation war doch sehr auffällig. Bei allen bisherigen Quali-Lehrgängen fehlten indes diverse Stammspieler und dies konnte man nicht kompensieren.

Enttäuschende zweite Reihe

Und dies, obwohl man nominell über den wohl größten und besten Spieler-Pool seit zumindest langer Zeit verfügt. Was die Arbeitgeber der meisten Kadermitglieder und Kandidaten angeht, trifft dies sogar bestimmt zu.

Es mag diverse Gründe geben, aber dass man sich auf die zweite Reihe weniger als erhofft verlassen kann, ist ein Urteil, das man nach diesem Länderspiel-Jahr leider fällen muss.

Wenn diese Nachrücker dann auch noch zur routinierten Hälfte des Kaders gehören, ist dies kein allzu gutes Zeichen. Das scheint inzwischen auch Franco Foda erkannt zu haben - spätestens nach dem einen oder anderen dezenten Hinweis zur Qualitätsfrage in den hinteren Kaderregionen.

Mit Nicolas Seiwald und Junior Adamu lässt der Teamchef erstmals zwei Salzburg-Youngster A-Team-Luft schnuppern. Auch Dejan Ljubicic und Marco Grüll bekommen weiter die Gelegenheit, sich zu zeigen und verjüngen so das Aufgebot, während Michael Gregoritsch oder Florian Kainz diesmal keine Einladung haben.

Wie lange halten Arnautovic, Alaba und Co. durch?

"Ich habe ja nicht umsonst neue Spieler einberufen", sagt Foda, "sondern um einen neuen Schwung innerhalb der Truppe zu erzeugen. Es ist auch möglich, dass der eine oder andere zum Einsatz kommt."

Wie wichtig der rechtzeitige Aufbau von Länderspiel-Erfahrung ist, ist kein Geheimnis. Wenn einige angedachte Säulen der Zukunft jetzt schon Erfahrungen sammeln, ist dies bestimmt kein Fehler.

Denn was Ruttensteiner anspricht, hat schon etwas für sich. Wie viele der aktuellen Routiniers beispielsweise noch die Quali für die WM 2026 angehen, ist nämlich zumindest fraglich.

Ausschließen kann man bekantlich nichts. Aber Marko Arnautovic wäre beim Turnier in Kanada, Mexiko und den USA etwa bereits 37, auch David Alaba oder Martin Hinteregger hätten den 30. Geburtstag schon das eine oder andere Jährchen hinter sich.

Einige spielen um die Verlängerung ihrer ÖFB-Karriere

Dass im März im WM-Playoff einige Kadermitglieder um ihre womöglich letzte WM-Chance und manche auch um die Verlängerung ihrer Nationalteam-Karriere spielen, liegt somit auf der Hand.

Denn um zumindest einen leichten Schnitt käme ein ÖFB-Teamchef egal welchen Namens bei einem endgültigen Verpassen der WM 2022 wohl nicht herum, wie auch ein Blick auf den Kader plus einige der verletzten oder diesmal nicht nominierten Dauerbrenner zeigt:

Ü-30

(Mitglieder des aktuellen Kaders gefettet)

Name Geboren Alter Länderspiele/Tore
Andreas Ulmer 30.10.1985 36 28/0
Christopher Trimmel 24.02.1987 34 18/0
Julian Baumgartlinger 02.01.1988 33 84/1
Marko Arnautovic 19.04.1989 32 94/29
Stefan Ilsanker 18.05.1989 32 59/0
Heinz Lindner 17.07.1990 31 28/0
Aleksandar Dragovic 06.03.1991 30 96/2

Hier tummeln sich jahrelange Leistungsträger, die eine ernsthafte Bewerbung zum Rekordinternationalen abgeben, genauso wie brave Backups, die teilweise erst spät in der Karriere den Nationalspieler in sich entdeckt haben.

Mit letzterer Einschätzung sind natürlich Andreas Ulmer und Christopher Trimmel gemeint.

Dass Österreich hinter David Alaba und Stefan Lainer mit hoher Dringlichkeit Außenverteidiger von vernünftigem internationalen Niveau aufbauen muss, wird immer dringlicher. Schließlich sind die beiden Platzhirsche auch bereits 29 Jahre alt.

26 - 29 JAHRE

Name Geboren Alter Länderspiele/Tore
Karim Onisiwo 17.03.1992 29 14/1
David Alaba 24.06.1992 29 90/14
Stefan Lainer 27.08.1992 29 33/2
Martin Hinteregger 07.09.1992 29 64/4
Florian Kainz 24.10.1992 29 20/0
Alessandro Schöpf 07.02.1994 27 30/5
Marcel Sabitzer 17.03.1994 27 56/9
Michael Gregoritsch 18.04.1994 27 33/5
Daniel Bachmann 09.07.1994 27 11/0
Louis Schaub 29.12.1994 26 27/6
Florian Grillitsch 07.08.1995 26 31/1

Alaba, Lainer und Hinteregger feiern 2022 ihren 30er. Sollte der Sprung zur WM doch noch gelingen, läuft vieles auf eine Ü30-Abwehr mit Lainer, Dragovic, Hinteregger und Alaba hinaus.

Marcel Sabitzer ist im besten Fußball-Alter und hat diesen Umstand mit einem Wechsel zu den Bayern belohnt. Man darf davon ausgehen, dass Florian Grillitsch einen ähnlichen Schritt auf Vereins-Ebene spätestens kommenden Sommer nachholen möchte.

Manch andere Kadermitglieder im besten Fußballer-Alter sind indes aufgerufen, ihre ÖFB-Schüchternheit abzulegen. Karim Onisiwo etwa beweist zu selten, dass seine Einberufungen gerechtfertig sind. Auch Alessandro Schöpf oder Louis Schaub sind zu oft nur Mitläufer.

Kommt da nicht konstanter mehr, könnte ihnen ein ähnliches Schicksal wie Gregoritsch und Kainz drohen, die nun einen neuen Anlauf nehmen müssen.

21 - 25 JAHRE

Name Geboren Alter Länderspiele/Tore
Ercan Kara 03.01.1996 25 6/0
Alexander Schlager 01.02.1996 25 6/0
Valentino Lazaro 24.03.1996 25 32/3
Philipp Lienhart 11.07.1996 25 7/0
Patrick Pentz 02.01.1997 24 0/0
Stefan Posch 14.05.1997 24 14/1
Konrad Laimer 27.05.1997 24 18/2
Sasa Kalajdzic 07.07.1997 24 11/4
Xaver Schlager 28.09.1997 24 24/1
Dejan Ljubicic 08.10.1997 24 1/0
Marco Grüll 06.07.1998 23 1/0
Christoph Baumgartner 01.08.1999 22 17/6

In diesem Altersspektrum sollten sich die Führungsspieler von morgen befinden, und das tun sie auch.

Xaver Schlager und Konrad Laimer könnten jeweils schon viel mehr Länderspiele haben, wenn sie nicht zwischenzeitlich von Verletzungen gebremst worden wären. Beide sind fraglos Kandidaten für richtig viele Länderspiele im Lebenslauf.

Selbiges gilt für Christoph Baumgartner, der sich in atemberaubendem Tempo nicht nur ein Stammleiberl gesichert, sondern sich mit seiner positiv-originellen Art auch zu einem Sprachrohr der Mannschaft entwickelt hat.

Gerade in einer personell schwierigen Qualifikation wie dieser, in der sich viele Chancen für Akteure abseits des engen Stamms ergeben haben, wäre es wünschenswert gewesen, wenn mehr "Baumgartners" selbige auch auf Anhieb genutzt hätten.

Dass nach Höhen jedoch auch Tiefen kommen können, verdeutlicht das Beispiel Valentino Lazaro. Da es gerade am Flügel keinen Stau an sich vehement aufdrängenden Kandidaten gibt, wäre es von Vorteil, wenn der Benfica-Legionär seine ÖFB-Karriere wieder auf die Reihe kriegt. Denn de facto stand er jetzt zwei Jahre kaum zu Verfügung.

Gut ist, dass es anders als in der Außenverteidigung mit Philipp Lienhart und Stefan Posch gute potenzielle "Erben" in der Innenverteidigung gibt. Hier lauern bekanntlich auch noch einige noch Jüngere.

Auf Sasa Kalajdzic ruhen die größten Hoffnungen auf einen Stürmer, der auch nach der Ära Arnautovic regelmäßig für Österreich trifft.

Generell ist jedoch festzuhalten, dass angesichts des über Jahre recht festen Stamms doch recht wenige in diesem Alterspektrum schon nachhaltig Länderspiel-Erfahrung gesammelt haben.

Entsprechend ungeduldig ist beispielsweise Köln-Legionär Dejan Ljubicic, der erst einen ÖFB-Kurzeinsatz in den Beinen hat und inzwischen auch schon 24 ist: "Ich will mich auch beim Nationalteam präsentieren. Ich will zeigen, dass ich Dejan Ljubicic bin und für Österreich spielen will."

Zudem sei erwähnt, dass Marco Grüll und Baumgartner derzeit die einzigen Vertreter der Jahrgänge 1998 und 1999 sind. Andere Kandidaten aus diesen Jahrgängen wie etwa Maximilian Wöber, Kevin Danso, Marco Friedl oder Hannes Wolf schafften es bislang nicht so recht, ihre Nationalteam-Karriere in Schwung zu bringen.

18-20 JAHRE

Name Geboren Alter Länderspiele/Tore
Nicolas Seiwald 04.05.2001 20 0/0
Junior Adamu 06.06.2001 20 0/0
Yusuf Demir 02.06.2003 18 4/0

Teenager sind in Nationalteams nicht wirklich ungewöhnlich, im ÖFB-Team war Yusuf Demir zuletzt aber schon so etwas wie ein Exot. Die Lücke zu Baumgartner beträgt immerhin vier Jahre.

Mit Seiwald und Adamu hat der Barcelona-Legionär nun immerhin Gesellschaft von zwei 20-Jährigen bekommen. Das Trio repräsentiert auch die nach dem Jahrtausendwechsel geborenen Spieler im Nationalteam.

Inzwischen ist es natürlich viel schwerer geworden, in ganz jungen Jahren den Sprung in den ÖFB-Kader zu schaffen. Den einen oder anderen Spot für besonders hoffnungsvolle Talente frei zu halten, ist aber tendenziell kein Fehler.

Diverse Führungsspieler von heute wie Arnautovic, Alaba, Dragovic oder Sabitzer sammelten bereits als Teenager erste wertvolle ÖFB-Erfahrungen und haben auch bald davon profitiert.

Von der Arnautovic/Alaba- zur Demir-Generation

Fazit: Die Floskel vom "jungen Team", die rund um das ÖFB-Team viele Jahre lang bemüht wurde, hat man zurecht schon länger nicht mehr gehört. Sie wäre auch nicht angebracht.

Eine Lehre dieser WM-Qualifikation könnte sein, dass man die Mischung zwischen festem Grundgerüst und frischen Wind verfeinern muss. Lässt die zweite Reihe sowohl im ÖFB-Dress als auch im Verein aus, sollte das Leistungsprinzip früher zur Anwendung kommen. Und das auch bei allem großen Verständnis für auf Nationalteamebene so wichtige Automatismen. Aber was nutzen selbige, wenn sie am Feld zu selten abgerufen werden?

Gleichzeitig reicht ein Blick auf die Geburtsdaten, dass man sich langsam auf den nächsten Generationenwechsel vorbereiten muss.

Noch besteht kein Grund zur Panik, aber Ruttensteiner hat schon recht, dass man dieses Thema im Auge haben muss. Ein guter Sportdirektor hat frei nach Rutensteiner auch stets das nächste Jahrzehnt im Blick.

Der Übergang von der Alaba/Arnautovic- in die Demir-Generation wird fraglos ein spannender.


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