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ÖFB schreibt Geschichte: Wie war das möglich?

Warum vor allem die Stimmung großen Anteil am Auftreten hat.

ÖFB schreibt Geschichte: Wie war das möglich? Foto: © GEPA

"Das war so unser Motto: Geschichte schreiben!", berichtet Franco Foda.

Das letzte Kapitel dieser Geschichte ist ein denkwürdiges. Trotz 1:2-Niederlage gegen Italien und damit verbundenem Ausscheiden im Achtelfinale der EURO eroberte das ÖFB-Team viele Herzen zurück, die es in den Wochen, Monaten und Jahren davor verloren hat.

Im ersten EM-Finalrunden-Match überhaupt und im ersten K.o.-Spiel seit 67 Jahren agierte das Nationalteam auf einem Niveau, das einen der großen Turnierfavoriten gehörig ins Wanken brachte. Wann war Österreich letztmals so gut?

Und vor allem: Wie war das möglich?

Denn als das Nationalteam am 27. Mai in die EURO-Vorbereitung startete, herrschte nach dem völlig verkorksten März-Lehrgang noch ein Mittelding zwischen Krisenstimmung und Gleichgültigkeit.

Stimmung auf der Agenda ganz weit oben

(Text wird unter dem Video fortgesetzt)

Im ÖFB-Lager selbst setzte sich von Tag eins an ein Spirit durch, wie ihn die ÖFB-Familie schon längere Zeit nicht mehr zu transportieren vermochte.

"Die vier Wochen gingen so schnell rum. Es gab keinen Lagerkoller, im Gegenteil. Es hat sich so angefühlt, als ob wir erst eine Woche zusammen wären", beschreibt Foda seine Sicht der Dinge.

Mit den Folgen des Fehlstarts in die WM-Qualifikation wird Österreich womöglich im Herbst noch zu kämpfen haben. Für die EURO war ein derartiger Tiefschlag jedoch tendenziell ein Weckruf zur rechten Zeit.

Danach rauchten die Köpfe, und dass alle Beteiligten das Thema Stimmung auf der Agenda ganz weit oben angesiedelt haben, wurde bald deutlich. Auch der Teamchef ging bei diesem Thema in sich. Mit Julian Baumgartlinger einen "Non Playing Captain" dabei zu haben, der gerade in diesem Bereich viel Arbeit übernahm, war von Vorteil.

Foda: Gewisse Spieler nicht zu ersetzen

"Der Teamspirit wurde ständig befeuert, weil wir von Anfang an sehr viel Wert darauf gelegt haben, dass die Kameradschaft, das 'Wir', das Zusammengehörigkeitsgefühl der gesamten Truppe gefördert wird. Das hat die Burschen regelrecht angesteckt, jeder hat sich für sie hineingehaut", so ÖFB-Boss Leo Windtner.

"Man kann den Lehrgang im März ja nicht mit diesem EM-Lehrgang vergleichen. Das haben ja auch alle wieder vergessen, dass im März schon auch wichtige Spieler gefehlt haben. Es gibt eben gewisse Spieler, die nicht zu ersetzen sind, und das haben sie jetzt bei der EM auch eindrucksvoll gezeigt."

Franco Foda

Die Arbeitsgemeinschaft EURO des ÖFB umfasste nicht nur die 26 Spieler, sondern mit Staff rund 50 Personen, die sich über großteils gesteigerte Wertschätzung freuen durften.

Dass nach dem März offenkundig einige Schlüsse gezogen wurden, hat geholfen. Wobei Foda diese Zusammenkunft mit dem 0:4-Debakel gegen Dänemark als Tiefpunkt nicht überbewerten möchte.

"Man kann den Lehrgang im März ja nicht mit diesem EM-Lehrgang vergleichen. Das haben ja auch alle wieder vergessen, dass im März schon auch wichtige Spieler gefehlt haben. Das habe ich damals schon betont. Es gibt eben gewisse Spieler, die nicht zu ersetzen sind, und das haben sie jetzt bei der EM auch eindrucksvoll gezeigt."

Handbremse gelöst

Dies trifft vor allem auf Martin Hinteregger, Marko Arnautovic und Konrad Laimer zu. Auch Baumgartlinger fehlte im März, der Kapitän konnte jedoch diesmal nur abseits des Feldes helfen.

"Ich habe immer betont, wenn wir alle Spieler an Bord haben, haben wir eine richtig gute Mannschaft. Dann kann die Mannschaft auch richtig gut Fußball spielen. Jetzt gilt es einfach die ganze Energie, die ganze Kraft, die wir aus der EM mitgenommen haben, fortzuführen", fordert Foda.

Zur Erinnerung: Vor der EURO war einer der Hauptvorwürfe an den Teamchef, dass er sein Team bremse und die besten ÖFB-Generation nicht gemäß ihrer Stärken zur Geltung kommen lasse.

Was das Potenzial betrifft, hat gerade das Italien-Match bestätigt, was viele Beobachter diesem Team schon länger zutrauen. In Sachen Herangehensweise löste Foda spätestens gegen die Ukraine die Handbremse und traf damit den Geschmack seiner Schützlinge.

Dass einige von ihnen dies nicht einmal mehr zwischen den Zeilen eingefordert haben, spricht für sich. Davor wusste Foda mit einem 3-5-2 nicht nur Auftakt-Gegner Nordmazedonien, sondern auch einige der eigenen Spieler zu überraschen.

Gut durchgeplanter Lehrgang

Die Arbeit im Training galt stets als fokussiert und konzentriert. Um diesen Floskeln Leben einzuhauchen, muss es jedoch in der Mannschaft stimmen, womit sich der Kreis schließt.

Foda: "Der Lehrgang war extrem gut durchgeplant, mit Freizeitgestaltung, mit Teambuilding-Maßnahmen. Man hatte einfach auch viel mehr Zeit für das gesamte Team. Die Stimmung war vom ersten Tag an hervorragend. Wir haben gemeinsam Ziele definiert. Wir haben die Mannschaft mit ins Boot genommen. Sie hatte das Ziel vor Augen, auf jeden Fall mal besser als 2016 abzuschneiden. Wir wollten Geschichte schreiben."

"Ich glaube, das ist auch eindrucksvoll gelungen. Die Mannschaft ist extrem eng zusammengerückt. Ich habe immer betont, gerade wenn man so lange zusammen ist, ist es ganz wichtig, die Stimmung hochzuhalten. Man hat den guten Teamspirit innerhalb der Mannschaft gesehen, sonst kannst du nicht solche Leistungen abrufen", so der 55-Jährige weiter.

Bubble als Vor- oder Nachteil?

Zudem funktionierte ganz offenkundig auch der körperliche Formaufbau sowie die Regeneration zwischen den Spielen.

"Wenn man bedenkt, dass Italien im letzten Spiel die komplette Mannschaft hat pausieren lassen, und wenn man sieht, wie unsere Jungs dann über 120 Minuten sogar noch in der Verlängerung dieses Tempo mitgehen konnten, war das sehr beeindruckend", lobt Foda.

Und dann war da noch jene Situation, welche dieses Camp bestimmt nicht erleichtert hat. Zwar könnte man den Eindruck gewinnen, dass das Leben in einer Bubble alle Beteiligten noch einmal zusätzlich dazu gezwungen hat, wertschätzend miteinander umzugehen.

Der ÖFB-Chefcoach hätte dennoch liebend gerne darauf verzichtet: "Die Blase war kein Vorteil. Wir hatten es durchgeplant, trotzdem gab es Aktivitäten innerhalb der Mannschaft. Aber mir wäre es ohne die ganze Covid-19--Geschichte lieber gewesen. Wir hatten keinen einzigen Fall in der Mannschaft, alle haben ihr Bestes gegeben."

Der Zuschauer-Zuspruch sollte wieder steigen

Besonders schmerzte alle Beteiligten im ÖFB, dass pandemiebedingt keine Anhänger aus Österreich nach London reisen konnten. Immerhin bot dies zahlreichen Auslands-Österreichern die Gelegenheit, das Nationalteam einmal live zu sehen.

"Die Fans hätten es verdient gehabt, an diesem wunderbaren Spiel teilzunehmen. Es waren ja einige österreichische Fans da, aber bei so einem Achtelfinal-Spiel hätten uns sicher 20.000 begleitet. So hatten wir wieder ein Auswärtsspiel, es waren viele Italiener im Stadion", bedauert Foda.

Zumindest das Fan-Thema sollte sich im Herbst entspannen. Wenn pandemiedingt möglich, sollte der Zuschauer-Zuspruch wieder ein besserer sein als in der Phase vor Corona.

"Wir haben eine tolle EM gespielt. Ich glaube, das ganze Land Österreich kann auf dieses Nationalteam sehr stolz sein", sagt Foda, der bereits die nächste Mission ins Visier nimmt:

"Jetzt gilt es dann ab September, uns wieder bestens vorzubereiten. Denn wir wollen klarerweise auch zur WM nach Katar."

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