news

Die "mittelschwere Katastrophe" des Nationalteams

Klartext gefragt! ÖFB-Führungsspieler nach Pleite in Israel fassungslos:

Die Foto: © GEPA

Der Schock im ÖFB-Team nach der 2:4-Abfuhr in Israel sitzt tief.

Wenn selbst Marko Arnautovic, der sich normal immer vor die Mannschaft stellt, die Interviews verweigert, ist die Situation gelinde gesagt angespannt.

"Eine mittelschwere Katastrophe vom Ergebnis her", ist Julian Baumgartlinger entsetzt, "das ist nicht das, was wir uns vorgenommen haben, und das haben wir uns eindeutig selber zuzuschreiben. Denn wenn man 1:0 führt, ist es unerklärlich, warum wir so passiv werden und das Spiel so verlieren."

Auch sein Leverkusen-Kollege Aleksandar Dragovic ist fassungslos: "Das war zu wenig Leidenschaft! Ganz einfach! Wir führen auswärts 1:0, kriegen solche Tore und verteidigen so schlecht. Nach vorne hin hatten wir zu leichte Ballverluste. Aus dem müssen wir lernen. Es bringt nichts, immer zu sagen, wir haben gut gespielt. Ich schließe mich da mit ein - in der Verteidigung dürfen wir keine vier Gegentore bekommen. Das geht nicht!"

Nachsatz: "Wenn wir so weiterspielen, haben wir keine Chance."

Janko: "Das war gar nichts"

Nach solch einem sportlichen Offenbarungseid ist Klartext angesagt, und es sind gerade die langgedienten Nationalspieler, die deutliche Worte finden.

"Im Hinblick auf den Sommer-Lehrgang gilt es sich bewusst zu machen, was es bedeutet, Nationalspieler zu sein, Einstellung an den Tag zu legen und mit einer gehörigen Portion Mut, Entschlossenheit und vor allem mit dem nötigen Selbstvertrauen aufzutreten. Denn wie wir diesmal gespielt haben, das war gar nichts", moniert Marc Janko.

Dies ließe die Vermutung zu, dass nicht jedem Kadermitglied bewusst ist, welche Verantwortung es mit sich bringt, für Österreich aufzulaufen. Auf jeden Fall gilt es, den selbstbewussten Worten und den über Phasen auch bei den Pleiten gegen Polen und Israel guten Leistungen auch Ergebnisse folgen zu lassen.

Baumgartlinger fordert Team heraus

"Wenn zwei Niederlagen in zwei Spielen kein Dämpfer sind, dann weiß ich auch nicht, was ein Dämpfer ist. So haben wir uns das nicht vorgestellt. Das ist nicht unser Anspruch", betont Baumgartlinger und fordert sein Team für die nächsten beiden Quaifikationsspiele heraus:

"Unser Anspruch im Sommer muss sein, das Gegenteil zu beweisen, und zwar dass wir wirklich das sind, was wir selbst glauben, das wir sind."

Julian Baumgartlinger

"Unser Anspruch im Sommer muss sein, das Gegenteil zu beweisen, und zwar dass wir wirklich das sind, was wir selbst glauben, das wir sind. Das gilt es jetzt zu beweisen!"

Vor allem gilt es zu beweisen, dass man eine gute Leistung über 90 Minuten bringen kann. Gegen Polen wurde eine weitestgehend gute Performance nicht ins entsprechende Ergebnis umgemünzt.

Danach war man bemüht, trotzdem Selbstvertrauen aus der Partie zu generieren. In Haifa wollte man von der Leistung her genauso auftreten. In der ersten Halbzeit war man auch lange Zeit dominant, ehe man sich den Schneid abkaufen ließ.

"Meilenweit" von der EURO entfernt

"Jeder muss jetzt vor seiner eigenen Tür kehren, ich auch", fordert Dragovic, "als Mannschaft gewinnen und verlieren wir gemeinsam, es hilft auch nichts zu jammern. Wir müssen es aber auch klar ansprechen, denn es bringt nichts, immer alles schönzureden. Wir haben nach zwei Spielen null Punkte. Wir sind auf dem Boden der Realität angekommen. Wir brauchen nicht immer davon träumen, uns für die EM zu qualifizieren. Davon sind wir gerade meilenweit entfernt, sondern wir müssen von Spiel zu Spiel gucken und am Ende des Tages schauen, ob es reicht oder nicht."

Besonders ärgerlich ist, dass viele im ÖFB-Lager nach der Niederlage in Israel fehlende Mentalität und Leidenschaft bemängelten, so zum Beispiel auch Teamchef Franco Foda. Gerade das müssen auf diesem Niveau Grundtugenden sein, die nicht zur Diskussion stehen dürfen.

Valentino Lazaro bemängelte, dass man sich nach den beiden Gegentoren den Spaß am Fußball habe nehmen lassen: "Nach dem 1:1 hatten wir eine Drangperiode mit vier, fünf Standards, wo der Ball unter anderem gegen die Latte springt. Das war in dieser Situation Pech, aber das ist keine Entschuldigung dafür, dass wir nach hinten nicht mit der hundertprozentigen Leidenschaft verteidigen."

"Denn ich denke, speziell die Gegentore eins, zwei und vier sind an normalen Tagen mit Herz und Leidenschaft auf jeden Fall zu verteidigen. Ich hoffe, dass wir das so schnell wie möglich wieder reinkriegen", so der Hertha-BSC-Legionär weiter.

Auch mal ein durchschnittliches Spiel gewinnen

Besagten Kopfball an die Latte hatte Dragovic zu verzeichnen - eine von drei riesigen Gelegenheiten für den Innenverteidiger: "Das waren unglaubliche Aktionen. Da hat uns das Quäntchen Glück gefehlt. Anstatt 2:1 in Führung zu gehen, geraten wir 1:2 in Rückstand. Dennoch: Am Ende des Tages dürfen wir nicht so auftreten. Das ist zu wenig, ganz klar. Israel hat aus sechs oder sieben Torschüssen vier Tore gemacht, trotzdem haben wir ihnen das Spiel geschenkt. Daraus müssen wir lernen."

Wiedererlernen sollte man jedenfalls eine gewisse gnadenlose Ergebnisorientiertheit in Pflichtspielen. Die ist dem ÖFB-Team von der EURO 2016 über die WM-Qualifikation bis hin zur Nations League gerade in den Schnittpartien ein wenig verloren gegangen. Zum Auftakt der EM-Quali hat man sie alles, nur nicht wiedergefunden.

"Man kann auch mal durchschnittliche Spiele gewinnen", verdeutlicht Baumgartlinger, "speziell mit den Chancen, die wir in der ersten Halbzeit hatten. Die Möglichkeiten waren einmal mehr da. Nach der Pause dürfen wir ihnen natürlich nicht so viel Raum geben. Das ist unsere eigene Schuld, aber da waren wir vielleicht schon ein bisschen im Not-Modus und wollten unbedingt schnell den Ausgleich erzielen, weil wir das zur Pause nicht so stehen lassen wollten."

Wie kann die Mannschaft so zusammenbrechen?

Will man zur EURO 2020, muss schnellstmöglich eine Trendwende her. Ob es sich für das Turnier noch ausgeht? "Wenn wir so auftreten, dann ganz klar Nein, das war einfach von jedem einzelnen zu wenig", stellt Janko klar.

Den Routinier irritiert vor allem der mentale Einbruch: "Wir beginnen gut, aber für mich ist unerklärlich, wie die Mannschaft nach dem 1:1 so zusammenbrechen kann. Jeder probiert sich auf dem Platz zu verstecken, jeder hat seine Aufgaben nicht mehr erfüllt."

Das ÖFB-Team ist gefordert, rechtzeitig vor dem dritten Gruppenspiel die richtigen Erklärungen dafür zu finden. Noch ist nicht alles verloren, sondern nur die ersten zwei Spiele.

Bild 1 von 11 | © GEPA
Bild 2 von 11 | © GEPA
Bild 3 von 11 | © GEPA
Bild 4 von 11 | © GEPA
Bild 5 von 11 | © GEPA
Bild 6 von 11 | © GEPA
Bild 7 von 11 | © GEPA
Bild 8 von 11 | © GEPA
Bild 9 von 11 | © GEPA
Bild 10 von 11 | © GEPA
Bild 11 von 11 | © GEPA

Kommentare