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ÖFB-Explosion? Verständliche Sorgen

Vielleicht hat Marc Janko mit Kritik dem ÖFB-Team aber auch einen Gefallen getan.

ÖFB-Explosion? Verständliche Sorgen Foto: © GEPA

Häh, gut gelaunte ÖFB-Kicker beim Mannschaftsabend? Wie das? Ist der Laden nicht kurz vorm Explodieren?

Das eine schließt das andere zumindest nicht aus.

Worauf man sich zwei Wochen vor dem Start in die EURO wohl einigen kann: Echte Euphorie rund um das Nationalteam wird es bis dahin eher nicht mehr geben, sollten nicht in England und gegen die Slowakei zwei spektakuläre Befreiungsschläge gelingen.

Aber selbst in diesem Fall würde wohl vielerorts die Skepsis überwiegen – und die beruht bekanntlich viel mehr am Teamchef, als auf der qualitativ am breitesten aufgestellten Generation der jüngeren ÖFB-Geschichte.

Marc Janko muss sich nach seiner Kritik an den jüngsten Zuständen im ÖFB-Team ("Hat das Potenzial, jederzeit zu explodieren") den einen oder anderen Konter gefallen lassen (in der ÖFB-Geschichte sollen sich übrigens angeblich Beispiele finden lassen, wo es schlauer gewesen wäre, über Inputs von außen nachzudenken, anstatt reflexartig zurückzuschlagen).

Vielleicht hat der langjährige ÖFB-Goalgetter seinen "Nachfolgern" aber auch einen Gefallen getan. Denn gerade in seiner Präzisierung seiner Aussagen ist sehr viel Wahres dabei.

Hier gilt es die Diskussion über den Spielstil unter Foda beziehungsweise etwaige atmosphärische Störungen zu trennen.

Dass Foda einen eher kontrollierten Zugang zum Fußball hat, weiß man nicht erst seit seinem Amtsantritt 2017 – ein Vorwurf, gegen den er sich mitunter leidenschaftlich wehrt. Aber bei so manchem Länderspiel musste man zuletzt eher leidenschaftlich gegen die Langeweile ankämpfen. Ist leider so.

Aber nochmal: Ergebnis-Fußball ist nicht verboten und kann möglicherweise gerade bei einem Turnier helfen. Auch Janko streicht hervor, dass der Deutsche einer der "erfolgsreichsten Teamchefs ist, die wir je hatten" und letztlich die Verantwortung trägt.

Stimmen die Ergebnisse nicht, wird es für Coaches mit dieser Herangehensweise mangels Popularitäts-Bonus ohnehin flott ungemütlich. Im März stimmten die Ergebnisse ganz und gar nicht. Für Foda ist es in der Öffentlichkeit daher spätestens jetzt extrem ungemütlich – gute Statistik hin oder her.

Die externe Stimmungslage ist also enden wollend gut. Womit wir bei der internen Stimmungslage wären – und selbige ist auch bei Jankos Ausführungen der noch spannendere Punkt.

Bei der Erläuterung seiner Aussagen verwendete der Niederösterreicher zwar nicht mehr den Begriff "Explosion", was jedoch nicht bedeutet, dass er inhaltlich von seiner Meinung abgerückt ist.

"Natürlich bekommt man mit, dass nicht alles eitel Wonne ist", unterstreicht Janko sogar noch.

Zwei Dinge kann man der Nummer drei in der ewigen Schützenliste jedenfalls nicht vorwerfen:

Erstens trat er bis jetzt nicht wirklich als Populist in Erscheinung, der aus einer Laune heraus und um einen guten Spruch zu landen, mal so eben irgendwelche Vermutungen oder Halbwahrheiten in die Öffentlichkeit posaunt, ohne auch nur einen Anhaltspunkt zu haben. Dies scheint eher die Domäne anderer Ex-Internationaler zu sein.

Zweitens: Wem soll man zutrauen, über die Interna im ÖFB-Team bestens informiert zu sein, wenn nicht Janko, der mit diversen aktuellen Spielern und Betreuern noch bestens vernetzt ist und 2019 sogar noch von Foda einberufen wurde?

Und ja, vielleicht ist es schlussendlich schlichtweg so, dass der März-Lehrgang nicht nur ergebnis-, sondern auch stimmungstechnisch misslungen ist.

Zumindest war das Bemühen, dies zu verheimlichen, eher gering. Einen Tag nach dem Dänemark-Debakel war hier an dieser Stelle zu lesen:

"Geredet wird gerade rund um einen derart verkorksten Lehrgang viel. So weit, so normal. Dabei ist diesmal besonders wenig Freundliches über die interne Stimmungslage zu vernehmen. Kann stimmen, muss es natürlich nicht, aber es ist zumindest alarmierend und diesmal besonders auffällig."

Hat also wohl eher gestimmt, und dass sich die Beschwerden in erster Linie um den Teamchef drehten, wird womöglich nicht überraschen.

Warum Jankos Aussagen sich trotzdem letztlich als Gefallen entpuppen könnten? Es ist gut, wenn jemand, der bestimmt weiß, was Sache ist, Klartext redet. Sich in die eigene Tasche zu lügen, sollte 2016 gewesen sein.

Ganz oben in der Prioritätenliste steht immer noch ein erfolgreiches Abschneiden bei der EURO, deshalb gilt es für beide Lager (Foda und Foda-Versteher, sowie Foda-Kritiker) folgendes festzuhalten:

Der März-Lehrgang war im März, jetzt ist bald Juni. Alles wieder gut? Nein, natürlich nicht. Aber warum nicht hoffen?

Mit Julian Baumgartlinger, Marko Arnautovic und Martin Hinteregger sind drei für das Team-Gefüge in diverser Hinsicht entscheidende Personalien wieder dabei. Wer will es Konrad Laimer verübeln, dass er nach eineinhalb Jahren Nationalteam-Pause voller Vorfreude einrückt? Die Spieler sollen ruhig Zuversicht und positives Denken ausstrahlen, alles andere wäre kontraproduktiv.

Auch Foda kann man zugestehen (oder zumindest hoffen), dass er in den vergangenen zwei Monaten tief in sich gegangen ist und manches hinterfragt hat. Auch das wissen wir seit 2016, dass öffentliche Zurufe nicht zwingend Nonsense ist.

Dass mit Jürgen Säumel nicht nur ein Experte, sondern auch ein "Menschenfänger" als Co-Trainer installiert wurde, deutet zumindest darauf hin, dass der Chefcoach hier eine Lücke geortet hat.

In der Theorie sagt Foda derzeit auch ziemlich viele richtige Sachen, wenn er erläutert, wie es gilt, "ein gutes Feingefühl für die Spieler" zu entwickeln oder wie es gelingen soll, einen Lagerkoller (aka "Explosion") zu verhindern.

Und in der Praxis?

Tja.

Dies wird die alles entscheidende Frage in den kommenden "Bubble"-Wochen.

Viele scheinen die Hoffnung, dass es gelingt, das Ruder herumzureißen, schon aufgegeben zu haben.

Das ist nicht nur schade, sondern auch viel zu früh. Dafür hat dieser Kader auch zu viel Potenzial. Und gelingt die Trendwende, ist es auch nicht verboten, sich darüber zu freuen.

Aber zumindest die aktuellen Sorgen, und nichts anders wollte wohl auch Janko zum Ausdruck bringen, sind nicht nur verständlich, sondern müssen auch erlaubt sein.

An diesen Zweifeln ist vor allem der Teamchef auch selbst schuld. Nun ist er am Zug, sie auszuräumen.

EURO 2020 - Spielplan der Gruppe C>>>

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