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Teamchef Ralf Rangnick: "Haben keinen Haaland"

Dafür sei ein ÖFB-Spieler in einem Bereich laut Teamchef der Beste der Welt.

Teamchef Ralf Rangnick: Foto: © GEPA

Der erste Lehrgang im Juni war für Ralf Rangnick auch einer, in dem er seinen Kader als ÖFB-Teamchef besser kennenlernen konnte.

Dies hat diverse Erkenntnisse mit sich gebracht - sowohl positiver wie auch negativer Natur.

Im LAOLA1-Talk geht der 64-Jährige näher auf die Personalsituation im Nationalteam ein - das Interview entstand als Gruppengespräch mit "Presse", "Standard" und LAOLA1.

Auf welchen Positionen man "Out of the Box" denken muss, wie die Stürmer-Situation zu bewerten ist, ob es im Tor eine Nummer eins braucht, welche Youngster positiv auffielen, wie es bei Julian Baumgartlinger und Aleksandar Dragovic ausschaut und in welchem Bereich Konrad Laimer der Beste der Welt ist.

LAOLA1: In Österreich spricht man gerne von einer "Goldenen Generation", die dem Nationalteam zur Verfügung steht. Ist es tatsächlich eine?

Ralf Rangnick: Das wird die Zukunft zeigen. Eine"Goldene Generation" ist eine, die bei großen Turnieren wie Europameisterschaften und Weltmeisterschaften nicht nur mitspielt, sondern auch eine Rolle spielt. In Belgien spricht man seit zehn Jahren von einer "Goldenen Generation", aber gewonnen haben sie auch noch nichts. Daher bin ich vorsichtig mit solchen Begriffen. Bei uns müssen wir uns die einzelnen Mannschaftsteile anschauen. In einigen ist Österreich überdurchschnittlich gut besetzt – in der Breite, aber auch in der Spitze. Im zentralen Abwehrbereich haben wir genügend gute Spieler. Auch im Mittelfeld sehe ich im Zentralbereich Spieler, die internationales Format haben.

LAOLA1: Dafür gibt es auch Problemfelder.

Rangnick: Auf den Außenverteidigerpositionen sind wir nicht so üppig besetzt, vor allem links. Aber auch auf der rechten Seite sind jene Spieler, die zuletzt eingeladen waren, in ihren Vereinen teilweise nicht mehr absolute Stammspieler. Und es gibt in Österreich nicht viele Tempo-Dribbler a la Kingsley Coman, Serge Gnabry oder Leroy Sane.

LAOLA1: Wie sehr hilft es, dass Maximilian Wöber nun auch in Salzburg oftmals als Linksverteidiger zum Einsatz kommt?

Rangnick: Ich bin mir relativ sicher, dass das durchaus auch damit zu tun hat, dass er bei uns auf dieser Position gespielt hat. Auch Matthias Jaissle wird darüber nachdenken, was passiert, wenn sie gegen Milan oder Chelsea spielen. Bei allem Respekt vor der Karriere von Andi Ulmer, aber er wird ja trotzdem nicht jünger. Wenn wir über die Europameisterschaft sprechen, ist er noch mal zwei Jahre älter. Er hat noch ein Jahr Vertrag, wir wissen also überhaupt nicht, ob er in zwei Jahren noch Fußball spielt. Deswegen ist es unsere Aufgabe, zu überlegen: Was ist in zwei oder vier Jahren auf dieser Position? Maxi sehe ich von seinem Körperbau – und das zeigen ja auch die statistischen Werte – nicht als jemanden, von dem du erwarten kannst, dass er im Minuten-Rhythmus die Linie rauf und runter rennt. Aber er ist ein Linksfuß und hat auf dieser Position bei uns gut gespielt. Trotzdem müssen wir schauen, was es sonst noch für Möglichkeiten gibt. Ich sehe im Moment nicht so viele Alternativen. Hannes Wolf sehe ich wenn ein bisschen weiter vorne, in einer Viererkette ist das nicht seine ideale Position. Hier müssen wir vielleicht auch mal "Out of the Box" denken.

LAOLA1: Gibt es diesbezüglich weitere Positionen?

Rangnick: Wir müssen auch auf der Rechtsverteidiger-Position schauen, wer in Frage kommen kann. Kann da, wenn alle fit sind, auch irgendwann ein Innenverteidiger spielen wie Kevin Danso oder Flavius Daniliuc, der das in Nizza gespielt hat? Auch was die Tempo-Dribbler betrifft, müssen wir schauen. Was ist mit einem Muhammed Cham? Der ist in Frankreich bei Clermont Foot Stammspieler. Da geht es um Entwicklungen. Es ist wichtig, immer die Türe offen zu haben für solche Entwicklungen und nicht von vornherein zu sagen, dass es eh klar ist, dass immer die Gleichen spielen. Am Wochenende ist mit Dijon Kameri etwa auch ein junger Salzburger positiv aufgefallen.

LAOLA1: Wie sehr ist er bereits am Radar?

Rangnick: Das ist wirklich nur ein Beispiel. Ich möchte nicht, dass es jetzt heißt, Kameri wird der nächste Superstar der österreichischen Nationalmannschaft. Aber ich habe ihn in Lustenau gesehen, er hat in seinem zweiten Bundesliga-Spiel für Salzburg ein Tor gemacht und ein zweites vorbereitet. Ich bin mir relativ sicher, dass er sich nächste Saison zum Stammspieler in Salzburg entwickeln wird. Ich habe mich diese Woche auch mit Christoph Freund und Matthias Jaissle ausgetauscht. Sie sagen, dass der Junge klar im Kopf ist und sich brutal entwickelt, auch körperlich. Er ist Österreicher, also ist er ein Spieler, den wir natürlich am Radar haben müssen, auch wenn ihn im Moment kaum jemand kennt. Auch solche Entwicklungen sind immer wieder möglich.

"Bei allem Respekt, aber wir haben in der Offensive keinen Erling Haaland oder Kevin De Bruyne. Vorne haben wir im Moment keinen internationalen Superstar, wie es David Alaba im Abwehrbereich oder von mir aus Konni Laimer im Mittelfeld ist."

Ralf Rangnick

LAOLA1: Wie ist der Zwischenstand in der Tormann-Frage?

Rangnick: Ich bin im letzten Lehrgang mit den Leistungen der Torhüter sehr zufrieden gewesen, sowohl Heinz Lindner als auch Patrick Pentz haben überzeugt. Für mich ist speziell auf der Tormann-Position wichtig, dass die Spieler mit Spielpraxis und den nötigen Automatismen kommen. Pentz ist nach Reims gewechselt und spielt dort. Martin Fraisl ist nach Bielefeld gewechselt und hat gleich gespielt. Lindner spielt in Sion jedes Spiel. Also auf der Torwart-Position sehe ich nicht das große Problem. Da ist eher die Frage, wen nominiert man und wer spielt dann?

LAOLA1: Wird es eine fixe Nummer eins geben?

Rangnick: In einem Turnier schon. Aber in der Quali sind es zwei Spiele, dann ist wieder Pause. Da hängt es auch ein bisschen davon ab, was dazwischen passiert. Bei einer Europameisterschaft wäre es aber im Tor sicherlich nicht ratsam, zwischen zwei Spielen zu wechseln – wenn es nicht sein muss.

Laimer: Für Rangnick der beste Balleroberer der Welt
Foto: © GEPA

LAOLA1: Marko Arnautovic, Michael Gregoritsch, Karim Onisiwo und Andreas Weimann haben in den ersten Saison-Spielen getroffen. Sasa Kalajdzic hilft es womöglich, wenn das Transfer-Thema erledigt ist. Ist die Stürmer-Situation vielleicht sogar erfreulicher, als Sie bei Amtsantritt gedacht hätten?

Rangnick: Bei allem Respekt vor den Spielern, die wir haben, aber wir haben in der Offensive keinen Erling Haaland oder Kevin De Bruyne. Vorne haben wir im Moment keinen internationalen Superstar, wie es David Alaba im Abwehrbereich oder von mir aus Konni Laimer im Mittelfeld ist. Aber wir haben Stürmer, die national in ihren Ligen Stammspieler sind und im Moment nicht nur spielen, sondern auch treffen. Das ist schon mal gut, darüber bin ich sehr froh.

LAOLA1: Vor ihrem ersten Lehrgang waren sich viele Experten einig, dass Arnautovic keine Pressing-Maschine ist und somit nicht zu ihrem Spielstil passt. Er hat das Gegenteil bewiesen. Hat Sie das überrascht?

Rangnick: Nein, ich war nicht überrascht. Das war ja das, was ich sehen will. Auch Marko wusste ja, was jetzt für ein Fußball gespielt wird. Ich sehe es genauso: Er hat das gut gemacht. Jetzt gilt es, dass er das bei den nächsten Spielen und Lehrgängen weiterhin macht und bestätigt.

LAOLA1: Sie haben Konrad Laimer unlängst als den besten Balleroberer der Welt bezeichnet…

Rangnick: …und ich bin immer noch dieser Meinung. Ich sehe ihn im Moment sogar vor N’Golo Kanté. Ich sehe ihn mehr als Achter und nicht so sehr als Sechser. Er ist ein Box-to-Box-Spieler, der erst dann richtig an Wert gewinnt, wenn du diese Umschaltmomente hast. Wenn ich an die Vorbereitung des Tors gegen Frankreich denke, ist das ein Musterbeispiel dafür.

"Kevin Danso ist 23 – wenn er sich so weiterentwickelt, ist er sicher auch einer, der im Vereins-Fußball noch mal den nächsten Schritt machen wird."

Ralf Rangnick

LAOLA1: Im zentralen Mittelfeld ist Österreich gesegnet mit guten Spielern. Julian Baumgartlinger war bis zu seiner Verletzung lange der Kapitän dieser Mannschaft. Jetzt hat er mit Augsburg wieder einen Klub gefunden. Ist er noch ein Thema für Sie oder ist seine Karriere im Nationalteam vorbei?

Rangnick: Grundsätzlich ist jeder Spieler, der nicht wie beispielsweise Martin Hinteregger seine Profi-Karriere beendet hat, ein Thema. Es geht darum, welche Konkurrenzsituation vorhanden ist. Wenn Julian Baumgartlinger in Augsburg regelmäßig spielt und auf sich aufmerksam macht, ist die Türe nie zu. Das gilt nicht nur für ihn, sondern auch für alle anderen Spieler.

LAOLA1: Das heißt, auch für Aleksandar Dragovic könnte es eine Nationalteam-Zukunft geben?

Rangnick: Klar. Aber auch bei ihm ist die Konkurrenz so, wie sie ist. Kevin Danso spielt im Verein jedes Spiel. Er hat sich zu einem echten Leistungsträger entwickelt und war sicherlich einer der Spieler, die im letzten Lehrgang positiv auf sich aufmerksam gemacht haben. Er ist 23 – wenn er sich so weiterentwickelt, ist er sicher auch einer, der im Vereins-Fußball noch mal den nächsten Schritt machen wird. Über Daniliuc haben wir vorhin schon gesprochen. Philipp Lienhart macht seine Sache in Freiburg gut. Auf dieser Position haben wir auch in der Breite keine Probleme.

LAOLA1: Der Nebenmann von Dragovic in der Abwehrzentrale war lange Martin Hinteregger. Inwiefern verliert der Fußball mit ihm eines seiner letzten Originale mit Ecken und Kanten?

Rangnick: Diese Meinung teile ich, trotzdem: Wenn ein Spieler mit 29 seine Karriere in einer Situation beendet, in der sein Klub zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte Champions League spielt, dann wird er schon seine Gründe haben. Ich war mit Martin im Austausch, wir haben das eine oder andere Mal telefoniert oder geschrieben. Entscheidend ist, dass er sich mit der Entscheidung wohl fühlt und sie für richtig hält. Das scheint der Fall zu sein. Deswegen muss man das auch respektieren.

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