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Schuiteman: "Dafür ist Trauner echt berühmt"

Feyenoord-Insider erklärt, warum der "Fußball-Apotheker" Trauner so gut funktioniert.

Schuiteman: Foto: © GEPA

Drei Europacup-Endspiele, drei Mal mit österreichischer Beteiligung.

Im Finale der UEFA Europa Conference League fordert Gernot Trauner mit Feyenoord die AS Roma (Mi., 21 Uhr im LIVE-Ticker).

Es ist die Krönung der eindrucksvollen Debüt-Saison des 30-Jährigen im Dress des niederländischen Traditionsvereins.

Am Umstand, dass der Oberösterreicher überhaupt in Rotterdam angeheuert hat, war Bernard Schuiteman zumindest beteiligt.

Der frühere GAK-Kicker lebt schon seit 16 Jahren in Österreich, war von 2014 bis 2016 knapp zwei Jahre Chefscout von Rapid und ist seit vergangenen Sommer als Scout für Feyenoord tätig.

Bei LAOLA1 erläutert der 48-Jährige, wie Trauner für seinen Arbeitgeber ein derartiges Schnäppchen werden konnte. Zudem erklärt er den Nasenpflaster-Kult und verrät, was es mit dem Spitznamen "Fußball-Apotheker" auf sich hat.

"Rotterdam ist eine Hafenstadt. Die Leute arbeiten hart, sind mit beiden Beinen auf dem Boden und alles andere als arrogant. Sie mögen Leute, die ganz normal sind, so wie Gernot eben."

Bernard Schuiteman

LAOLA1: Warum klappt die Partnerschaft zwischen Feyenoord und Gernot Trauner derart gut?

Bernard Schuiteman: Das hat zwei sehr wichtige Komponenten. Erstens den Fußball-Stil, den unser Trainer Arne Slot spielt. Es geht darum, hoch Druck auszuüben. Gernot ist ein Verteidiger, der bei einem Ballverlust nicht sofort nach hinten rennt, sondern nach vorne Druck ausübt. Das sieht man auch an seinen Stats. Er hat eine hohe Anzahl an „Interceptions“, unterbricht das Spiel des Gegners also sehr oft. Zweitens passen sein Naturell und sein Charakter perfekt zu Feyenoord.

LAOLA1: Inwiefern?

Schuiteman: Rotterdam ist eine Hafenstadt. Die Leute arbeiten hart, sind mit beiden Beinen auf dem Boden und alles andere als arrogant. Sie mögen Leute, die ganz normal sind, so wie Gernot eben. In seinen Interviews erkennt man den Familien-Menschen, er ist generell „down to earth“. Das kommt bei den Fans sehr gut an.

Schuiteman spielte 1996 für Feyenoord im Halbfinale gegen Rapid
Foto: © GEPA

LAOLA1: Sie haben als Scout einen großen Anteil daran, dass Trauner zu Feyenoord gewechselt ist. Wie ist das abgelaufen?

Schuiteman: Es wird bei Scouts oft gesagt: ER hat den geholt, und ER hat den geholt. So läuft das nicht. Jeder Spieler bei uns ist Teamwork. Wenn ich einen Spieler empfehle und alle anderen sehen es nicht, dann kommt er nicht. Natürlich habe ich bei Gernot enorm gepusht, weil ich ihn kannte. Ich habe gesagt, dieser Junge passt genau zu uns – sowohl ins System, als auch vom Menschlichen her. Dennoch: Das geht nie alleine, das Gesamtbild muss stimmen. Das heißt, dass ihn auch andere Scouts intensiv beobachten, auch die Daten müssen passen. Erst dann kommt ein Spieler. In Holland wird oft kolportiert: Bernard wohnt in Österreich, also ist er verantwortlich für Trauner. Diese Darstellung mag ich nicht so sehr, das würde meinen Kollegen Unrecht tun, da es immer ein Gemeinschaftsprojekt ist. Zugegeben, dass Sportdirektor, Trainer und alle Scouts Ja zu einem Spieler sagen, gibt es auch nicht immer. Dann gilt eher das Mehrheitsprinzip. Aber bei Trauner waren echt alle positiv und begeistert.

LAOLA1: Sie haben Trauner zuvor sicher am öftesten spielen gesehen. Was war für die anderen Feyenoord-Verantwortlichen der ausschlaggebende Moment? Waren es eher die Europacup-Spiele mit dem LASK, oder die Konstanz in der Liga?

Schuiteman: Wir haben wirklich versucht, auf das Profil zu schauen. Wir versuchen auszublenden, ob wir uns jetzt ein Spiel in der Europa League anschauen oder eines in der Bundesliga. Die Frage war: Was brauchen wir? Feyenoord hat zwei eher klassische Innenverteidiger verloren, und wir haben einen Innenverteidiger gesucht, der Druck nach vorne ausübt. Wir brauchen in Holland einen Spieler, der nach der Balleroberung oder im Aufbau vertikal schaut und spielt – und das macht Gernot enorm gut. Er ist in Holland echt berühmt für sein vertikales Spiel. Nur wenn es überhaupt nicht mehr anders geht, spielt er seitlich. Das Gesamtbild, das wir uns von ihm geschaffen haben, wird auch von den Daten bestätigt. Progressive Passes, Interceptions – überall waren die Werte hoch, eigentlich sogar außergewöhnlich hoch. Ich konnte dann natürlich von seiner Persönlichkeit berichten. Ich habe in der Akademie Linz gearbeitet, als er dort Spieler war, auch wenn er nicht in meinem Jahrgang war. Aber ich konnte von seinem Hintergrund erzählen.

LAOLA1: Klingt so, als ob fast nichts schief gehen konnte.

Schuiteman: Im Nachhinein kann man sagen, dass es eigentlich nicht überraschend ist, dass es funktioniert. Davon, dass es klappen würde, waren eigentlich alle überzeugt. Aber so extrem? Dass er SO einschlägt, derart megabeliebt ist und zum Publikumsliebling wird, ist echt unglaublich. Das kann man natürlich nicht vorhersagen.

LAOLA1: Die kolportierte Ablöse hat eine Million Euro betragen. Wie sehr dürfen sich sportliche Leitung und Scouts für ein Schnäppchen feiern lassen, wenn ein vergleichsweise billiger Spieler so einschlägt?

Schuiteman: Für die Scouting-Abteilung ist das schon etwas Schönes. Wenn es heißt: „Hol einen Verteidiger für 20 Millionen Euro“, ist das natürlich einfacher, weil der Teich, in dem man fischen kann, viel größer ist. Aber feiern lassen wir uns natürlich nicht! Denn es geht schon wieder weiter, auf dem Spielermarkt ist ständig Bewegung. Man muss immer vorbereitet sein. Aber es ist logisch, dass wir uns für den Verein und auch für Gernot freuen. Er ist sehr beliebt bei den Mitarbeitern im Verein, seine Familie fühlt sich auch wohl. Er ist einfach ein super Typ.

LAOLA1: Gernot Trauner trägt im Spiel gerne Nasenpflaster. Wie ist der Kult-Faktor einzuschätzen?

Schuiteman: Es gibt Fans, die sich ebenfalls ein Pflaster auf die Nase hauen. Gernot trägt in jedem Spiel so ein Pflaster. Das hebt ein wenig die Nasenflügel und angeblich bekommt man ein bisschen mehr Luft. Wobei er selbst sagt, dass es im Laufe der Zeit eher so etwas wie ein Aberglaube geworden ist. Es ist definitiv sein Markenzeichen. Viele Fans haben schon gefordert, dass Feyenoord einen Sponsorvertrag mit dem Pflasterhersteller abschließen oder die Marketing-Abteilung ein Gernot-Trauner-Pflaster im Fanshop vertreiben sollte. Das ist echt ein Thema!

Trauner als "Fußball-Apotheker"
Foto: © GEPA

LAOLA1: Trauner wird mitunter auch als „Fußball-Apotheker“ bezeichnet. Das hat aber tendenziell nichts mit dem Nasenpflaster zu tun.

Schuiteman (schmunzelt): Nein, das kommt von einem halblustigen Fußball-Experten-Podcast. Den betreibt ein recht bekannter Typ, der meinte: Eigentlich sieht Trauner aus wie ein Apotheker, der gut Fußball spielen kann. Privat trägt er eine Brille, ist ebenso intelligent wie eloquent, tritt sehr freundlich und ruhig auf. Auf dem Platz geht er dann jedoch auf einmal doch auch sehr robust in Zweikämpfe. Dieser Kontrast spricht die Leute an. Dieser Spitzname hat sich entwickelt, jetzt wird er der fußballspielende Apotheker genannt.

LAOLA1: Wie sehr hat es die Feyenoord-Fans eigentlich verwundert, dass Trauner so lange nicht ins Nationalteam einberufen wurde, ehe ihn Ralf Rangnick nun nominiert hat?

Schuiteman: Das konnten die Leute absolut nicht verstehen. Ich habe oft die Frage gehört: „Trauner ist nicht im Nationalteam Österreichs? Was haben die denn da für Verteidiger?“ Ich habe darauf hingewiesen, dass es auch gute Junge wie Philipp Lienhart oder Stefan Posch gibt – das sind Spieler aus der deutschen Bundesliga und ein paar Jahre jünger. Jetzt wurde bekannt, dass er wieder dabei ist und viele dachten sich: „Endlich!“

LAOLA1: Kann Trauner eine Art Türöffner für andere österreichische Spieler in den Niederlanden sein?

Schuiteman: Sicher. Als Gernot präsentiert wurde, war schon ein wenig Skepsis spürbar. Er ist 29 Jahre alt, kommt aus der österreichischen Liga, war noch nie im Ausland – der soll uns weiterhelfen? Ich sage schon jahrelang, dass in Österreich oder generell in Zentraleuropa viele interessante Spieler tätig sind. Ich kann mir vorstellen, dass diese Spieler nun anders betrachtet werden.

LAOLA1: Und wenn Sie einen Spieler aus Österreich ins Spiel bringen, wird noch genauer hingehört?

Schuiteman: Vielleicht ein, zwei Prozent mehr, das kann sein. Nein, wir gehen weiter alles detailliert und vor allem gemeinsam durch. Nicht zehn Berichte von einem Scout über einen Spieler, sondern lieber vier Scouts mit drei Berichten. Dann werden die Daten und die Bilder herangezogen und im Team Entscheidungen getroffen.

LAOLA1: Mit Ernst Happel und Franz Hasil haben zwei Österreicher 1970 den Meistercup gewonnen. Nun steht der Verein mit einem weiteren Österreicher in einem Europapokal-Finale. Ist dies ein Thema?

Schuiteman: Nein, das wird so gar nicht kombiniert. Ernst Happel hat so oder so einfach einen Mega-Stellenwert, aber dieses Thema muss man separat sehen.

LAOLA1: Wie groß ist die Bedeutung dieser Endspiel-Teilnahme allgemein für den Verein?

Schuiteman: Enorm! Feyenoord hat finanziell und sportlich ein paar magere Jahre hinter sich. Diese Saison wurde eigentlich als erstes Aufbaujahr mit einem neuen Trainer und einigen neuen Spielern gesehen. Dass es gleich im ersten Jahr ein Endspiel wird, ist natürlich enorm überraschend, aber umso schöner. Die Fans sind komplett aus dem Häuschen. Das Stadion in Tirana ist relativ klein, es gibt nur wenige Karten. Trotzdem reisen 15.000 bis 20.000 Fans auch ohne Karte hin, weil sie vor Ort feiern wollen. Das Stadion in Rotterdam wird ausverkauft sein, da sitzen 40.000 bis 45.000 Fans vor den Leinwänden. Die Fans sind einfach komplett verrückt auf dieses Spiel.

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