news

Kommentar: Wolfs sinnvoller Transfer-Gedanke

Man würde meinen, dass die MLS für Hannes Wolf nicht die richtige Bühne sein darf. Im konkreten Fall liegt es nur an ihm, was er aus den Auftritten dort macht.

Kommentar: Wolfs sinnvoller Transfer-Gedanke Foto: © GEPA

Schönen Urlaub, Hannes Wolf! Viel Spaß beim Sightseeing!

Dass sein anstehender Wechsel zum New York City FC nicht nur auf Verständnis stoßen wird, wird der ÖFB-Legionär einkalkuliert haben.

Einst galt der Grazer als eine der größten Hoffnungen des österreichischen Fußballs, nun bricht er mit erst 24 Jahren seine Zelte in Europa ab – das muss man nach den herkömmlichen Bewertungs-Kriterien nicht super finden.

Und trotzdem ist es ein Move, der am Ende ganz viel Sinn ergeben könnte.

Sehen wir uns zunächst die Ausgangsposition an. Hannes Wolf ist beides: Ein österreichischer Fußballer, für den bereits 23 Millionen Euro ausgegeben wurden (12 Mio. von Leipzig, 11 Mio. von Mönchengladbach inklusive Leihgebühr), und ein österreichischer Fußballer, der noch keine Minute für sein A-Nationalteam gespielt hat.

Das heißt übersetzt: Ein hochveranlagter Kicker, der sein Potenzial bisher nicht abrufen konnte.

Zumindest nicht nachhaltig – 62 Einsätze in der deutschen Bundesliga sind nicht nichts, aber doch recht weit von der Erwartungshaltung entfernt, die sein Talent einst geweckt hat.

Seine mit Abstand beste und in Wahrheit einzig zufriedenstellende Saison in der deutschen Bundesliga absolvierte er 2020/21, als sein "Ziehvater" Marco Rose Borussia Mönchengladbach betreut hat.

Jener Coach also, der ihn einst schon beim FC Red Bull Salzburg forcierte. Das Vorurteil, dass er nur unter Rose funktionieren würde, konnte der Steirer zumindest in Deutschland nicht wirklich entkräften. Diese Karriere-Statistik spricht für sich:

Trainer Verein(e) Pflichtspiele Tore/Assists
Marco Rose Salzburg/Gladbach 148 41/27
Daniel Farke Gladbach 18 1/1
Adi Hütter Gladbach 8 -/-
Julian Nagelsmann Leipzig 5 -/-
Gerardo Seoane Gladbach - -/-

Dazwischen lag im Frühjahr 2022 allerdings auch eine Leihe zu Swansea City, die Wolf ordentlich Spielzeit eingebracht hat.

Der Gedanke, es nun bei einer spannenden MLS-Adresse zu versuchen, ist mutmaßlich ein ähnlicher wie bei der damaligen Leihe. Der Abschied aus Deutschland war ohnehin alternativlos. Dort gilt der Offensivmann als gescheitert.

Zweite und dritte Chancen

Umso entscheidender ist in einer solchen Situation die Wahl des nächsten Arbeitgebers. Mal abgesehen davon, dass die Angebotslage womöglich schon mal spannender war, kann an diesem Punkt der radikale Tapetenwechsel der richtige Gedanke sein.

Das konkrete Interesse an seiner Vorgeschichte wird eher gering sein. Was der zahlenfixierte US-Beobachter jedoch an den für ihn hingeblätterten Ablösen herauslesen kann, ist das Potenzial, das ihm zugesprochen wird. Zweite und dritte Chancen gehören zur DNA des US-Sports, sofern das Talent stimmt.

Auch der Reflex, dass er von dort nicht mehr so schnell wegkommt, stimmt so nicht unbedingt.

Die MLS verschließt sich dem Handel mit Fußball-Europa nicht. So verkaufte City etwa vergangenen Sommer Taty Castellanos für 15 Millionen Euro an Lazio Rom. Der serbische Goalie Djordje Petrovic zog für 14 Millionen Euro von New England zum FC Chelsea weiter.

Gerade als Teil der City Football Group wird in New York tendenziell über den Tellerrand einer Liga hinausgeblickt, die ihren einstigen Ruf als Operettenliga längst abgelegt hat, wenngleich ihr momentan einer der global ruhmreichsten Altstars Glanz verleiht.

Es liegt nur an einer Person

Aber bleiben wir beim Gedanken davor: Natürlich wäre es wünschenswert, wenn Wolf diese Bühne als Sprungbrett nutzt. Und das liegt einzig an ihm. Läuft es gut, darf man auch bei einem kolportierten Vierjahresvertrag vom Schlupfloch ausgehen, das die Rückkehr nach Europa ermöglichen täte.

Vorerst ist es ein Move, der viel Sinn ergeben könnte – mit der Betonung am Konjunktiv.

Wolf landet in einem sportlichen Umfeld, das nicht schlecht ist, für das er vom Potenzial und vor allem vom eigenen Anspruch jedoch allemal gut genug sein sollte.

Diesen Beweis muss er jedoch auch antreten. Und dies ist bestimmt kein Selbstläufer, der sich gemütlich neben einem Sightseeing-Programm in einer der aufregendsten Städte der Welt erledigen lässt, um die Provokation eingangs auch noch mal unmissverständlich aus dem Weg zu räumen.

In einem der abgedroschensten New-York-Bezüge heißt es "you make it there, you make it anywhere".

Ganz so ist es im Weltfußball natürlich nicht. Aber der Mindestanspruch lautet: Wolf sollte sich auf dieser Bühne wieder zu einem Darsteller machen, der auf anderen Bühnen gefragt ist.



Kommentare