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Er ist wieder da! Berlusconi und Monza

Der "Cavaliere" reitet wieder! Mit 85 Jahren ist er zurück in der Serie A.

Er ist wieder da! Berlusconi und Monza

In der Serie "Das Tor zur Welt" nehmen wir internationale Fußball-Klubs und ihre Geschichten genau unter die Lupe. Wir beleuchten die Hintergründe, die in der schnellen, täglichen Berichterstattung gerne untergehen.

Den Anfang hat die Story über Nottingham Forest gemacht. Der Klub ist nach 23 Jahren wieder in die Premier League zurückgekehrt. Hier Lesen>>>

Diesmal geht es um den AC Monza, der zum ersten Mal in der Serie A spielen wird. Das ist mit der Hilfe von Silvio Berlusconi gelungen.


Er ist wieder da!

„Il Cavaliere“ reitet wieder. „Der Ritter“, diesen Spitznamen haben die Medien Silvio Berlusconi einst gegeben, galoppiert wieder durch Italiens Polit-Landschaft und ist auch in der Serie A wieder eingeritten.

Die Rüstung ist längst verbeult, das staatsmännische Lächeln nach unzähligen Schönheitsoperationen zu einer unwirklichen Fratze verkommen, doch die Brust ist breit wie eh und je.

Der Mann, der länger als jeder andere Ministerpräsident Italiens war, nämlich 3.339 Tage, wird bei der Parlamentswahl im September kurz vor seinem 86. Geburtstag für den Senat kandidieren. Er beuge sich dem Willen seiner Anhänger, verkündete er zuletzt großmütig.

Da kommt es Berlusconi gerade recht, dass er sich zuletzt wieder als Macher präsentieren konnte. Als einer, der die Dinge anpackt und Erfolg hat. Vor einigen Wochen hat es sein Klub AC Monza in die Serie A geschafft. Zum ersten Mal in der 109-jährigen Geschichte des Vereins.

Nach der Mamma kommt der Calcio, nach Sacchi kam Capello

Der skandalumwitterte Politiker und Medien-Tycoon weiß den Fußball seit jeher als Vehikel seiner politischen Ambitionen zu nutzen. In einem Land, in dem maximal noch die eigene „Mamma“ den „Calcio“ in seiner Bedeutung übertrifft, hat sich Berlusconi längst als Meister dieses Spiels etabliert.

1986 übernahm er den damals krisengebeutelten AC Milan und machte den Klub, der in die sportliche Bedeutungslosigkeit abzurutschen drohte, zu einem der bedeutendsten und stilbildendsten Vereine der Welt.

Zunächst formte Arrigo Sacchi als offensivorientierter Trainer in einem Fußball-Land, in dem zu diesem Zeitpunkt das Verteidigen oberste Priorität genoss, den AC Milan zu „Gli Immortali“, den Unterblichen. Stars wie Ruud Gullit, Marco van Basten, Frank Rijkaard, Franco Baresi und Paolo Maldini eroberten die Herzen der Fußballfans in aller Welt im Sturm.

Anfang der 1990er Jahre übernahm dann Fabio Capello und fuhr Titel um Titel ein. Eine Milan-Saison ohne neue Erfolge im Briefkopf war praktisch unvorstellbar.

Gleichzeitig baute Berlusconi seine Partei „Forza Italia“ auf. Kein Zufall, dass er sie nach einem populären Fußball-Schlachtruf benannte. Berlusconi feierte Wahlsiege, der AC Milan gewann Trophäen.

Bunga-Bunga und Klavierspielen im Altersheim

„Der Fußball ist eine Metapher für das Leben. Durch Milans Erfolg haben die Menschen verstanden, dass meine Philosophie eine Gewinner-Philosophie ist“, sagte er einst.

Das Ende aber war unrühmlich. 2017 verkaufte Berlusconi den AC Milan an ein chinesisches Konsortium. Zu diesem Zeitpunkt durfte er kein politisches Amt mehr bekleiden, zahlreiche Skandale hatten sein Image angekratzt. Darunter die Affäre rund um die „Bunga-Bunga“-Partys und die minderjährige Prostituierte „Ruby“.

VIDEO: Berlusconis Zeit beim AC Milan

(Text wird unter dem Video fortgesetzt)

Tatsächlich wurde Berlusconi aber nur in einem Prozess rechtskräftig verurteilt – wegen Bilanzfälschung. Er habe rund 300 Millionen Euro von seinem Medienimperium für sich abgezweigt. Aus den vier Jahren Gefängnis wurde dann aber wegen seines hohen Alters doch nur ein Sozialdienst. Er spielte Klavier in einem Altersheim. Nur falls sich jemand wundern sollte, warum die Italiener politikverdrossen sind und das Gefühl haben, dass es sich „die da oben“ dann sowieso immer richten…

Nicht lange nach seinem Ende beim AC Milan war Berlusconi dann doch wieder zurück im Fußball-Geschäft. Im September 2018 übernahm er bzw. seine Holding „Fininvest“ den damaligen Drittligisten AC Monza.

Berlusconi und sein Weggefährte Galliani
Foto: © getty

Mit im Schlepptau natürlich wieder Adriano Galliani. Der heute 78-Jährige ist einer der renommiertesten Fußball-Manager Italiens. Während sich Berlusconi ins Rampenlicht stellte, war Galliani der Macher mit dem Fachwissen.

Seit Anfang an arbeitete das Duo gemeinsam am Erfolg des AC Milan. 31 Jahre später hatten sie 29 Titel erobert und Galliani galt als einer der mächtigsten Männer im Calcio.

Dass der Mann in der Formel-1-Hochburg Monza geboren und aufgewachsen ist, macht die Geschichte rund.

In der zweiten Saison unter der neuen Klub-Führung stieg Monza in die Serie B auf. Das natürliche Habitat des Vereins. 40 Saisonen haben die „Brianzoli“ in der Zweitklassigkeit verbracht, nur Brescia, Hellas, Modena, Bari und Palermo haben mehr Partien in der zweiten Liga bestritten.

Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?

Zwei Jahre später wurde der erstmalige Aufstieg in die Serie A fixiert. Im Playoff gegen Pisa. „Wir haben mit Monza Geschichte geschrieben – und jetzt wollen wir den Scudetto und die Champions League“, tönte Berlusconi nach dem Schlusspfiff der entscheidenden Partie.

Die Strategie am Weg nach oben wurde dabei mehrmals geändert. Nach der Übernahme 2018 kündigte Berlusconi noch an, „eine sehr junge Mannschaft mit ausschließlich italienischen Spielern, die keine Tattoos und keine Ohrringe tragen“ aufzubauen.

Zwei Jahre später liefen dann Mario Balotelli und Kevin-Prince Boateng für den Verein auf – beide eher unverdächtig, die Träume aller Schwiegermütter zu sein. Auch Zlatan Ibrahimovic wurde ein Angebot gemacht.

Unter den zwölf Kickern mit den meisten Spielminuten waren 2020/21 mit Dany Mota ein Portugiese, mit Carlos Augusto ein Brasilianer und mit Christian Gytkjaer ein Däne zu finden. Zudem auch noch Giuseppe Bellusci (30), Giulio Donati (30), Antonio Barilla (32) und Marco Armellino (30), die selbst für italienische Verhältnisse nicht mehr als „sehr jung“ durchgehen.

Aber was interessiert Berlusconi schon sein Geschwätz von gestern.

Smarte Transfers

Fakt ist aber auch, dass der Plan aufgegangen ist, Monza binnen zwei Jahren der Durchmarsch durch die Knochenmühle Serie B geglückt ist. Seit 2018 soll die Berlusconi-Holding „Fininvest“ rund 70 Millionen Euro in den Klub gepumpt haben, um den Traum des „Cavaliere“ zu erfüllen. In gewisser Weise auch Wahlkampfkosten.

Und da kommt Galliani ins Spiel. Der Haudegen hat nicht nur in den vergangenen Saisonen in Monza konkurrenzfähige Kader zusammengestellt, sondern nun für Aufstiegstrainer Giovanni Stroppa auch eine Truppe geschaffen, der der Klassenerhalt in der Serie A zuzutrauen ist, mit dem Potenzial zu überraschen.

Läppische 21 Millionen Euro hat Monza in Neuzugänge investiert. Diese Summe liegt rund ein Drittel unter dem Serie-A-Durchschnitt diesen Sommer.

Und doch wurden mit Cagliari-Innenverteidiger Andrea Carboni, Pisa-Rechtsverteidiger Samuele Birindelli, Shakhtar-Brasilianer Marlon und Inter-Routinier Andrea Ranocchia  sowie den Leihgaben Alessio Cragno (Cagliari), Filippo Ranocchia (Juve), Europameister und Torschütze gegen den ÖFB Matteo Pessina (Atalanta), Gianluca Caprari (Hellas) und Stefano Sensi (Inter) spannende, vielversprechende Kicker geholt.

Der Kader ist zu sehr großen Teilen jung und italienisch. Zahlreiche Nachwuchs-Teamspieler tummeln sich beim AC Monza. Leihgaben von Top-Klubs machen Talente erschwinglich. Und die Legionäre haben allesamt das Potenzial, Schlüsselspieler zu sein.

Der Portugiese Dany Mota war mit elf Toren in der Vorsaison bester Torschütze, Gytkjaer gelangen neun Treffer, Jose Machin aus Äquatorialguinea zieht in der Mittelfeldzentrale die Fäden und der brasilianische Linksaußen Carlos Augusto war in den vergangenen beiden Saisonen einer der aufregendsten Kicker der Serie B.

Der Erfolg bringt Stimmen

Galliani erklärt die Transfer-Philosophie des Sommers: „Ausländische Spieler brauchen länger, um sich zurechtzufinden. Aber der erste Teil der Saison ist hart, mit vielen Spielen, also besteht das Risiko, schon abzusteigen, während man darauf wartet, dass sie sich adaptieren.“

Und für einen rechtspopulistischen Politiker wie Berlusconi lässt sich eine sehr italienische Mannschaft freilich auch besser verkaufen. Der Politiker weiß genau, dass Wahlerfolge nicht zuletzt vom AC Monza abhängen.

Als der AC Milan einst Zlatan Ibrahimovic an PSG verkauft hat, stürzte er in den Umfragen unmittelbar darauf ab, als er dann Balotelli kurz nach der EURO 2012 von Manchester City nach Mailand lotste, soll ihm das rund 400.000 Stimmen gebracht haben.

Galliani sagt über seinen Weggefährten: „Berlusconi denkt nur an Wahlen und Monza. Ich weiß aber nicht, in welcher Reihenfolge.“

Beim „Cavaliere“ gehört das eben zusammen. Er reitet wieder.


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