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"Ich bin nicht der Typ, der schnell aufgibt"

Warten auf Premier-League-Debüt. Spurs-Legionär Kevin Wimmer bei LAOLA1:

Happy Birthday Kevin Wimmer!

Am Sonntag feierte der Oberösterreicher seinen 23. Geburtstag.

Das „Geschenk“, über das er sich vermutlich am meisten freuen würde, wären seine ersten Premier-League-Minuten. Darauf wartete der Innenverteidiger nach seinem Wechsel zu Tottenham bislang nämlich vergeblich.

Keine leichte Situation, aber eine erklärbare.

Im Rahmen des ÖFB-Camps im Orihuela gab Wimmer im LAOLA1-Interview einen ausführlichen Einblick in seine bisherige Zeit beim englischen Traditionsverein.

LAOLA1: Ist „patience“ gerade das englische Vokabel, das du am öftesten verwendest?

Kevin Wimmer: Das kann ganz gut zutreffen. Es ist natürlich momentan nicht ganz so einfach, wenn man nicht so viel zum Spielen kommt. Natürlich darf man nicht vergessen, bei welchem Verein ich jetzt spiele. Das ist ein Topklub in Europa. Es war mir im Vorhinein bewusst, dass es eine schwierige Aufgabe wird. Aber das Trainerteam und das Konzept haben mich einfach überzeugt, die Bedingungen auf dem Trainingsgelände sind unglaublich. In den ersten Monaten habe ich mich körperlich sehr weiterentwickelt. Es wird viel auf die Ernährung und Fitness geachtet. Am Platz wird auch immer Vollgas gegeben. Unser Trainer pusht dich zu 100 Prozent, man kann sich überhaupt nicht zurücklehnen. In dieser Hinsicht war es ein sehr guter Schritt. Ich würde da nicht irgendetwas bereuen. Von den Einsätzen her fehlt es noch, aber man muss auch ein bisschen Geduld haben.

LAOLA1: Du hast nicht die einfachste Konkurrenz. Ist es so gesehen erklärbar, dass es schwierig sein kann, wenn Jan Vertonghen und Toby Alderweireld so gut funktionieren?

Wimmer: Auf jeden Fall. Es ist ja nicht so, dass ich irgendwo spiele, wo es keine guten Innenverteidiger gibt. Die beiden sind Stammspieler bei Belgien, das im Moment nicht umsonst die Nummer eins der Weltrangliste ist. Das sind einfach zwei gute Innenverteidiger, die schon einiges erlebt haben und Routine mitbringen, vor allem Vertonghen. Von solchen Spielern kann man etwas lernen, ich versuche mir etwas abzuschauen. Wenn ich meine Chance bekomme, versuche ich sie so gut es geht zu nutzen, damit der Trainer sieht, dass er auf mich auch bauen kann. Aber natürlich muss man sagen, dass die beiden richtig Klasse haben und es nicht so einfach ist, an ihnen vorbeizukommen.

"Wenn man dann in ein, zwei Jahren auf diese Zeit zurückschaut und sich alles zum Positiven gewendet hat, wird man sagen: Viele haben hinterfragt, warum man den Wechsel gemacht hat. Aber ich glaube, dass es genau das Richtige für mich war."

LAOLA1: Rational lässt sich deine Situation relativ leicht erklären. Die Frage ist, ob auch die Emotionen mitspielen. Ist es irgendwie wie ein Pferd, das in den Startlöchern scharrt, aber nicht loslegen darf?

Wimmer: Sicher ist es nicht so einfach, wenn du jede Woche voll trainierst, aber nur auf der Bank sitzt und zuschauen kannst. Auf Dauer zehrt das schon ein bisschen. Aber wenn man immer wieder gutes Feedback bekommt, geht es. Wenn ich das Gefühl hätte, dass man nur dazu da ist, um zu trainieren und sie nichts mit einem vorhaben, wäre es viel schlimmer. Ich bin auch nicht der Typ, der schnell aufgibt oder den Kopf in den Sand steckt. Ich mache einfach so weiter wie bisher. Damals beim 1. FC Köln war es im ersten Jahr genau das Gleiche. Also ist es nichts Ungewohntes für mich. Man darf nicht vergessen: Von Köln zu Tottenham ist es schon noch mal ein Riesen-Schritt. Deswegen muss ich mir als relativ junger Spieler auch noch ein bisschen Zeit geben.

LAOLA1: Du sprichst dein erstes Jahr in Köln an. Wie viel Kraft gibt es dir, dass du solch eine schwierige Phase bereits einmal sinnvoll genutzt hast, um den nächsten Step zu machen?

Wimmer: Es ist sicherlich ein Vorteil. Damals war es für mich viel schwieriger. Ich war 19 oder 20 und habe die komplette Rückrunde nicht eine Minute gespielt. Das war für den Kopf nicht so einfach. Da hatte man schon Phasen, wo man vieles hinterfragt hat, warum man auf einmal nicht mehr spielt, obwohl man eigentlich im Training alles gegeben hat. Aber ich habe auch gesehen, dass es sich schlussendlich ausgezahlt hat. Ich bin für meine Arbeit belohnt worden, dass ich mich nicht habe hängen lassen, sondern immer weiter gemacht habe. Deswegen ist es sicherlich ein Vorteil, dass man die Situation schon kennt und nicht nach den paar Wochen zweifelt und sich fragt: Warum habe ich das gemacht? Es ist einfach ein Reifeprozess, den ich jetzt wieder durchmache. Ich entwickle mich auf jeden Fall weiter. Wenn man dann in ein, zwei Jahren auf diese Zeit zurückschaut und sich alles zum Positiven gewendet hat, wird man sagen: Viele haben hinterfragt, warum man den Wechsel gemacht hat. Aber ich glaube, dass es genau das Richtige für mich war. Es gibt genügend, die negativ reden oder das schlecht machen wollen – natürlich nicht aus der Familie oder dem eigenen Umfeld, aber außenstehende Personen. Es gibt aber eben auch viele, die nicht wissen, dass Tottenham in der Premier League um die Champions-League-Plätze mitspielt, also ein Weltverein ist. Deswegen darf man auf so etwas eh nicht so viel achten.

LAOLA1: Wer sind die Leute, die dir gerade den meisten Zuspruch geben? Dein Ex-Trainer Peter Stöger hat bereits medial verlautbart, dass es einfach Zeit brauchen kann.

Wimmer: Peter Stöger habe ich sehr viel zu verdanken. Ich pflege nach wie vor ein sehr gutes Verhältnis zu ihm. Er hat in Köln alles aus mir rausgeholt, mir immer das Vertrauen geschenkt und mich erst dorthin gebracht, wo ich bin. Ich glaube, er weiß auch, das ich vielleicht ein bisschen Zeit brauche. Er hat mir damals auch gesagt, dass er mir den Schritt auf jeden Fall zutraut und das auf längere Sicht auf jeden Fall etwas wird. Die meiste Unterstützung kommt natürlich vorwiegend von der Familie und den engsten Freunden, aber es gibt auch nicht wirklich einen Grund, dass ich Zuspruch bräuchte. Wie gesagt: Ich finde das alles nicht so dramatisch, weil man ja selber auch merkt, dass man sich um einiges besser fühlt und weiterentwickelt, vor allem körperlich. Natürlich war ich in Köln auch körperlich fit, aber jetzt wird noch viel mehr darauf geschaut. Wir müssen zum Beispiel jeden Tag auf die Waage, einmal in der Woche wird Fett gemessen. Auf die Ernährung wird genau geachtet. Man hört ja oft, in England wird nicht so viel trainiert, dabei trainieren wir extrem hart. Es wird das Beste aus dem Körper rausgeholt.

LAOLA1: Tottenham hat eine interessante Truppe mit vielen noch eher jüngeren Spielern. Wer sind die Kollegen, mit denen du den engsten Austausch pflegst?

Wimmer: Dass es bei Tottenham viele junge Spieler gibt, kommt mir natürlich sehr zu Gute. Mit unserem Mittelfeldspieler Dele Alli habe ich privat sehr viel Kontakt. Auch mit Rechtsverteidiger Kieran Trippier mache ich sehr viel, ab und zu auch mit Linksverteidiger Danny Rose. Heung-Min Son ist ein super Typ, mit ihm kann ich auch ein bisschen Deutsch reden, das tut ab und zu auch nicht so schlecht. Mit ihm verstehe ich mich fast am besten und mache ich auch am meisten. Aber grundsätzlich sind alle aus der Mannschaft wirklich super. Es sind ja auch Stars dabei, also denkt man vielleicht, dass man nicht so gut empfangen wird, wenn man als neuer Spieler kommt. Aber das stimmt überhaupt nicht. Vom ersten Tag an hat das super funktioniert, ich habe mich direkt wohl gefühlt.

LAOLA1: Tottenham ist Fünfter, hat in der Premier League erst einmal verloren. Man darf wohl nicht hochrechnen, was möglich gewesen wäre, wenn ihr ein bisschen seltener Remis spielen würdet...

Wimmer: Stimmt. Wir haben schon ein paar Mal Unentschieden gespielt, wo eigentlich mehr hätte rausschauen müssen. Wir wollen in dieser Saison unter die Top 4. Ich glaube, dass das auf jeden Fall möglich ist. Die Qualität ist sehr hoch, wir haben einen großen, ausgeglichenen Kader. Vor allem im Dezember, wenn rund um Weihnachten so viele Spiele anstehen, ist ein guter Kader sehr wichtig. Da wird man dann sehen, wohin die Reise geht. Aber ich glaube auf jeden Fall, dass wir dieses Jahr oben anklopfen können.

LAOLA1: Sebastian Prödl hat von der Fußball-Kultur in England geschwärmt und gemeint, dass er diesen Sport nach seinem Wechsel zu Watford wieder richtig zu lieben gelernt hat. Außerdem hat ihn verwundert, wie sehr man von den Medien abgeschottet sei. Was hat dich in den ersten Monaten auf der Insel am meisten beeindruckt?

"Ich habe nach dem Match gesagt, das war das anstrengendste Spiel, das ich je in meinem Leben gespielt habe. Du hast fast keine Pause."

Wimmer: Man ist echt komplett abgeschottet, das stimmt. Bei uns fährst du zum Training, dort ist die Security und es werden nur die Autos reingelassen, die zugelassen sind. Beim Training schaut wirklich kein Mensch zu. Du kannst dich voll auf die Einheit konzentrieren. Im League Cup habe ich zu Hause gegen Arsenal gespielt – das ist das ärgste Derby überhaupt in London für die Tottenham-Fans. Da habe ich schon gesehen, wie extrem die Intensität ist. Man sagt immer, in England geht es die ganze Zeit auf und ab. Das ist wirklich so. Ich habe nach dem Match gesagt, das war das anstrengendste Spiel, das ich je in meinem Leben gespielt habe. Du hast fast keine Pause. Wenn du im Angriff warst, ist es hochgegangen, bei einem Ballverlust sofort wieder entgegen. Es wurde immer Vollgas nach vorne gespielt und versucht, bei jedem Angriff ein Tor zu schießen. Es wird nicht viel hinten rumgespielt. Es ist vielleicht oftmals spielerisch nicht so schön anzusehen wie in Deutschland manche Spiele, weil schon oft auch die hohen Bälle nach vorne kommen, dann werden die zweiten Bälle voll angepresst. Du bist die ganze Zeit gefordert. Es war auch extrem anstrengend und hat Substanz gekostet. Von der Intensität her ist es jedoch überragend zu spielen!

LAOLA1: In London lebst du in einer der spannendsten Städte der Welt. Wie läuft es abseits des Fußballs?

Wimmer: London ist super! Die ersten paar Tage waren ein bisschen schwierig, speziell das Autofahren, weil du auf einmal rechts sitzt mit dem Lenkrad. Da habe ich ein bisschen gebraucht und das war auch das Schwierigste. Aber in der Stadt selbst habe ich mich direkt wohl gefühlt. Davor war ich zwei Mal auf Urlaub in London, die wichtigsten Sachen habe ich schon gekannt, aber die Stadt ist natürlich riesengroß. Bis man wirklich über alles einen Überblick hatte, hat es schon ein paar Wochen gedauert. Aber mittlerweile finde ich mich zurecht. Wenn ich etwas brauche, weiß ich, wo genau ich hin muss. Die Spieler, die schon länger da sind, zeigen einem immer wieder etwas. Auch wenn Besuch kommt, macht man immer etwas in der Stadt, schaut sich die Sehenswürdigkeiten, aber auch die Stadt im allgemeinen an. Das Wetter ist manchmal nicht so gut, aber zum Trainieren passt das wiederum perfekt. Ich fühle mich wirklich sehr wohl. Es gibt viele gute Restaurants, schöne Cafes, wo man nachmittags mal hin kann. An der Themse ist es auch immer wieder sehr schön. Viele sagen, wenn in London schönes Wetter ist, ist es die schönste Stadt. Und das stimmt, dann ist London wirklich unglaublich. Einzig über den Verkehr kann man diskutieren. In London fahre ich fast nur noch U-Bahn, mit der geht es super schnell. Von mir daheim in die Stadt sind es acht Kilometer. Mit dem Auto würde ich eineinhalb Stunden brauchen und die Parkplatz-Situation ist sowieso ein Skandal...(schmunzelt)

LAOLA1: Inzwischen seid ihr einige England-Legionäre. Gibt es schon eine kleine österreichische Community?

Wimmer: Mit Basti habe ich mich schon ab und zu zum Essen getroffen, ich habe mir auch schon ein Spiel von ihm angeschaut. Mit KOnstantin Kerschbaumer mache ich relativ oft etwas - meistens in der Stadt, manchmal treffen wir uns bei ihm oder mir. Marko Arnautovic kommt auch ab und zu mal nach London. Das ist schon super. In London kann man genug Sachen machen, da findet sich immer etwas.

LAOLA1: Zusammenfassend kann man sagen: Wenn die Einsatzzeit auch noch kommt, ist es vom Sportlichen und Privaten her ein Umfeld, das man sich längerfristig vorstellen kann, oder?

Wimmer: Auf jeden Fall. Momentan ist es noch schwierig, wenn man nicht so viel spielt, aber vom Umfeld und Drumherum im Verein her ist es schon ein Wahnsinn. So etwas findet man vermutlich auch nicht so oft. Alleine das Trainingszentrum ist vor ein paar Jahren für 60 Millionen gebaut worden. Es macht Spaß, jeden Tag dort zu trainieren. Während der Saison trifft man sich um 9:30 Uhr, dann ist um 10:30 Uhr Training, davor noch Frühstück. Nach dem Mittagessen fährt man nach Hause. Aber in der Vorbereitung bist du fast den ganzen Tag dort. Uns stehen Aufenthaltsräume zur Verfügung, wo du Tischtennis, Billard oder Playstation spielen kannst, du kannst dich auch hinlegen. Du kannst dich voll auf den Fußball konzentrieren. Bei Tottenham herrschen ganz einfach optimale Bedingungen.


Das Gespräch führte Peter Altmann

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