Abstiegskampf in einer Medienstadt wie Hamburg kann skurrile Negativschlagzeilen produzieren.
Diese Erfahrung muss derzeit HSV-Legionär Michael Gregoritsch nach dem "Trikot-Gate" machen. Nach dem 2:5 gegen Dortmund wurde ihm vorgeworfen, dass er Mario Götze in den Katakomben nachgelaufen sei, um dessen Dress zu ergattern.
"Also wenn das das größte Problem des HSV ist, wäre es wunderschön! Dann würde ich bitte sagen", kann der Steirer am Rande des ÖFB-Camps in Wien nur den Kopf schütteln.
Michael Gregoritsch über "Trikot-Gate":
(Der Text wird unter dem Video fortgesetzt)
In seinen Augen ist der Wirbel ohnehin viel Lärm um nichts.
Falschaussage eines Journalisten
Vor allem, weil er das Trikot gar nicht für sich selbst besorgt habe, sondern für die Tochter von HSV-Nachwuchstrainer Christian Rahn.
"Es wurde vom Journalisten falsch wiedergegeben. Dass es heißt, ich hätte es für mich geholt, kann man falsch auslegen, das ist von mir aus okay. Aber ich bin ihm weder hinterhergelaufen, noch habe ich das Trikot gejagt, sondern er ist neben mir gestanden und ich habe ihn gefragt: "Kannst du mir dein Dress geben?" Er hat gesagt: "Ja, kein Problem", er hat es mir gegeben und ist in die Kabine gegangen", klärt Gregoritsch auf.
Seiner Meinung nach müsse er sich dafür nicht rechtfertigen: "Es hat mich gar nicht belastet. Es war nicht so, dass ich kurz davor war, irgendeine Reaktion auf Instagram zu posten. Es war einfach eine Falschaussage eines Journalisten, die dann natürlich übernommen wird. Mittlerweile verbreitet sich alles wie ein Lauffeuer, was auch nicht schlimm ist. Es ist nur von einem Journalisten wiedergegeben worden, kein anderer hat es gesehen, und ich war auch nicht um eine Richtigstellung bemüht, weil das Thema für mich so lächerlich ist in der Situation, in der wir uns befinden."
Der Umgang mit der Kritik
Die Richtigstellung ist hiermit erledigt, die Situation des Hamburger SV ist jedoch nach wie vor eine schwierige. Mit zwei mickrigen Punkten aus den ersten zehn Runden ziert der Bundesliga-Dino das Tabellenende. Entsprechend groß ist der Druck rund um den Traditionsverein.
"Wenn man beim HSV unterschreibt, wäre es naiv, wenn man glaubt, dass man sofort aus dem Schneider ist und nichts passiert, wenn es nicht so gut läuft. Deswegen habe ich gewusst, das auf uns zukommen wird, was jetzt schon seit einiger Zeit auf uns zugekommen ist", kann Gregoritsch mit der heftigen Kritik umgehen.
Laut Meinung des 22-Jährigen müsse man diese Krise so schnell wie möglich ausmerzen und versuchen, sich das Glück aus der Vorsaison wieder zu erarbeiten: "Wir sind jetzt nicht von einer Saison auf die andere eine absolut schlechte Mannschaft geworden. Deswegen gilt es daran zu arbeiten, die Beine in die Hand zu nehmen und Gas zu geben."
Die Erwartungshaltung selbst zu hoch gesetzt
Vor der Saison herrschte in der Hansestadt noch Aufbruchstimmung. In der Vorsaison war ein Aufwärtstrend erkennbar, die Transferpolitik versprach den nächsten Schritt nach vorne.
Was schief gelaufen ist, kann auch Gregoritsch selbst nicht benennen: "Weil ich nach der Vorbereitung eigentlich ein gutes Gefühl hatte."
Im ersten Saison-Spiel gegen Ingolstadt sei man mit einer 1:0-Führung in die Pause gegangen: "Rund um die 50. Minute sind aber bereits Pfiffe gekommen. Die Leute haben vielleicht geglaubt, wir gewinnen das erste Spiel mit 4:0 oder 5:0. Das spielt sich in der deutschen Bundesliga bei kaum einem Verein ab. Man sieht auch bei Bayern München, dass sie nicht durch die Meisterschaft marschieren."
Die Vermutung des Steirers: "Ich glaube einfach, dass auch durch uns selbst und unsere eigenen Aussagen die Erwartungshaltung so hoch gesetzt worden ist, dass man es irgendwann nicht mehr einhalten kann, wenn man das vierte oder fünfte Spiel in Folge verliert. Dann kommt man in einen Strudel rein. Es gilt, den Kopf nicht hängen zu lassen. Das ist aber schwierig, weil wir zurzeit viele individuelle Fehler machen, vor allem sehr viele Rote Karten und Elfmeter gegen uns kriegen."
In der deutschen Bundesliga werde einfach jeder Fehler bestraft: "Das ist bei uns zurzeit extrem. Deswegen muss man sich so gut wie möglich daran erinnern, was uns letzte Saison oder davor in der Relegation stark gemacht hat."
Wiedersehen mit Markus Gisdol
Bislang ist es auch dem neuen Trainer Markus Gisdol nicht gelungen, eine Trendwende einzuleiten. Für Gregoritsch ist der Nachfolger von Bruno Labbadia ein alter Bekannter, mit dem er zumindest für kurze Zeit zusammengearbeitet hat:
"Er hat mich damals bei Hoffenheim übernommen, ich bin aber zwei oder drei Wochen später gewechselt. Es ist selbstredend eine besondere Situation, dass wir uns wiedergetroffen haben, aber ich habe dem nicht mit Angst und Bange entgegengeblickt. Die Situation ist inzwischen komplett anders, ich habe in den Jahren seither einen Schritt gemacht. Das hat der Trainer auch erkannt. Ich fühle mich als vollwertiges Mitglied der Mannschaft und glaube nicht, dass ich weniger Einsatzzeit habe als unter Labbadia."
Gegen Dortmund spielte Gregoritsch erstmals unter Gisdol durch, davor fand er sich auf der Bank wieder. Dafür gibt es jedoch eine logische Begründung:
"Er ist in der Woche vor dem letzten Lehrgang bei der Nationalmannschaft gekommen. Das heißt, ich war über eine Woche weg von der Mannschaft. Dass es dann erst einmal schwierig war, in die Mannschaft zu finden, ist normal. Ich war dann aber immer der erste Wechsel und spüre auf alle Fälle das Vertrauen des Trainers und versuche das so gut wie möglich zurückzuzahlen. Ich würde nicht sagen, dass es eine schwierige Situation ist, die ich beim Trainer habe."
In Hamburg scheint man derzeit ohnehin ganz andere Probleme zu haben...
Peter Altmann