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Pro & Contra Bayern: Darum ist Tuchel (nicht) der Richtige

War es richtig von den Bayern-Bossen, Julian Nagelsmann durch Thomas Tuchel zu ersetzen? Diese Frage spaltet die Fußballwelt und auch die LAOLA1-Redaktion.

Pro & Contra Bayern: Darum ist Tuchel (nicht) der Richtige Foto: © getty

In der Länderspielpause Ende März platzte beim FC Bayern München eine Bombe: Trainer-Star Julian Nagelsmann wurde überraschend entlassen und durch Ex-Chelsea- und -PSG-Coach Thomas Tuchel ersetzt.

Ein Schritt, der die Fußballwelt in und um Deutschland zum Beben brachte. Zunächst schien es so, als hätten die Bayern-Bosse um Oliver Kahn, Herbert Hainer und Hasan Salihamidzic alles richtig gemacht.

Gleich im ersten Spiel besiegten die nunmehrigen Tuchel-Bayern den Titelkonkurrenten Borussia Dortmund mit 4:2. Danach ging es steil bergab: Im DFB-Pokal-Viertelfinale scheiterte man am SC Freiburg, drei Tage danach folgte ein 0:3 im Champions-League-Viertelfinale bei Manchester City.

Das Triple ist damit dahin, für das Double aus Königsklasse und Meisterschaft brauchen die Münchener im Rückspiel gegen City am Mittwoch (21 Uhr im LIVE-Ticker) ein kleines Wunder. 

War es richtig, Julian Nagelsmann durch Thomas Tuchel zu ersetzen oder haben die Bayern-Bosse einen schweren Fehler begangen?

Bei dieser Frage gehen die Meinungen unter Fans und Experten auseinander. Auch in der LAOLA1-Redaktion ist dem so. Ein Pro & Contra der Redakteure Christian Frühwald und René Mersol zur "Causa Tuchel":

"Die Entlassung von Nagelsmann hat die Krise erst ausgelöst" (Christian Frühwald)

Acht Siege in acht Champions-League-Partien inklusive zweier Achtelfinal-Erfolge über Paris Saint-Germain, Tabellenführer der Deutschen Bundesliga, Viertelfinal-Einzug im DFB-Pokal, gerade einmal 3 Niederlagen in 36 Pflichtspielen.

Während bei anderen Vereinen bei solchen Bilanzen wohl alles in die Waagschale geworfen wird, um den aktuellen Chef-Trainer halten zu können, ticken die Uhren beim FC Bayern anders. Julian Nagelsmann wurde von den Verantwortlichen mit exakt dieser Statistik bei einem bezahlten Jahresgehalt von 8 Millionen Euro im Jahr mit Vertragsdauer bis 2026 in den bezahlten Dauer-Urlaub geschickt.

Über das Warum wurde in den vergangenen Wochen viel diskutiert. Eine befriedigende Antwort gab es für diese umstrittene Entscheidung von Geschäftsführer Oliver Kahn und Sportvorstand Hasan Salimhaidzic nicht wirklich. Laut Kahn habe sich "die Qualität unseres Kaders zunehmend seltener gezeigt".

Eine bemerkenswerte Aussage, nachdem wenige Tage zuvor die Star-Truppe von PSG souverän ausgeschaltet worden ist und auch Präsident Herbert Hainer in einem Pressegespräch davon sprach, dass in den letzten eineinhalb Jahren unter Nagelsmann "deutliche Fortschritte" erzielt worden sind.

Salimhaidzic erklärte die Entscheidung mit "einer gründlichen Analyse der sportlichen Entwicklung unserer Mannschaft speziell seit Januar und mit den Erfahrungswerten der Rückrunde der Vorsaison". Im Vorjahr holte Nagelsmann mit den Bayern souverän den Meistertitel, im Jahr 2023 lautete die Bilanz bis zum Rauswurf 8 Siege, 2 Niederlagen.

Zahlen, von denen Nachfolger Thomas Tuchel bislang nur träumen darf. Abgesehen vom gelungenen Debüt, als die Bayern das Spitzenspiel gegen Borussia Dortmund - allerdings auch unter gehöriger Mithilfe von BVB-Schlussmann Kobel - mit 4:2 gewinnen konnten, überzeugte der deutsche Rekordmeister unter dem neuen Cheftrainer bislang nicht wirklich.

Für die Unruhe hat in erster Linie die sportliche Führung unter Kahn und Salihamidzic mit dem Rauswurf von Nagelsmann gesorgt.

Seit dem Nagelsmann-Rauswurf wirken die Bayern-Stars zunehmend verunsichert, lassen sich von Rückschlägen im Spielverlauf leicht aus der Bahn werfen und hinken vor allem auch ergebnistechnisch hinterher.

In den letzten vier Spielen steht nur ein 1:0-Zittersieg in Freiburg zu Buche, in der Champions League hilft nach der 0:3-Schlappe bei Manchester City, die in dieser Höhe noch recht schmeichelhaft ausfiel, nur mehr ein kleines Wunder, um den Aufstieg noch zu schaffen. Im DFB-Pokal ist man bereits ausgeschieden. Am vergangenen Samstag reichte es daheim gegen Abstiegskandidat Hoffenheim gar nur zu einem mageren 1:1-Unentschieden.

Kurios mutet auch die hinter der Hand vorgetragene Kritik an Nagelsmanns Führung an, die ihm vorwarf, dass er in der Star-Truppe der Bayern nicht für die nötige Disziplin sorgen könne. Tuchel wäre da laut den Überlegungen der Bayern-Bosse die bessere Lösung. Ausgerechnet unter Tuchel kam es nun nach der bitteren Pleite in Manchester zum größten Eklat der letzten Jahre, als Sadio Mane seinen Teamkollegen Leroy Sane nach einem Disput abwatschte.

Ein Zeichen dafür, wie groß mittlerweile die Unruhe in der Bayern-Kabine ist. Eine Unruhe, für die in erster Linie die sportliche Führung unter Kahn und Salihamidzic mit dem Rauswurf von Nagelsmann gesorgt hat. Und dieses Duo wird auch die Verantwortung für diese von vielen Fans und Experten nicht nachvollziehbare Entscheidung rund um Nagelsmann tragen müssen.

Misslingt das Experiment Tuchel, sind wohl auch diese beiden Herren stark angezählt. Das vorab gesetzte Vertrauen in den neuen Coach ist zumindest auf dem Papier nicht so groß wie jenes in Nagelsmann, als dieser von Leipzig verpflichtet worden ist. Tuchels Vertrag läuft nur bis zum Jahr 2025, ein Jahr kürzer als Nagelsmanns noch laufender Bayern-Vertrag.

"Pro Tuchel wird sich langfristig als richtig erweisen" (René Mersol)

Die Bayern-Bosse Hainer, Kahn und Salihamidzic mussten für die Entlassung von Julian Nagelsmann viel Kritik einstecken. Mit Thomas Tuchel wurde ein anderer internationaler Star-Coach engagiert.

Die Erwartungen seitens der Öffentlichkeit waren und sind enorm hoch, Tuchel soll es richten. Dass er das kann, steht außer Zweifel. Das hat er oft genug bewiesen.

Aber jetzt zu glauben, dass alles von Sekunde eins an perfekt funktioniert, ist eine plumpe Illusion, derer man sich nicht hingeben sollte. Neuer Trainer, neues Konzept. Das sollte doch wirklich niemanden mehr überraschen.

Wie soll denn das so mir nichts, dir nichts funktionieren? Tuchel ist ein internationaler Top-Trainer, aber kein "Wunderwuzzi", der mit dem Zauberstab von einem Moment auf den anderen alles in Erfolg verwandeln kann.

Tuchel verfolgt eine andere Philosophie als sein Vorgänger, auch der Kader ist auf Nagelsmann ausgerichtet. Es braucht Zeit, um die neue Philosophie in diese Mannschaft hineinzubringen.

Es ist realitätsfremd, zu erwarten, dass unter Tuchel alles von Beginn weg perfekt funktioniert. Gebt dem Mann Zeit, dann wird er mit den Bayern auch Erfolg haben.

Es ist realitätsfremd, zu erwarten, dass unter Tuchel alles von Beginn weg perfekt funktioniert. Gebt dem Mann Zeit, dann wird er mit den Bayern auch Erfolg haben.

Natürlich kann man darüber streiten, ob die Entscheidung der Bayern-Bosse die richtige war. Aber nicht jetzt, das ist der falsche Zeitpunkt. Tuchel ist seit nicht einmal vier Wochen im Amt, da ist es unmöglich, schon etwas Konkretes über seine Arbeit zu sagen.

Die Bayern-Bosse sorgten mit dem Nagelsmann-Rauswurf jedenfalls für gehörigen Aufruhr, der "FC Hollywood" sei wieder da, wird ringsum geunkt. Das ist für den Boulevard natürlich ein gefundenes Fressen, den Redakteuren der Bild soll vor dem Champions-League-Rückspiel gegen Manchester City schon das Wasser im Mund zusammenlaufen.

Wie bereits erwähnt: Ob die Entscheidung die richtige war, wird die Zeit zeigen, aber unstrittig ist, dass eine Vereinsführung da ist, um Entscheidungen zu treffen. Und zwar dann, wenn man den Erfolg des Vereins, für gefährdet hält.

Dieser Pflicht ist man in jedem Fall nachgekommen. "Brazzo" und Oliver Kahn tragen das Bayern-Gen, dieses viel zitierte "Mia san Mia" tief in sich, sie wollen das Beste für den Klub und das werden wohl auch die meisten Kritiker einsehen.

Man wollte den Trainer wechseln, weil man mit Nagelsmann keine Zukunft sah - die Gründe sind hinlänglich bekannt - und mit Thomas Tuchel war einer der besten seines Faches auf dem Markt. Wann sollte man diesen Wechsel denn sonst vollziehen, wenn nicht in der Länderspielpause?

Auch Bayern-Präsident Herbert Hainer wurde für seine Aussagen kurz vor dem Nagelsmann-Aus scharf kritisiert. Das Klub-Oberhaupt sprach davon, dass man "langfristig" mit Nagelsmann plane und er gut zum Klub passe.

Ganz ehrlich: Was hätte Hainer denn sonst sagen sollen? Dass man an Nagelsmann zweifelt und überlegt, ihn rauszuschmeißen? DAS wäre dann nämlich FC Hollywood gewesen!

Seit der Corona-Pandemie hat das Tempo im Fußball-Business nochmals enorm angezogen, das Geschäft ist noch schnelllebiger geworden, als es schon zuvor war.

Innerhalb weniger Tage können sich Dinge ändern und darauf müssen Vereinsverantwortliche reagieren. Das sollte man auch den Bayern-Bossen zugestehen.

Sie werden mit ihrer Entscheidung, Thomas Tuchel zu holen, Recht behalten, trotz aller Kritik, die ihnen derzeit entgegenschlägt. Vielleicht noch nicht in dieser Saison, aber langfristig haben Kahn & Co mit Tuchel die richtige Wahl getroffen.



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