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Dragovic: "Zwei Jahre zu viel Druck gemacht"

Für Leverkusen ging der Start daneben, für Dragovic selbst geht es bergauf:

Dragovic: Foto: © getty

Die ersten beiden Saison-Spiele in der deutschen Bundesliga verloren, dafür aber in beiden Partien über 90 Minuten auf dem Platz - die Bilanz des "Neustarts" von Aleksandar Dragovic bei Bayer Leverkusen ist eine denkbar zwiespältige.

"Das Wappen vorne auf der Brust ist wichtiger als der Name hinten", lässt er keinen Zweifel daran, dass für ihn die Enttäuschung über den mannschaftlichen Fehlstart überwiegt.

In persönlicher Hinsicht kann er jedoch durchaus zufrieden sein, dass er sich einen Platz in der Startelf erkämpft hat. Denn nach der Leihe zu Leicester City in der vergangenen Saison schien ein erneuter, diesmal endgültiger, Abschied aus Leverkusen alles andere als unwahrscheinlich.

Darum war ein Wechsel kein Thema

Noch beim letzten ÖFB-Lehrgang herrschte Ungewissheit bezüglich der Zukunft des Innenverteidigers. Das einzige Versprechen, das er damals geben konnte, hielt er:

"Ich habe schon damals gesagt, es wird sicher nicht passieren, dass ich in der letzten Woche der Transfer-Zeit wechseln werde. Ich habe die Vorbereitung bei Leverkusen begonnen und mich von Anfang an wohl gefühlt. Ich habe immer gesagt, ich mache nicht drei Mal den Fehler, dass ich bei einem Verein keine Vorbereitung mache. Ich habe das Vertrauen des Trainerstabs gespürt, also war mir rasch klar, dass ich in Leverkusen bleiben und ein besseres Gesicht als vor zwei Jahren zeigen will. Ich will mich in Leverkusen durchsetzen."

"Vielleicht habe ich mir in den letzten zwei Jahren einfach zu viel Druck gemacht, dass ich alles niederreißen will."

Aleksandar Dragovic

2016 zog sich sein Wechsel von Dynamo Kiew zu Bayer so lange, dass er die Vorbereitung versäumte. 2017 schloss er sich erst am letzten Transfertag Leicester an. Diesmal fiel schon während der Vorbereitung auf, dass das Standing von Dragovic ein anderes sein könnte als bei seinem ersten Anlauf in Leverkusen. Sowohl Trainer Heiko Herrlich als auch Sportchef Rudi Völler äußerten sich voll des Lobes über den ÖFB-Legionär.

"Ich will mich nicht selbst loben, da die Mannschaft das Wichtigste ist, aber meine Leistungen in der Vorbereitung haben dazu beigetragen, dass man vielleicht so über mich spricht", meint Dragovic, der die gestiegene Wertschätzung durchaus spürt: "Das ist überall so im Sport oder im Beruf: Wenn die Leistung da ist, ist auch die Wertschätzung da."

Selbst zu viel Druck auferlegt

Geändert hat der Wiener seine mentale Herangehensweise an die Aufgabe. "Vielleicht habe ich mir in den letzten zwei Jahren einfach zu viel Druck gemacht, dass ich alles niederreißen will", gesteht er, "daher mache ich mir jetzt keinen Druck. Ich versuche einfach meine Leistung zu bringen und mich jeden Tag weiterzuentwickeln. Alles andere kommt von alleine. Jeder Trainer sieht Fußball anders, man kann immer ein bisschen etwas lernen. Ich versuche in jedem Training etwas dazuzunehmen."

Seine Leistung beim Auftakt gegen Mönchengladbach bezeichnet Dragovic als solide, gegen Wolfsburg habe er wie die ganze Mannschaft nicht sein bestes Spiel gezeigt. Nachdem in der Tabelle am falschest denkbaren Ort noch die Null steht, seien nun alle gefordert, sich zu hinterfragen.

"Jeder Spieler muss 100 Prozent geben und auch zurücklaufen. Wenn das nicht der Fall ist, bringt es nichts, wenn wir so gute Kicker in der Mannschaft haben. Jeder muss kämpfen. Es heißt: Erfolg muss weh tun, und das ist auch so."

Aleksandar Dragovic

"Der Start war sicherlich nicht das, was wir wollten. Null Punkte sind sehr, sehr schlecht. Jeder muss sich selbst an die Nase fassen und hinterfragen. Wir hatten eigentlich eine gute Vorbereitung, deswegen ist es unerklärlich, dass wir mit null Punkten dastehen. Aber daran sieht man, wie schwer es in der Bundesliga ist. Jeder Spieler muss 100 Prozent geben und auch zurücklaufen. Wenn das nicht der Fall ist, bringt es nichts, wenn wir so gute Kicker in der Mannschaft haben. Jeder muss kämpfen. Es heißt: Erfolg muss weh tun, und das ist auch so. Es kommt nichts von ungefähr", fordert der 27-Jährige.

Nicht in Panik verfallen

"Mehr trainieren, mehr geben, mehr kämpfen", lautet die Devise von Dragovic, der es jedoch für verfrüht hält, Alarm zu schlagen: "Es wird natürlich nicht leicht, aber wir dürfen nicht den Fehler machen, in Panik zu verfallen, sondern müssen alles in Ruhe analysieren. Jeder muss vor seiner eigenen Tür kehren und sich den Arsch für den Verein aufreißen."

Dass es nach der Länderspiel-Pause nach München zum FC Bayern geht, verspricht nicht unbedingt schnellen Punktezuwachs. "Aber vielleicht kommt das Spiel auch zum richtigen Zeitpunkt. Wir können nur gewinnen", hofft Dragovic, der auf seinen ersten Sieg mit Leverkusen gegen Kumpel David Alaba hofft: "Bis jetzt hat es leider nur zu einem Unentschieden gereicht."

Die Mannschaft ist Schuld, nicht der Trainer

Eine weitere Niederlage könnte auch die Situation von Herrlich verschärfen. Nach dem Fehlstart gibt es bereits Diskussionen, was Dragovic jedoch nicht überbewerten möchte:

"Es ist ja normal, dass die Gerüchte kommen, wenn man mit zwei Niederlagen startet. Da sind wir nicht die einzigen. Leipzig oder Schalke haben auch keinen super Start hingelegt. Mit dieser Kritik müssen wir umgehen. Wir als Spieler sind selbst verantwortlich, den Trainer trifft am wenigsten die Schuld. Wir Spieler sind Schuld daran, dass Unruhe reinkommt, weil wir nicht die Punkte geholt haben."

Leverkusen sollte genügend Qualität im Kader haben, um wieder auf die Siegerstraße einzubiegen. Das Idealszenario aus ÖFB-Sicht wäre natürlich, wenn dies mit Dragovic in der Startelf gelingt, damit sich das Bekenntnis zu Bayer im zweiten Anlauf tatsächlich bezahlt macht.

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