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Pichlers qualvolles Horror-Jahr: "Hat mich mental zerstört"

Wenn er auf dem Platz stand, war er "on fire". Eine rätselhafte Verletzung machte dem Salzburger jedoch beinahe die ganze Saison zunichte.

Pichlers qualvolles Horror-Jahr: Foto: © getty

Benedikt Pichler hat die schmerzhafteste Saison seiner bisherigen Karriere hinter sich gebracht.

Verletzungen zogen den Angreifer von Holstein Kiel in der abgelaufenen Spielzeit rund acht Monate (!) aus dem Verkehr.

Es war eine Zeit, die nicht nur die mentale Stärke des 25-jährigen Salzburgers auf den Prüfstand stellte, sondern auch die Ärzte und Physio-Therapeuten mit einer Menge Fragezeichen zurückließ.

LAOLA1 hat mit dem ÖFB-Legionär über seine Leidenszeit und seinen beschwerlichen Weg zurück auf den Fußballplatz gesprochen.  


LAOLA1: Du hast eine lange, von Verletzungen geprägte, Saison hinter dir. Wie geht es dir aktuell?

Pichler: Meiner Ferse geht es auf alle Fälle gut. Das ist schon mal das Wichtigste. Nachdem ich die letzten drei Spiele der vergangenen Saison schon mitgemacht habe, ist es aktuell kein kompletter Neustart, aber es ist wichtig, dass ich jetzt die Vorbereitung habe. Ich merke, dass mein Körper vor allem in den Umfängen und der Intensität noch Aufholbedarf hat, weil er das über acht Monate nicht gewohnt war, intensive Laufbelastungen zu haben. Aber ich habe ja schon das eine oder andere Training und Spiel vor der Pause gemacht. Ich bin auf einem guten Weg von der Fitness.

LAOLA1: Lass uns nochmal auf die vergangene Spielzeit zurückblicken. Du hattest eigentlich einen sehr vielversprechenden Saisonstart. Anfang September hat dich jedoch, so hört man zumindest, eine Schleimbeutelentzündung gestoppt. Was ist genau passiert?

Pichler: Ich weiß nicht, ob eine Schleimbeutelentzündung der Hauptgrund war. Es war eher ein oberer Fersensporn beim Achillessehnenansatz. Da ist natürlich der Schleimbeutel auch dabei, aber man kennt einen Schleimbeutel, der geht normalerweise zügiger weg. Es war dann so, dass der Fersensporn so hartnäckig war, dass ich alles an Möglichkeiten ausprobieren habe müssen. Schlussendlich war ein Schuh, den man auch bei Achillessehnenrissen hat, der die Ferse komplett entlastet, der Schlüssel, dass ich mich Schritt für Schritt annähern konnte. Aber auch da hat es vier, fünf Rückschläge gegeben, wo ich immer wieder von Neuem anfangen musste.

LAOLA1: Das muss doch bestimmt auch für den Kopf eine Tortur gewesen sein?

Pichler: Nach so einer langen Zeit ist man sich dann nicht mehr sicher, ob man wieder schmerzfrei laufen kann. Man weiß bei so einer Sache nicht, wann man wieder einsteigen kann, wann es wieder gut wird. In dem Fall war es echt brutal heftig für den Kopf. Aber am Ende habe ich es zum Glück irgendwie wegbekommen.

"Ich habe nicht gewusst, ob ich in einer Woche, in zwei Monaten oder vielleicht gar nicht mehr laufen kann."

Benedikt Pichler über seine Verletzung

LAOLA1: Ganze sechs Monate hat dich dieser Fersensporn aus dem Verkehr gezogen. Was war das härteste für dich in dieser Zeit?

Pichler: Das Schlimmste war, dass du keine Gewissheit hast, was es genau ist, wie lang es dauert und was man dagegen machen kann. Angenommen, du brichst dir einen Knochen, dann weißt du genau, wie lange der Knochen zum Heilen braucht und wie die Therapie aussieht. Aber bei einem Fersensporn hast du nicht die eine Lösung oder die eine Reha, wo du sagen kannst, das hilft demjenigen. In meinem Fall hat es lange gedauert, um erstmal herauszufinden, was der Ursprung von dem Ganzen ist. Ich habe mehrere Anläufe gebraucht, um wieder schmerzfrei gehen zu können. Ich habe alle Therapiemöglichkeiten, die dem medizinischen Team eingefallen sind, ausprobiert und die meisten sind gescheitert.

LAOLA1: Und was hat letztlich geholfen?

Pichler: Ich kann nicht mal sagen, welche Therapie es war, die mir geholfen hat. Es war wohl die Summe aus dem Ganzen. Ich habe mich extrem viel damit auseinandersetzen und mit den Physios besprechen müssen, weil ich und auch sie teilweise erst einmal erörtern mussten, wie wir mit dem neuen Ansatz vorgehen. Wenn du es immer wieder versuchst und wieder scheiterst, musst du dir wieder was Neues überlegen und das war das, was mich mental am meisten zerstört hat – weil ich nicht gewusst habe, ob ich in einer Woche, in zwei Monaten oder vielleicht gar nicht mehr laufen kann. Du weißt es nicht. Es hat lange keinen Anhaltspunkt gegeben, wo man gesehen hat, wie der Heilungsprozess bei anderen Leuten war.

LAOLA1: Hat es wirklich keine vergleichbaren Fälle gegeben?

Pichler: Zlatko Junuzovic hat was Ähnliches gehabt wie ich. Mit ihm war ich auch im Austausch, er hat mir ein bisschen Feedback geben können. Darüber war ich sehr dankbar. Das war nämlich der einzige Ansatz, der mir gezeigt hat, es ist möglich, dass man aus den Schmerzen wieder rauskommt.

"Es waren schon Ärzte dabei, die gesagt haben, es kann sein, dass es nicht mehr weggeht."

Benedikt Pichler über seine Verletzung

LAOLA1: Hat sich bei dir manchmal der Gedanke eingeschlichen, was wäre, wenn die Verletzung nie ausheilt?

Pichler: Ich habe alles versucht, damit ich nicht mit diesen Gedanken spiele, weil ich einfach meinem Körper zureden wollte, dass alles wieder gut wird und das nur eine Phase ist, die ich überstehen muss. Es ist aber trotzdem so, wenn du den fünften oder sechsten Anlauf brauchst, dass du Momente hast, in denen du dir denkst, was ist eigentlich, wenn ich nicht mehr schmerzfrei spielen könnte oder ich nicht mehr in einen Fußballschuh reinkomme. Es waren schon Ärzte dabei, die gesagt haben, es kann sein, dass es nicht mehr weggeht. Ich habe alles ausgetestet, habe bei den ganzen Therapiemöglichkeiten immer volle Unterstützung bekommen. Es war gut, dass ich stetig was gehabt habe, das mir neue Hoffnung gibt.

LAOLA1: Du bist mit einer Ablöse von 1 Million Euro immer noch Kiels Rekord-Transfer. Spürt man da vielleicht noch einen gewissen Extra-Druck, so schnell wie möglich auf den Platz zurückkehren zu müssen?

Pichler: Wie viel ich gekostet habe, war für mich kein Thema. Ich wollte einfach wieder mit den Kollegen spielen und Spaß haben. Die Saison ist eigentlich super losgegangen für mich. Ich wollte weiter so performen, wie es in den ersten Spielen war. Aber du siehst natürlich, dass die Mannschaft dich braucht, die Trainer dich brauchen. Du wirst gefragt, wann es wieder geht und dann immer wieder sagen zu müssen: „Ich weiß nicht warum, aber es geht einfach nicht“, ist richtig schwierig. Du willst selbst natürlich am meisten spielen, aber wenn du von anderen gefragt wirst, ist es doppelt schwer, sich eingestehen zu müssen, dass es noch nicht hinhaut.

Benedikt Pichler
Foto: © getty

LAOLA1: Nach langen sechs Monaten Wartezeit hat sich der Fersensporn dann aber doch verabschiedet und du durftest dein Comeback in der 2. Bundesliga geben – dieses ging jedoch kräftig in die Hose. Du wurdest Anfang April gegen Bielefeld zur Pause eingewechselt, gerade mal zehn Minuten später musstest du jedoch wieder mit einer Muskelverletzung vom Platz. Was ging da in diesem Moment durch deinen Kopf?

Pichler: Ich muss ehrlich sagen, ich habe das nicht mal so richtig realisiert. Ich glaube, ich habe sogar geschmunzelt, als es passiert ist, weil ich mir gedacht habe: "Wo bin ich eigentlich?" Monatelang trainierst du im Kraftraum. Du hast Zeit, jeden einzelnen Muskel zu trainieren und dann verletzt du dich nach zehn Minuten. Aber in weiterer Folge habe ich mir dann gedacht, solange es nur eine Muskelverletzung ist und meine Ferse hält, ist es mir egal. Vielleicht war es im Nachhinein sogar gar nicht so schlecht, weil die Ferse in weiterer Folge immer stabiler geworden ist. Und in dem Moment habe ich die Saison für mich ohnehin nur mehr dazu genutzt, dass ich mich wieder rantaste an das Ganze und die Ferse schmerzfrei bleibt.

LAOLA1: Im Endeffekt musstest du einen weiteren Monat pausieren. Im Saisonfinish wurde dein Kämpferherz letztlich aber doch noch belohnt. In den letzten drei Saisonspielen konntest du mit jeweils einer Torbeteiligung aufzeigen. Wie wichtig war es für dich persönlich, allen zu zeigen – "Ich bin noch da"?

Pichler: Es war unbeschreiblich. Während dieser acht Monate ist mir sehr viel Vertrauen und Zuspruch entgegengekommen von der Mannschaft und dem Trainerteam. Das geht natürlich auch anders. Wenn du da in acht Monaten fallen gelassen wirst oder dir das Gefühl gegeben wird, es sind einfach andere da und du musst schauen, dass du zurechtkommst, ist es nicht leicht, dass du nach so einer Verletzung wieder in die Spur findest. Dass ich das gleich mit Scorerpunkten zurückzahlen habe können, hat mich natürlich sehr gefreut.

 

"Bei so einer Dreckssaison muss man so etwas Positives mitnehmen."

Benedikt Pichler über seine starke Ausbeute an Scorerpunkten

LAOLA1: Du hast die Saison mit drei Toren und vier Assists in elf Spielen beendet – eigentlich eine starke Ausbeute. Überlegt man, was sein hätte können, wenn dich die Verletzungen nicht ausgebremst hätten?

Pichler: Wenn man die Einsätze wegzählt, wo ich verletzungsbedingt ausgewechselt werden musste, dann wären es neun Einsätze und sieben Scorer – das passt schon (lacht). Bei so einer Dreckssaison muss man so etwas Positives mitnehmen. Wobei es natürlich nie der Anspruch war, so aus der Saison zu gehen.

LAOLA1: Holstein Kiel hat die vergangene Saison der 2. Bundesliga als Achter im gesicherten Tabellen-Mittelfeld abgeschlossen. Wie fällt dein Saison-Fazit aus?

Pichler: Ich war sehr lange raus, deswegen ist es schwer, die Saison der Mannschaft zu analysieren. Aber grundsätzlich war es so, dass wir zu inkonstant waren. Wir haben gute Spiele gemacht gegen gute Gegner, haben es dann aber meistens gegen die vermeintlich schlechteren Teams nicht so gut gemacht, haben viele Punkte liegengelassen. Wir haben, abgesehen von mir, mit dem einen oder anderen Verletzten zu kämpfen gehabt. Es war eine Saison mit viel Gegenwind, auch wenn man sich anschaut, wie ein paar Spiele verlaufen sind. Aber am Ende des Tages können wir zufrieden sein, auch wenn vielleicht, wenn alles gepasst hätte, mehr möglich gewesen wäre.

LAOLA1: Holstein Kiel ist ein Verein, der in den vergangenen Jahren schon ein paar Mal knapp am Aufstieg in die 1. Bundesliga dran war. Wie realistisch ist es, kommende Saison wieder oben angreifen zu können?

Pichler: Es herrscht frischer Wind mit neuen Spielern. Das kann natürlich eine Chance sein für dieses Jahr. Aber es ist so früh in der Vorbereitung natürlich schwer zu sagen, wenn so viele Spieler gehen, so viele Spieler kommen. Aber natürlich will sich jeder verbessern, dafür sind wir alle Leistungssportler.

LAOLA1: Wie sehr kann eine Mannschaft wie der 1. FC Heidenheim vielleicht als Vorbild für Holstein Kiel dienen? Die beiden Klubs sind von der Größe durchaus miteinander vergleichbar, im Gegensatz zu Kiel ist es Heidenheim nach einigen gescheiterten Versuchen vergangene Saison aber gelungen, in die 1. Bundesliga aufzusteigen.

Benedikt Pichler gegen den HSV
Foto: © getty

Pichler: Wenn man sich so die 2. Liga anschaut, ist mit Hamburg (Anm. letzte Saison) nur ein richtiger Favorit in die Meisterschaft gestartet. Mit Schalke und Hertha sind jetzt doch wieder zwei Kaliber runtergekommen, aber trotzdem muss man sagen, dass in dieser Liga alles passieren kann. Das sieht man auch, wenn man sich die Spiele anschaut. Da gibt es so gut wie keine klaren Siege. Es gibt keine Mannschaft, die sich nach oben schießt und die ganze Zeit oben bleibt. Man sieht es auch an Heidenheim. Die letzten Jahre war immer zumindest eine Mannschaft oben, mit der man nicht gerechnet hätte. Alles ist so eng beisammen, dass alles möglich ist – nach oben wie nach unten. Natürlich ist da für jede Mannschaft alles drinnen.

LAOLA1: Und wie sieht deine persönliche Zielsetzung für die Zukunft aus?

Pichler: Es gibt natürlich Ziele, die sich jeder Fußballspieler setzt, aber ich bin nach dieser Verletzung einfach nur dankbar, dass ich jetzt schmerzfrei bin. Deswegen will ich dieses Jahr einfach schmerzfrei bleiben und mit einem gesunden und kraftvollen Körper meine Spiele machen. Der Rest wird von alleine kommen. Sofern ich fit war, hat es in der Vergangenheit bis jetzt immer gut funktioniert. Nach so einer langen Pause bin ich einfach nur froh, dass ich wieder am Platz stehen kann. Was anderes will ich mir gerade nicht vornehmen.

LAOLA1: Du hast im Interview mit LAOLA1 vor eineinhalb Jahren bereits erklärt, dass es dein großes Ziel ist, künftig einmal in der 1. Bundesliga und im Nationalteam zu spielen. Ich nehme an, diese Ziele sind gleichgeblieben?

Pichler: Ganz genau (lacht). Das sind natürlich Ziele, für die ich immer noch lebe. Aber ich schätze das befreite Fußballspielen gerade einfach so viel wert. Ich mache mir derzeit keine Gedanken über alles andere. Ich will wieder an das anknüpfen, wo ich aufgehört habe vor meiner Verletzung und dann wird das schon.

 

Manprit Sarkaria und Benedikt Pichler im FAK-Trikot
Foto: © GEPA

LAOLA1: Mit Patrick Wimmer und Manprit Sarkaria, die mit dir damals ziemlich zeitgleich den großen Durchbruch bei Austria Wien geschafft haben, haben es zwei Kollegen teilweise schon vorgemacht. Während sich Wimmer in Deutschland und im Nationalteam bereits etabliert hat, durfte sich Sarkaria zuletzt über seine erste ÖFB-Einberufung freuen. Wie sehr freut man sich da mit seinen Ex-Kollegen mit?

Pichler: Auf jeden Fall! Sie haben es sich verdient. Ich weiß ja, wie sie sind. Wir haben uns auf und abseits des Platzes gut miteinander verstanden. Es freut mich für sie, weil wir damals diesen Weg gemeinsam gegangen sind. Es ist natürlich auch gleichzeitig ein Zeichen für mich, dass es möglich ist und ein Schritt ist, der machbar ist, wenn man gut performt und dranbleibt. Ich gönne es ihnen extrem und hoffe natürlich, dass ich in Zukunft mit ihnen gemeinsam auflaufen kann.

LAOLA1: Das wünschen wir dir auch. Viel Glück für die kommende Saison!

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