Endstand
3:0
1:0, 2:0
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"Bisschen komisch gerade" - Sturm zwischen Freude und Frust

Das große Ziel "Conference League" ist geschafft. Cheftrainer Christian Ilzer weiß nach dem Spiel, bei wem er sich bedanken muss.

Foto: © GEPA

Für Sturm Graz war der Auftritt in Lissabon ein wahres Nervenspiel.

Der Kampf um das Überwintern in Europa, der parallel in zwei verschiedenen Stadien stattfand, war an Spannung kaum zu überbieten. Am Ende durften die "Blackies" trotz einer 0:3-Klatsche gegen Sporting Lissabon jubeln. Die Tordifferenz sowie die selbst erzielten Treffer schlugen sich zugunsten der Grazer und gegen das letztendliche Tabellenschlusslicht Rakow aus.

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Sporting hätte es Sturm auch leichter machen können. Schon früh war jedoch zu erkennen, dass der Gegner die Begegnung sehr ernst nahm, obwohl die Portugiesen schon vor dem Spiel sicher für die nächste Runde qualifiziert waren.

Eine sichtlich verunsicherte und vor allem im zweiten Durchgang maßlos überforderte Sturm-Mannschaft rettete sich schließlich irgendwie in die Conference League.

"Die schönste Niederlage meines Lebens"

Zum ersten Mal nach 23 Jahren ist Sturm Graz wieder im Frühjahr international vertreten. Es ist ein großer Erfolg für den Verein, auch wenn es sich in den ersten Momenten nach dem Abpfiff nicht so anfühlt. Den Spielern fiel es im Anschluss dementsprechend schwer, das Erlebte Revue passieren zu lassen: 

"Es ist ein bisschen komisch gerade", offenbart Jusuf Gazibegovic direkt nach Spielende seine Gemütslage. Der Rechtsverteidiger stemmte sich in der Schlussphase mit seinen Kollegen gegen die nicht aufhören wollenden Angriffswellen Sportings. Dennoch überwiegt die Freude:

 

"Man denkt schon, dass man konzentrierter auftreten hätte müssen, aber das ist am Ende jetzt egal", sagt der Bosnier. Ein spezielles Lob spricht er den mitgereisten Fans aus: "Die sind unglaublich. Das ganze Jahr haben sie uns durchgepeitscht, das hilft uns schon sehr."

Für David Affengruber ist es "die schönste Niederlage meines Lebens. Wir brauchen jetzt nicht groß analysieren, wir sind weiter!" In Erinnerung an das letzte Jahr, als Sturm in einer verrückten Gruppenphase trotz acht Punkten als Letzter ausschied, glaubt er, "dass wir uns das jetzt auch einmal verdient haben."

Deutlich reservierter zeigt sich Routinier Stefan Hierländer: "Die Gefühle sind sehr, sehr gemischt. Wenn man 3:0 verliert, tut das schon weh", gibt der Kärntner zu. Trotzdem will er auch mit Stolz auf das Geleistete zurückblicken: "Man bekommt, denke ich, immer das, was man sich verdient."

Ilzer: "Großes Dankeschön an Atalanta"

Sturm-Cheftrainer Christian Ilzer musste seine Gefühle ebenfalls noch ordnen, "aber je länger der Schlusspfiff hinter uns liegt, desto mehr kommt die Freude über das Überwintern in Europa hoch", merkt er auf der Pressekonferenz nach dem Spiel an.

Ilzer wollte bis zur Halbzeit nichts vom Zwischenstand bei Rakow wissen, entschied sich dann aber dazu, seine Mannschaft über die Atalanta-Führung aufzuklären: "Wir wollten dadurch noch mehr Kräfte mobilisieren. Außerdem hätte es die Mannschaft sowieso irgendwoher erfahren."

Einen positiven Effekt schien dieses Wissen in der zweiten Halbzeit nicht zu haben, da sich Sturm immer weiter nach hinten hineindrängen ließ und offensiv fast überhaupt nicht mehr stattfand. Der Trainer gibt im Anschluss zu:

 

"Es war dann auch nicht einfach zum Coachen. Im Endeffekt muss man sagen, dass es in der letzten halben Stunde egal gewesen wäre, an welchen Schrauben wir gedreht hätten, weil wir uns gegen diese spielfreudige und viel frischere Mannschaft extrem schwer getan haben und Sporting uns extrem überlegen war."

Der ständige Blick auf die Situation im Parallelspiel zwischen Rakow und Atalanta sorgte für weitere nervenaufreibende Momente: "Bei uns war komplett der Saft raus. Wir bekommen nichts mehr so hin, wie wir uns das vorstellen. Und auf der anderen Seite merkst du, dass Rakow zulegt", schildert Ilzer die bangen Minuten.

Die Tore erzielten allerdings die Italiener und halfen Sturm somit, den dritten Platz zu verteidigen: "Von dem her: Ein großes Dankeschön an Atalanta!", fügt der Trainer abschließend lächelnd an.

Österreichischer Fußball am Boden der Tatsachen

Was von diesem Europacup-Herbst übrig bleibt - sei es bei Sturm Graz, dem LASK und auch Red Bull Salzburg - ist vor allem die Erkenntnis, dass der österreichische Fußball international wohl doch nicht dort steht, wo man ihn vielleicht gerne hätte.

Aus Sturm-Sicht muss das Erreichte aber auch realistisch eingeordnet werden. In einer Gruppe mit Atalanta Bergamo und Sporting Lissabon konnte auch im Vorfeld nicht davon ausgegangen werden, diese auf einem Aufstiegsplatz abzuschließen.

Atalanta beendete die Serie A seit 2017 nie schlechter als auf Platz acht und hat sich unter Gian Piero Gasperini in Italien zu einer ernstzunehmenden Topmannschaft entwickelt. Und Sporting steht in Portugal aktuell über den großen Rivalen aus Porto und Benfica. Platz drei ist im Endeffekt also genau das, was erwartet werden konnte.

"Klassenunterschied zu sehen"

Und dennoch macht sich unterm Strich doch Ernüchterung breit, nicht näher an diesen Mannschaften dran zu sein. "Es war ein Klassenunterschied zu sehen", musste auch TV-Experte Sebastian Prödl nach dem Spiel anerkennen. Im Umkehrschluss musste zudem auch festgestellt werden, dass vermeintlich leichtere Gegner wie Rakow keineswegs "Kanonenfutter" sind.

Sturm hat nun also die alleinige Aufgabe, die österreichischen Fahnen in Europa hochzuhalten. Auf welchen Gegner die Grazer im Februar treffen werden, entscheidet die Auslosung am 18. Dezember. Zuerst geht es für die Spieler aber einmal in den wohlverdienten Urlaub.



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