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Koller-Politik mehr am Prüfstand, als ihm lieb ist

Kollers Politik steht in Frankreich mehr auf dem Prüfstand, als ihm lieb sein kann:

Koller-Politik mehr am Prüfstand, als ihm lieb ist

Dann muss es das ÖFB-Team eben im Crash-Kurs lernen.

Und zwar in einer Wiederholungs-Prüfung, die ungleich schwieriger ist als der erste Anlauf.

Vielleicht ist das sogar gut.

Gegen Ungarn ist Österreich mit Pauken und Trompeten durchgefallen. Statt bereit war die Elf von Marcel Koller nicht gut genug vorbereitet. Vor allem mental. Prüfung-Angst und so.

Aber sind wir ehrlich: Wer nicht druckresistent genug für ein Kräftemessen mit Ungarn in der Gruppenphase ist, dem könnte auch in einem etwaigen Achtelfinale das Herz in die Hose rutschen.

Deswegen wird Portugal so oder so, unabhängig vom Ausgang, lehrreich. Eine höhere Hürde und selbstverständlich eine noch viel brutalere Drucksituation als gegen die Magyaren.

Willkommen in der Welt eines Fußball-Turniers!


Das Thema Turniererfahrung hat man beim ÖFB-Team vor der EURO nicht so gerne besprochen, speziell Koller. Der Rasen ist gleich grün wie in Wien, das Tor gleich groß und so weiter.

Der Schweizer setzte in seiner öffentlichen Kommunikation darauf, so große Normalität wie möglich zu vermitteln – ein EM-Kick als Spiel wie jedes andere. Das ist es natürlich nicht, weshalb man nur hoffen kann, dass intern dieses Thema etwas zielgerichteter und intensiver bearbeitet wurde.

Denn Ungarn war schon nicht ein Spiel wie jedes andere und Portugal wird es erst recht nicht. Mit einer derartigen Stresssituation wie im Pariser Prinzenpark war diese ÖFB-Generation noch nie konfrontiert.

Dies übertrifft jede Aufgabe in der so erfolgreichen Qualifikation und auch die Belastung des WM-Quali-Schicksalsspiels in Stockholm 2013, als man letztmals so richtig mit dem Rücken zur Wand stand, unbedingt etwas mitnehmen musste und dabei knapp scheiterte.

Im Rückspiegel hat diese Niederlage das ÖFB-Team weiter gebracht als diverse andere Siege zusammen. Dies würde auch für den Portugal-Worst-Case gelten, obwohl im ersten Augenblick natürlich eine Welt zusammenbrechen würde. Selbiges gilt selbstredend auch für einen Sieg und das Meistern dieses neuen Levels, um den Teufel nicht an die Wand zu malen.

Denn die wichtigste Lektion sollten alle im ÖFB-Lager bereits gelernt haben: Bei einem Großereignis spielt eine andere Musik, und deren Takt kannte man zuvor so gut wie gar nicht.

Nun also der Crash-Kurs. Für die Spieler einerseits, aber auch für den Trainer.

Kollers Politik steht in Frankreich mehr auf dem Prüfstand, als ihm lieb sein kann. Gerade deshalb bin ich wirklich schon gespannt auf seine Aufstellung gegen Portugal.

Auch wenn mich Kollege Jürgen Pucher in seinem 12 Meter zu unpräzise interpretiert, bleibe ich dabei, dass es dem Schweizer nicht passen kann, dass in seiner Stammelf plötzlich so viele Fragezeichen auftauchen.

Und dabei geht es mir entgegen Puchers Wahrnehmung natürlich nicht um die unfreiwilligen Ausfälle – die gibt es bei jedem Turnier. Es wäre naiv zu glauben, ohne Sperren und Verletzungen auszukommen. Und ja, selbstredend können in der aktuellen Situation neue Kräfte frischen Wind bringen. Eh klar.

Es geht selbstverständlich um etwaige freiwillige Änderungen. Konkret um in die Kritik geratene Schlüsselspieler wie Marc Janko und Martin Harnik.

Fallen lassen oder weiter stützen?

Angesichts der - bis zum Ungarn-Spiel erfolgreichen und völlig zurecht viel gelobten, das sollte man wegen einer Niederlage nicht vergessen - Koller’schen Herangehensweise erscheint diese Entscheidung durchaus heikel. Denn der 55-Jährige hat eben vieles auf eine Stammelf aufgebaut.

In Wahrheit hat er im Vorfeld des EM-Ankicks den Konkurrenzkampf endgültig abgeschafft, wenn er Sebastian Prödl „ein paar Tage vor dem Ungarn-Spiel“ mitgeteilt hat, dass er nicht spielen werde – Prödl gegen Martin Hinteregger war zur Erinnerung die einzige vermeintlich umkämpfte Personalie.

Wer dann vor dem zweiten EM-Spiel vor der Frage steht, ob er Eckpfeilern seines Systems schon nach einem Pflichtspiel-Patzer das Vertrauen entziehen soll, sieht sich somit definitiv mit einem denkbar ungünstigen Timing konfrontiert.

So werden eben auch vermeintlich normale Trainerentscheidungen – und nichts anderes ist der proaktive Austausch von zwei, drei, vier Mitgliedern der Startelf zwischen zwei Gruppen-Spielen - durchaus zu einer „Vertrauens-Frage“.

Ein Indiz hat Koller bereits bei der Abschluss-PK gegeben. Man könne nicht zwei Wochen warten, bis ein Spieler fit werde. Es müsse die aktuell beste Elf spielen.

Ja eh. Nur wer dieser derzeit angehört, wird höchstinteressant.


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