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"Nicht mehr überlegen, nur noch handeln"

Zeit zu handeln! Das muss Österreich gegen Portugal richtig machen:

Vor dem Auftakt gegen Ungarn lautete das ÖFB-Motto: „Wir sind bereit.“

Wie wenig bereit Österreich für diese Partie war, konnte man sich 90 Minuten lang zu Gemüte führen.

Diesmal geht es um Wiedergutmachung. Um den Kampf gegen das böse Erwachen aus dem EURO-Traum. An das Worst-Case-Szenario eines vorzeitigen Ausscheidens will man noch gar nicht denken.

Wie auch immer, es ist eine Reaktion gefragt. „Es ist jetzt keine Zeit mehr zum Überlegen, es gibt nur noch die Möglichkeit zu handeln“, verdeutlicht Julian Baumgartlinger, „ohne das Spiel auf ein Podest zu stellen, müssen wir einfach etwas holen, sonst wird es schwierig, weiterzukommen.“

Auch ein schönes Motto. LAOLA1 nennt die notwendigen Faktoren, um selbiges diesmal erfolgreicher umzusetzen.

DIE RICHTIGE AUFSTELLUNG:

Bei der Abschluss-Pressekonferenz hat Marcel Koller auf die Frage nach den Überlegungen freiwilliger Änderungen eine interessante Aussage getätigt. „Wir überlegen uns das, schauen, wie fit die Spieler sind. Wir können nicht zwei Wochen warten, sondern müssen die Fittesten auf den Platz bringen und die von unserem Gefühl her aktuell beste Elf, um gegen Portugal dagegenzuhalten.“ Das kann beim ÖFB-Teamchef bekanntlich viel, aber auch gar nichts heißen. Man könnte jedoch sehr wohl auf den Gedanken kommen, dass es zum Beispiel für Marc Janko eng wird. Der im Saison-Finish verletzte Basel-Legionär, normal Österreichs Tor-Garantie, hat selbst zugegeben, dass er noch nicht bei 100 Prozent ist. Koller kennt die Elf, die er gegen Portugal auf das Feld schicken wird, natürlich schon längst – sein traditionelles, augenzwinkerndes Geplänkel („Es könnte ja über Nacht noch jemand aus dem Bett fallen. Lassen wir uns überraschen“) hin oder her. Man kann durchaus mutmaßen, dass sich der Schweizer beim einen oder anderen seiner Form hinterherhinken Stammspieler derzeit die „Vertrauens-Frage“ stellt: Weiter dem gewohnten Personal das Vertrauen schenken oder doch frischen Kräften eine Chance geben? Konkret betrifft dies neben Janko wohl Martin Harnik. Während Sebastian Prödl in der Innenverteidigung fix sein sollte, sind Marcel Sabitzer, Alessandro Schöpf und Stefan Ilsanker in diversen Varianten die heißesten Kandidaten, neu in die Elf zu rücken.


DIE RICHTIGE TAKTIK:

Um kurz Werbung für die traditionelle Taktik-Vorschau von Kollegen Jakob Faber, die später am Matchtag online gehen wird, zu machen: Sie wird erklären, warum Koller Ilsanker neu in die Elf nehmen und David Alaba als Junuzovic-Ersatz auf die Zehn beordern sollte. In den letzten Spielen konnte man den Eindruck gewinnen, dass die jeweiligen Kontrahenten Österreichs Plan A ausgeguckt haben. Auch die Ungarn umspielten das rot-weiß-rote Pressing geschickt. „Natürlich wird keiner mehr mit Pauken und Trompeten in unser Pressing reinlaufen. Ich glaube schon, dass wir uns in der Qualifikation einen gewissen Ruf erarbeitet haben, der für die Gegner eine Warnung war. Es weiß auch jeder, was wir vorhaben. Das heißt aber nicht, dass das zu verhindern ist, wenn wir es an einem Top-Tag auf den Platz bringen“, glaubt Baumgartlinger ungebrochen an eine der ÖFB-Stärken. Auf solche Top-Tage ist derzeit jedoch offenbar nur wenig Verlass. In Paris spricht der eine oder andere Beobachter bei Portugal gegen Österreich sogar von der Möglichkeit von einem der besten Vorrunden-Spiele dieser EURO. Auch Portugals Teamchef Fernando Santos geht davon aus, dass sich zwei Mannschaften mit demselben attraktiven Spielstil gegenüberstehen werden. Kollers feste Überzeugung ist es, dass man nur mit Mauern nicht weit kommt, sondern dass es beides, also Defensive und Offensive, braucht. Gleichzeitig weist er bei jeder Gelegenheit darauf hin, dass seine Elf diesmal kompakter stehen muss als beim von schlechter Abwehrarbeit geprägten Kräftemessen mit Ungarn. Und auf der anderen Seite wartet mit Cristiano Ronaldo so nebenbei noch einer der besten Fußballer der Welt, den es zu kontrollieren gilt. Man darf gespannt sein, wie Koller diesmal seinen Matchplan anlegt. Eine etwas mehr auf Konter ausgerichtete Strategie wäre jedoch keine Überraschung. Mehr Räume sollte es aber so oder so geben.

 

DER RICHTIGE FOKUS:

Kollers eigene Faktoren für einen Sieg neben der defensiven Kompaktheit: Die Chancen konsequenter nutzen beziehungsweise ruhiger und konzentrierter spielen. Ersteres lässt sich im bisherigen Turnier bestens beobachten. Es fallen überschaubar viele Tore, die wenigen Möglichkeiten gilt es zu verwerten. Das gelang Österreich in der Qualifikation ganz hervorragend, aber schon in den Tests danach präsentierte man sich zu oft zu verschwenderisch. Um überhaupt vor das gegnerische Tor zu kommen, gilt es gerade im Passspiel mit wesentlich mehr Konzentration und Ruhe zu agieren. Die Zahl der unerklärlichen Fehlpässe gegen Ungarn ist noch in bester Erinnerung und lässt sich auch statistisch dokumentieren. Ein Beispiel: Gerade einmal 75 Prozent der kurzen Pässe fanden gegen die Magyaren in der ersten Halbzeit ihren Weg zum Mitspieler. Man muss nicht zwingend vom statistischen Niveau so mancher Bundesliga-Mannschaft sprechen, aber viel fehlt da nicht mehr. Gegen Portugal ist im Aufbau höchste Konzentration gefragt, denn die Iberer verfügen fraglos über noch wesentlich mehr Qualität als die Ungarn, um etwaige ÖFB-Fehler auszunutzen.


DER RICHTIGE MENTALE ZUGANG:

Diesen Punkt mit "die richtige Einstellung" zu titeln, wäre unfair, denn das Wollen konnte man dem ÖFB-Team gegen Ungarn logischerweise nicht absprechen. Dafür mehreren Spielern die notwendige Druckresistenz. Man könnte auch „mentale Härte“ dazu sagen. Dass Koller nach dem Ungarn-Spiel eingestehen musste, dass man die Nervosität nicht in den Griff bekommen habe, ist keine Glanzleistung, wenn man sich auch die eigenen Ansprüche vor Augen führt, und nicht nur die Erwartungshaltung von außen. Sportpsychologe Thomas Graw führt für gewöhnlich in der ÖFB-Berichterstattung ein Schattendasein, in den vergangenen Tagen war sein Name präsent wie lange nicht. Ob der Deutsche im Alleingang für Abhilfe sorgen kann, sei dahingestellt, vielleicht sind Martin Hinteregger und Alessandro Schöpf ja nicht die einzigen ÖFB-Kicker, die Mentaltrainern gegenüber skeptisch eingestellt sind. „Er ist so beschäftigt wie wir alle im Trainer-Team“, meint Koller und spricht von seiner Aufgabe, die Spieler „wieder auf die Reihe zu bringen“. Der Schweizer setzte dabei auf Einzel- und Gruppen-Gespräche. Man muss es so klipp und klar zum Ausdruck bringen: Alle bisher genannten Punkte werden an Relevanz verlieren, wenn der Kopf nicht mitspielt. Das ist die entscheidende Komponente. Die Wahrheit ist, dass der Druck im Vergleich zum Ungarn-Spiel natürlich nicht geringer geworden ist. Die Hoffnung ist, dass jeder weiß, dass es die ÖFB-Elf im Normalfall viel besser kann. Vielleicht hilft die von Kapitän Christian Fuchs beschwörte „Jetzt-erst-Recht-Metalität“.

DER RICHTIGE GEGNER?

Was beim Thema Druckbewältigung helfen könnte, ist, dass sich Österreich nicht mit der Favoritenrolle herumplagen muss. Zumindest gegen Ungarn hat die Erwartungshaltung eines Pflichtsiegs nicht geholfen. Anzudeuten, dass Portugal in der jetzigen Situation der „richtige Gegner“ sein könnte, ist natürlich ebenso provokant wie heikel und soll eines zweifelsohne nicht: Die Qualität von Ronaldo und Co. in Frage stellen. Aber die Situation der Portugiesen lässt sich sehr wohl mit jener des Teams Austria vergleichen. Eitel Wonne geht anders. Der Auftakt geriet mit dem 1:1 gegen Island zur Enttäuschung, diverse Aussagen aus dem portugiesischen Camp lassen mehr auf Burgfrieden als auf grandiose Stimmung schließen. Und – freilich komplett subjektive Wahrnehmung und denkbar kleines Sample – die Härte der Kritik, mit der so mancher portugiesischer Journalist, der in den letzten Tagen im ÖFB-Quartier in Mallemort vorbeigeschaut hat, mit seinem Nationalteam ins Gericht geht, ist, sagen wir mal, bemerkenswert. Das muss alles natürlich gar nichts heißen. Man darf jedoch durchaus gespannt sein, mit wie viel Selbstvertrauen Portugal zu Werke gehen wird.

Wie auch immer: Einer der beiden angeschlagenen Boxer wird wohl Selbstvertrauen tanken, im Idealfall wird dies Österreich sein. Hoffen darf man natürlich. Klappt es nicht, könnte es bereits zu spät für einen Turnaround sein. Deswegen noch mal Baumgartlingers Motto: „Es ist jetzt keine Zeit mehr zum Überlegen, es gibt nur noch die Möglichkeit zu handeln.“


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