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Die Abenteuer wären im Kopf

Die ÖFB-Spieler müssen an die "Jetzt-erst-recht"-Mentalität auch wirklich glauben.

Die Abenteuer wären im Kopf

Wer hoch steigt, fällt tief. Genau das ist dem ÖFB-Team nach dem EM-Auftakt passiert. Die Vorschusslorbeeren sind aufgebraucht und es wird eine reine Kopfsache, ob man das Ruder noch herumreißen kann.

An der Linie (und im Camp)

Seit Dienstag herrscht natürlich Katerstimmung im Camp Austria in Mallemort. „Damit konnte niemand rechnen“, lässt etwa Ex-Teamchef Josef Hickersberger in der Nachbetrachtung zur Ungarn-Partie wissen. Er sei hier nur exemplarisch genannt. Viele stoßen nun in dieses Horn und zeigen sich auf das Äußerste negativ überrascht über die schmerzhafte Pleite gegen den Nachbarn. Wir alle können uns an der Nase nehmen und uns fragen, ob die demonstrative Zuversicht trotz holpriger Vorbereitung nicht eine Form des Zweckoptimismus war? Nach dem Motto: Was nicht sein darf, kann nicht sein.

Ich würde jetzt nicht so weit gehen wie einige, denen kurzfristig eingefallen ist, dass vielleicht auch einfach die Gegner in der Qualifikation schlecht waren und wir einem monatelangen Zerrbild unterlegen sind. Auch wenn Schweden und Russland bei der EURO niemanden begeistern, der Vergleich hinkt. Österreich hat einfach sein Potential nicht abgerufen. Nicht erst jetzt, auch in den letzten Partien vor dem Turnier nicht. Gegen das kleine Malta nicht und gegen das große Holland nicht. Es hatte nicht besonders viel mit den Gegnern zu tun. Im Tennis nennt man das „unforced errors“, die das ÖFB-Team produziert hat. Aber wir alle dachten, oder wollten es zumindest denken: Testspiele sind überbewertet. Dann kam Ungarn. Eine vor Durchschnittlichkeit strotzende Mannschaft, die einfach das kleine Einmaleins des spielerisch Schwächeren erledigt hat. Hat gereicht.

Die österreichische Mannschaft war nervös. Kaum ein Pass ist angekommen. Und nachdem die Anfangsstrategie, über die linke Seite die Ungarn an deren vermeintlicher Schwachstelle anzubohren, vom Gegner entschärft wurde, blieb eine Reaktion aus. Hinzu kommen leider sich in absoluter Unform befindende Akteure wie Martin Harnik oder welche, wo es eine Mischung aus Unform und nicht ganz fit ist, wie Marc Janko. Aber außer Julian Baumgartlinger hat eigentlich kein Ö-Kicker sein Leistungsmaximum abrufen können. Das führt zu noch so einer Sache, die wir alle, der Teamchef an der Spitze, im Vorfeld ignorieren wollten: Die Turniererfahrung. Leider scheint es, als wäre das ein weit größerer Faktor, als angenommen. Speziell dann, wenn man über die Maßen hoch gehandelt wird. Ungarn hat auch keine solche, hatte aber auch nichts zu verlieren, keiner hat ihnen besonders viel zugetraut.

"Außergewöhnliche Ereignisse bedingen manchmal außergewöhnliche Mechanismen und Maßnahmen"

Selbiges gilt für all die „Kleinen“, die wirklich sehenswerte Partien gegen große Gegner abliefern. Wie am Mittwoch zum Beispiel Albanien gegen Frankreich oder auch das tapfere Nordirland. Alles was sie schaffen, wird als Bonus wahrgenommen. Und nicht nur die Niederlage schmerzt die rot-weiß-rote Abordnung. Auch Zlatko Junuzovic' Knöchel und der Ausfall von Aleks Dragovic für das Spiel gegen Portugal am Samstag werden beklagt.

Was heißt das nun für Österreich? Es ist definitiv ein Knacks passiert. Es ist definitiv so, dass selten eine Mannschaft in einem Turnier den Turnaround schafft oder schwächelnde Akteure in Form kommen. Die „Jetzt-erst-recht“-Mentalität könnte es richten, wird da und dort gemutmaßt. Vielleicht kann sie das. Aber das muss man als Spieler auch wirklich glauben, nicht nur sagen. Oder sich helfen lassen, das zu glauben. Mentalcoach gäbe es einen. Viele wollen den aber nicht brauchen. Man soll auch niemand zu etwas zwingen, was er meint, nicht zu brauchen. Dass es so oder so, mit Hilfe oder ohne, hauptsächlich eine Kopfsache sein wird, ob man selbigen noch aus der Schlinge bekommt, ist klar. Es liegt in erster Linie am Trainerteam, das bewusst zu machen und zu versuchen, neuen Spirit, neue Abenteuer, zu entfachen.

Vielleicht hilft auch das, was gemeinhin als ein Pech angesehen wird. Vielleicht ist es entgegen der Vermutung von Peter Altmann in der LAOLA1-Dreierkette, ein EM-Spiel sei der denkbar schlechteste Zeitpunkt für Personalrochaden, gar kein so schlechter Moment genau dafür. Vielleicht helfen frische Kräfte, die Marcel Koller wegen der Ausfälle bringen muss. Vielleicht bringt genau das einen unerwarteten Schub. Ich weiß, Eingespieltheit, dieses Team hat uns die Qualifikation gewonnen, und so weiter. Aber außergewöhnliche Ereignisse bedingen manchmal außergewöhnliche Mechanismen und Maßnahmen.

Eine solche wäre eventuell auch, in Spiel zwei mit einem neuen Stürmer zu starten und Janko später von der Bank zu bringen. Sozusagen den Gegner und sich selbst überraschen und dieses Momentum dann zu nützen. Das hätte auch nichts mit Vertrauensentzug oder dergleichen zu tun. Am Ende geht es um das Team und darum, zum Tag X die besten Leute aufzustellen. Und nicht die „Richtigen“ oder wen aus Dankbarkeit für früher Geleistetes. Beides hatten wir in früheren Teamchef-Ären schon ohne Erfolg. Janko ist im Normalfall unser bester Stürmer. Ob er es im Moment ist, weiß ich nicht. An dieser Stelle bleibt nach der offenbar überhöhten Vorfeld-Euphorie jedenfalls nach nur einem Spiel jetzt bloß die demütige Hoffnung. Die Hoffnung, dass irgendetwas Gutes passiert und sich dieses Team doch wieder aufrichten kann.


Soll es ein Köpferollen im ÖFB-Team geben? In der LAOLA1-Dreierkette wird darüber diskutiert:



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